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Sport Kampf ums deutsche Tor

„Dann ist es besser, wenn man auf einen verzichtet“

Das Duell der beiden Alphatiere im deutschen Tor, Manuel Neuer und Marc-André ter Stegen, spitzt sich zu. Bodo Illgner sieht die Atmosphäre in der Nationalelf in Gefahr. Torwarttrainer Andreas Köpke bleibt gelassen. Noch.

Fußball hat ihm noch nie gereicht. Manuel Neuer liebt Tennis, in seiner Jugend spielte er im Verein, seinen Kollegen Joshua Kimmich schlägt der 33-Jährige am freien Nachmittag im Trainingslager schon mal 6:0, 6:1, 6:0. Auch Handball fasziniert ihn, Nationaltorhüter Andreas Wolff besuchte den Torwart des FC Bayern an der Säbener Straße. Neuer versucht, in Sachen Training und Bewegungsabläufen von anderen Sportlern zu lernen.

In diesen Tagen sieht er Handballer in anderer Hinsicht als Vorbild: in Sachen Solidarität. Beim 1:1 im Topspiel der Bundesliga bei RB Leipzig parierte Neuer im Stile eines Handball-Torwartes einen Flatterschuss von Marcel Sabitzer und sagte nach dem Abpfiff bei Sky zu den Aussagen Marc-André ter Stegens: „Ich habe das mitbekommen. Ich weiß nicht, ob uns das hilft. Wir haben super Torhüter, die jetzt – das sage ich mal in Anführungsstrichen – dahinterstehen. Wir haben einen Kevin Trapp oder einen Bernd Leno. Das sind alles Torhüter, die natürlich spielen wollen, aber eben auch oft auf der Bank sitzen. Doch wir sind eine Mannschaft. Das kenne ich vom Handball: Da muss man zusammenhalten, da müssen auch die Torhüter zusammenhalten.“

Eine für seine Verhältnisse sehr deutliche Ansage des Kapitäns der Bayern und der deutschen Auswahl, des Chefs Neuer. Sätze, die viel über die Situation in der Nationalelf aussagen. Über zwei Ausnahmesportler, deren Duell diese Saison prägen dürfte. Neuers Botschaft an den sechs Jahre jüngeren ter Stegen: Ich verstehe, dass du spielen willst – aber halt dich künftig zurück und gefährde nicht den Teamgeist!

Eine der Szenen des Topspiels: Bayerns Manuel Neuer pariert einen Schuss von Leipzigs Marcel Sabitzer
Eine der Szenen des Topspiels: Bayerns Manuel Neuer pariert einen Schuss von Leipzigs Marcel Sabitzer
Quelle: Bongarts/Getty Images

Ter Stegen hatte unter der Woche auf der Veranstaltung eines Sponsors in Barcelona betont, die jüngste Reise mit der deutschen Auswahl sei für ihn ein harter Schlag gewesen. „Es ist nicht einfach, eine Erklärung dafür zu finden“, so der Profi über die Tatsache, dass er in der EM-Qualifikation gegen die Niederlande (2:4) und Nordirland (2:0) erneut nicht zum Einsatz kam. Neuer entgegnete nun: „Als wir bei der Nationalmannschaft zusammen waren, hat er nichts gesagt.“

In Barcelona ist Ter Stegen „Messi mit Handschuhen“

Ter Stegen hatte bereits vor der WM im vergangenen Jahr zwar sachlich seine langfristigen Ansprüche angemeldet, sich während Neuers langer Verletzungspause vor dem Turnier allerdings ruhig und kollegial verhalten. Und sich auch zurückgehalten, als Neuer später Fehler beging.

Seine Aussagen nun überraschten einerseits, weil ter Stegen zuvor bei T-Online betont hatte, er wolle nicht um jeden Preis die Nummer eins werden, Menschlichkeit sei ihm sehr wichtig. Er wolle immer in den Spiegel schauen und sich sagen können, nicht verrückt gespielt zu haben. Diese Aussagen hatten ihm viel Respekt und Lob eingebracht. Andererseits hatten sich zuletzt schon einige gefragt, wie ter Stegen es nur schafft, so ruhig zu bleiben. In Barcelona nennen sie ihn ob seiner Paraden „Messi mit Handschuhen“, er ist für die Wahl zum Welttorhüter des Jahres nominiert.

Bundestrainer Joachim Löw dürfte nun daran gelegen sein herauszufinden, inwiefern ter Stegens Sätze dessen kurzfristigem Frust geschuldet sind. Oder ob ein tiefer gehendes Problem auf die Mannschaft zukommt. Die EM beginnt in neun Monaten. Hat ter Stegen lediglich mal den Finger gehoben? Oder droht eines der knallharten Torwart-Duelle, die bei der Nationalelf quasi Tradition haben? Rund um die WM 1986 stritten Toni Schumacher und Uli Stein, Anfang der 90er-Jahre waren Bodo Illgner und Andreas Köpke Rivalen, vor der WM 2006 Oliver Kahn und Jens Lehmann.

Löw und Bundestorwarttrainer Andreas Köpke hatten in Barcelona ein ausführliches Gespräch mit ter Stegen geführt, in dem es um seine Perspektive und den internen Konkurrenzkampf ging. Zuletzt sagte Löw: „Marc haben wir zugesagt, dass er auch seine Spiele kriegt. Das wird auch so sein.“ Hätte Deutschland die Partie gegen die Niederlande gewonnen und/oder weniger Verletzte vor dem Spiel in Nordirland gehabt, hätte ter Stegen wohl schon am vergangenen Montag in Belfast gespielt.

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Am Sonntag sagte Köpke im Gespräch mit WELT: „Ich habe kein Problem mit den Aussagen von Marc-André und Manuel. Denn da ist nichts unter die Gürtellinie gegangen. Ich kann die Unzufriedenheit von Marc-André verstehen. Aber es ist nun mal eine Position, auf der wir stark besetzt sind. Und man leider nicht jedem Torhüter gerecht werden kann.“ Bernd Leno und Kevin Trapp seien in ihren Vereinen die Nummer eins und würden auch international spielen. „Wichtig ist, dass Respekt da ist und wir im Hinblick auf die EM 2020 eine Mannschaft formen, die eng zusammensteht.“

Illgner fordert Klarheit

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Bodo Illgner gewann mit Deutschland 1990 den WM-Titel. Der einstige Weltklasse-Torwart sagte WELT: „Es ist sicherlich keine einfache Situation für die Trainer. Beide Torhüter haben mit Sicherheit ihren Anspruch auf die Nationalmannschaft, bringen hervorragende Leistungen. Nun sind die Trainer gefordert, ein Gleichgewicht zu finden. Die Mannschaft steht im Vordergrund und muss erfolgreich sein.“

Löw dürfte spätestens auf der nächsten Länderspiel-Reise im Oktober mit beiden Torhütern sprechen. „Für eine erfolgreiche Mannschaftsleistung ist eine gute Atmosphäre notwendig“, betont Illgner. „Wenn das nicht klappt und es nicht zu einer Einigung kommt – und das kann man nur beurteilen, wenn man die beiden im Umgang miteinander sieht und weiter beobachtet, wie sich das auch außerhalb verhält mit diesen Pressedeklarationen –, ist es, glaube ich, besser, wenn man auf einen der beiden verzichtet. Und vielleicht einen, der leistungsmäßig Nummer drei oder vier ist, als Ersatztorwart mit ins Boot nimmt, um den Frieden in dieser Mannschaft zu gewährleisten.“

Also Leno vom FC Arsenal oder Trapp von Eintracht Frankfurt. „Wenn es nicht gelingt, diese beiden stimmungsmäßig zusammenzubringen, ist es meiner Ansicht und Erfahrung nach besser, sich auf einen zu konzentrieren. Und den anderen erst dann zu berufen, wenn der andere gesperrt oder verletzt ist“, so Illgner.

Neuer betonte Samstagabend noch, er finde, dass er sehr gute Leistungen zeige. Dasselbe denkt ter Stegen über sich.

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