Putin ist ein Gefangener der neoimperialen Idee, sagen Gwendolyn Sasse und Jörg Baberowski. Ein Streitgespräch über die Einflussmöglichkeiten des Westens.
Versammelte Osteuropa-Expertise: Gwendolyn Sasse und Jörg Baberowski beim taz-Streitgespräch Foto: Stefanie LoosGwendolyn Sasse: Ich war über das Ausmaß der Invasion erstaunt. Putin hatte ja am 21. Februar eine Rede gehalten, die klar machte, dass eine Eskalation bevorsteht. Aber Luftangriffe auf Städte in der gesamten Ukraine – das konnte ich mir schwer vorstellen.
im Interview:Jörg Baberowski61, ist Professor für Osteuropa-Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er ist Spezialist für die Geschichte der Sowjetunion. Bekannt wurde er mit dem 2012 erschienenen Buch „Verbrannte Erde. Stalins Herrschaft der Gewalt“, C. H. Beck. Sasse: Das ist kein Krieg zwischen zwei oligarchischen Systemen, sondern einer zwischen politischen Ordnungen. Ein wesentlicher Grund für den russischen Angriff ist, dass die Ukraine ein demokratisches oder doch ein sich demokratisierendes System ist. Das bedeutet eine Gefahr für das Regime in Russland. Deshalb hat Putin zu diesem extremen Mittel gegriffen. Dazu gehört die neoimperiale Machtprojektion. Beides ist untrennbar miteinander verbunden.
Sasse: Von ukrainischer Seite ist das eine legitime Formulierung. Allerdings ist es kein realistisches Szenario. Russland wird als Akteur nicht von der Landkarte verschwinden. In Mittel- und Osteuropa glauben manche, dass die russländische Föderation in Teile zerbrechen sollte. Aber der Westen teilt dieses Ziel nicht. Russland kann sich verändern, Teile könnten sich abspalten. Aber das kann man von außen nicht beeinflussen.
Baberowski:Nicht jeder Regimewechsel bewirkt, was man sich von ihm verspricht. Der Zerfall des Zarenreichs führte in den Bürgerkrieg, dem zehn Millionen Menschen zum Opfer fielen, und er war der Geburtsort der bolschewistischen Diktatur.
Sasse: Zur Verantwortungsethik gehört auch: Warum fragen wir immer, was die Ukraine aufgeben muss, welche Territorien sie nicht zurückfordern soll? Ich weiß nicht, wie der Krieg weitergeht, und maße mir nicht an, der Ukraine vorzuschreiben, auf welche Gebiete sie verzichten muss. In all den Manifesten für Frieden findet sich kein Wort dazu, wie man denn Putin dazu bewegt, zu verhandeln. Die Forderungen werden nur an die Ukraine adressiert. Das ist einseitig.
Baberowski: Nationen entstehen nicht in den Schützengräben, sondern in Zeitungsredaktionen. Wer in der Schlacht gewesen ist, findet an den Heldengeschichten gewöhnlich selten Gefallen.
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