Mit schwingenden Armen läuft Martina Yordanova die Treppen zur Abteilung für zeitgenössische Kunst hinunter. Es ist ein ruhiger Samstagvormittag. Die bulgarische Hauptstadt Sofia liegt unter Schnee begraben, nur wenige Menschen besuchen die Nationalgalerie. Doch Yordanova hat gute Laune. Immer wieder hallt ihr Lachen durch die weiten Ausstellungsräume.
Als sie mit achtzehn das Land verliess, schien Bulgarien für junge Menschen perspektivlos, die Korruption wucherte, viele trauerten noch immer dem Realsozialismus nach. Die Verbrechen der Vergangenheit wurden nie wirklich aufgearbeitet, auch weil die Eliten von damals noch lange in den Ämtern sassen. Yordanova wollte sich davon frei machen. Die Welt erleben.
In einer Cocktailbar wischt sie am Abend auf dem Smartphone durch Bilder des italienischen Künstlers Giotto di Bondone, die sie eine Woche zuvor in Assisi gesehen hat. Immer wieder geht sie auf lange Reisen, von Bangladesch bis Tadschikistan, um sich mit Künstler:innen auszutauschen und neue Ideen nach Hause zu bringen.
Sie lernte Bulgarisch und arbeitete einen Geschäftsplan aus. Es war keine leichte Zeit: Bulgarien, eines der ärmsten EU-Länder, hatte während der Pandemie die höchste Sterblichkeitsrate in Europa. Die Wirtschaft brach ein, weil der Tourismus ausblieb, die Inflationsrate stieg, und der Export ins Ausland stockte.
Heute bringt sie jeden Tag um 9 Uhr ihre Kinder zur Schule und zum Kindergarten, kauft ein, sortiert Abrechnungen. «Im Dezember habe ich einen Monat lang jeden Tag gekocht», sagt sie, «meine Kollegin war im Urlaub.» Stand sie vor zwei Jahren noch ganz allein in der Küche, hat sie heute zwei bis drei Mitarbeiter:innen. Montags und donnerstags kocht sie selbst – alles frisch. Es soll schmecken wie zu Hause, nicht wie aus der Tiefkühltruhe.
Lyubenova studierte Rechtswissenschaften in Sofia und in den Niederlanden. Die meisten Bulgar:innen hätten damals zur LGBTIQ+-Community nur Klischees im Kopf gehabt, etwa Bilder von der Berliner Loveparade , sagt sie. «Das hatte absolut nichts mit der Realität der Menschen hier zu tun.» Die LGBTIQ+-Gemeinde habe kaum über ihre Rechte Bescheid gewusst.
Heute ist sie das Gesicht einer Bewegung. Ein Gesicht, das nicht immer gerne gesehen ist. In den letzten Jahren hätten rechte Parteien oder Einzelpersonen Untersuchungen gegen sie angestrengt, die vor Gericht immer wieder fallen gelassen worden seien, sagt sie. Onlinedrohungen sind ein fester Bestandteil ihres Alltags, auch ihr Hauseingang wurde schon vollgesprüht. Lyubenova spricht darüber so ruhig, als ginge es um eine andere Person.
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