Schwarze Brille, schwarzer Blick in die Zukunft: Carlos Ruiz Zafón, 2017 bei seinem Besuch in Zürich.Das St.-Ignatius-Kolleg in Barcelona ist ein imposantes Gebäude aus rotem Backstein. Hier ging Carlos Ruiz Zafón zur Schule, und auf den kleinen Carlos muss der Klotz aus dem späten 19. Jahrhundert wie ein gotisches Schloss mit Geheimgängen, Falltüren und finsteren Verliesen gewirkt haben.
Vor allem der erste der vier Romane, «Der Schatten des Windes», setzte den Ton: Da wird der zehnjährige Daniel von seinem Vater, einem Buchhändler, in eine labyrinthische Bibliothek im Herzen Barcelonas geführt, eines Barcelona der Gaslaternen, das zwischen historischem «barrio gótico» und «gothic novel» oszilliert, und erhält ein geheimnisvolles Buch in die Hand gedrückt, das sein Leben prägen wird.
In der Folge entwickelt sich eine atemberaubende, aber auch haarsträubende Story um Fantastisches und Reales, ätherische Frauen und finstere Schurken, Entzifferungsanstrengungen und Verfolgungsjagden – alles unter dem bleiernen Dach der Franco-Diktatur, deren Terror jeglichen Gothic-Grusel übertrifft.
Zafón plünderte die Hochliteratur von Dante bis Lewis Carroll ebenso wie Trivialquellen, kopierte García Márquez und Umberto Eco und banalisierte Jorge Luis Borges, den eigentlichen Erfinder der labyrinthischen Bibliothek. Aber der Mann, der auch komponierte, war ein so raffinierter Plotbauer, dass es auch dem kritischsten Kopf schwerfiel, eines seiner Bücher, einmal darin gefangen, aus der Hand zu legen.
2017 stellte er im Zürcher Kaufleuten den Schlussband seiner Tetralogie vor, «Das Labyrinth der Lichter», noch einmal fast 1000 Seiten. In einem Interview mit dieser Redaktion äusserte er sich skeptisch über seine Wahlheimat USA und prophezeite der Menschheit Fürchterliches: «Der Homo sapiens neigt zur Faktenallergie, deshalb droht uns die Hölle.» Jetzt ist Carlos Ruiz Zafón im Alter von 55 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung gestorben.
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