Es ist allerhöchste Zeit. Wir stecken mitten im Klimawandel und seine Folgen sind auch in Deutschland spürbar: Starkregen und Überschwemmungen, Ernteausfälle infolge von Dürresommern – was man früher allenfalls im Urlaub im Süden erlebte, gehört in unseren Breiten inzwischen zum Alltag.

Inzwischen schwant wohl auch dem letzten Optimisten, dass dies nur die Vorboten sind von noch Schlimmerem. Die jüngsten Erkenntnisse der Klimawissenschaft deuten darauf hin, dass die Erderwärmung viel schneller vonstattengeht als bislang gedacht. Mit gutem Grund also haben sich die Politiker der großen Koalition seit Wochen mit Vorschlägen überboten, wie sie den Kampf gegen den Klimawandel verstärken wollen. Denn ob die Katastrophe vermieden werden kann, liegt (noch) in unserer Hand.

Doch trotz der Dringlichkeit der Lage und hochtrabender Rhetorik: In der Praxis hat diese Regierung eine Ewigkeit gebraucht, um in die Gänge zu kommen. Monatelang hat das Klimakabinett beraten, am Ende rang der Koalitionsausschuss 19 Stunden am Stück um teils frustrierend kleinteilige Details. Dabei wäre es so einfach gewesen: Mit einem CO2-Preis, richtig gestaltet, also auf alle Emissionsquellen erhoben und hoch genug, noch dazu schnell eingeführt, hätte sich die Koalition viele Einzelmaßnahmen sparen können. Nicht dass Investitionen, Anreize und Verbote überflüssig wären. Aber ohne einen umfassenden CO2-Preis erschöpfen sie sich im Klein-Klein.

Geschenke statt Einschnitte

Was die Koalition nun stattdessen ersonnen hat, ist enttäuschend. Ab 2021 will die Regierung den Ausstoß von CO2 aus Heizöl, Benzin und Diesel um einen festen Preis verteuern, und bis Mitte der Zwanzigerjahre soll daraus ein Emissionshandelssystem entstehen. Man könnte das als Fortschritt werten, denn lange hatte es so ausgesehen, als würde die Union aus ideologischen Gründen auf einem Emissionshandel bestehen und einen Fixpreis ablehnen, der einer Steuer gleichkommt. Dabei dauert es Jahre, ein Emissionshandelssystem aufzubauen.

Gut, dass es nun schneller geht. Dem Klima aber bringt das erst einmal trotzdem nur wenig: Die Regierung will den Ausstoß von CO2 im ersten Jahr nur mit zehn Euro pro Tonne belasten. Bis 2025 soll der Preis auf 35 Euro steigen. 35 Euro! Klimawissenschaftler gehen davon aus, dass ein CO2-Preis überhaupt erst in einer Größenordnung von 40 oder gar 50 Euro anfängt zu wirken. Ganz offensichtlich aber hat diese Regierung keine Traute, einen ausreichend hohen Preis einzuführen. Stattdessen verschiebt sie die Lösung des Problems weiter in die Zukunft und vergeudet so wertvolle Zeit.

Es wird ungemütlich

Immerhin: Man verspricht, kontinuierlich zu überprüfen, ob Deutschland sich auf einem guten Weg befindet, das Klimaziel für 2030 – 55 Prozent weniger Emissionen als 1990 – zu erreichen. Und das Verbot, neue Ölheizungen einzubauen, gegen das sich die Union so lange gesträubt hatte, kommt – allerdings beschränkt auf "Gebäude, in denen eine klimafreundlichere Wärmeerzeugung möglich ist". Die Koalition verteilt vor allem Geschenke – wohl auch aus Angst vor dem Liebesentzug der Wählerinnen und Wähler. Das absurdeste Beispiel dafür ist die Pendlerpauschale. Weil Benzin nun teurer wird, soll sie erhöht werden – klimapolitisch ist das völlig unsinnig. Und es ist symptomatisch für eine Regierung, die zwar das Klima schützen will, aber nicht den Mut hat, jemandem wehzutun. Mehr als 50 Milliarden Euro lässt sie sich das kosten.

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Ohne Schmerzen ist Klimaschutz aber nicht zu haben. In den kommenden Jahrzehnten muss es Deutschland schaffen, die Abhängigkeit von klimaschädlichen Energielieferanten wie Kohle und Heizöl, Diesel, Gas und Benzin drastisch zu reduzieren. Der dafür nötige grundlegende Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft wird sicher ungemütlich. Doch am Ende würden alle gewinnen: durch schönere Städte, sauberere Luft, eine geringere Abhängigkeit von importierter Energie. Und je länger man damit wartet, desto teurer und ungemütlicher wird es.

Im Pariser Abkommen wurde vereinbart, dass die durchschnittliche Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius begrenzt werden soll. Um dieses Ziel zu erreichen, bleibt der Menschheit nur noch ein bestimmtes Budget an Restemissionen. Will Deutschland den Anteil nicht überschreiten, der seinem Bevölkerungsanteil entspricht, müsste die Politik eigentlich dafür sorgen, dass die deutschen Emissionen bis zum Jahr 2036 auf null sinken – statt bis 2050 wie bislang geplant. Doch mit den Maßnahmen, die die große Koalition jetzt beschlossen hat, wird das nicht zu erreichen sein. Dabei wäre es allerhöchste Zeit.