Der 59-Jährige blickt beruflich oft hinter die verschlossenen Türen der Wienerinnen und Wiener. Dass Betrunkene ein schlechtes Gleichgewicht haben und wie gefährlich das mitunter sein kann, ist eine der banaleren Erkenntnisse seines Jobs. Bedrückender ist das Ausmaß an Einsamkeit der urbanen Gesellschaft, das Karwas jede Woche sieht.
Offizielle Zahlen dazu, wie viele Menschen einsam sterben, gibt es nicht. Aber in knapp der Hälfte der Wiener Haushalte lebten im Jahr 2019 Alleinstehende. Verglichen mit dem Jahr 1985 hat sich die Zahl der Einpersonenhaushalte österreichweit fast verdoppelt. Auch die Einsamkeit nimmt seit Jahren zu. Experten wie Anita Bauer, Geschäftsführerin vom Fonds Soziales Wien, befürchten, dass die Pandemie diesen Trend weiter befördert.
Statistisch gesehen sterben besonders viele Menschen in den Wintermonaten. In der Kälte bleiben die Toten oft unentdeckt. Erst wenn es wärmer wird, bemerken die Nachbarn und Vermieter den beißenden Geruch. Sie melden der Hausverwaltung oder der Polizei, dass etwas nicht stimmt. Dann läutet Karwas Telefon.
Vor seinem jetzigen Job war Karwas in der Baubranche selbstständig. Ein körperlich und psychisch fordernder Beruf. Karwas erlitt einen Schlaganfall und musste mehrere Wochen auf Reha. Er begann sein Leben zu überdenken. Als sein Sohn, der damals im Medizinstudium Leichen sezierte, ihm von einer Anekdote seines Professors erzählte, wird der 59-Jährige hellhörig: „Wenn ihr Geld verdienen wollt, werdet Tatortreiniger”, riet der Professor seinen Studenten.