Sie sitzen noch immer in Guantánamo: Warum wird 9/11-Attentätern nicht der Prozess gemacht?

Diese fünf Terroristen sollen den schlimmsten Terroranschlag auf amerikanischem Boden vorbereitet haben

Diese fünf Terroristen sollen den schlimmsten Terroranschlag auf amerikanischem Boden vorbereitet haben

Foto: AP

Mit dem 11. September jährte sich der Anschlag auf die Zwillingstürme des World Trade Centers (WTC) zum 18. Mal: Fast 3000 Menschen starben. Zwei Passagierflugzeuge wurden in die Türme des WTC in New York gesteuert, einer ins Pentagon. Ein vierter Jet, der wohl ins Weiße Haus hineingelenkt werden sollte, stürzte ab, weil die Passagiere die Entführer überwältigten. 9/11 ist zum Synonym für den schlimmsten Terror-Angriff auf US-amerikanischem Boden geworden.

Doch den Hauptverantwortlichen – Khalid Scheich Mohammed, Ramzi Binalshibh, Ali Abdel Asis Ali (alias: Ammar al-Baluchi), Mustafa Ahmed al-Hawsawi und Walid bin Attash – wurde noch immer nicht der Prozess gemacht.

Das passierte an 9/11Um 8.46 Uhr flog das erste Flugzeug in den Nordturm

Quelle: BILD, AP Photo/Chao Soi Cheong

Sie sitzen seit Jahren im Hochsicherheitsgefängnis von Guantánamo auf Kuba – doch passiert ist bisher nicht viel. Auf dem Gelände des US-Marinestützpunkts an der Südostspitze der Insel wurde zwar extra ein Gerichtsgebäude errichtet. Doch erst vor acht Jahren begannen die Vorverfahren für die eigentliche Hauptverhandlung, inzwischen unter dem dritten Vorsitzenden Richter Shane Cohen, Colonel der US Air Force. Er kündigte laut der Londoner „Times“ den vorläufigen Prozessbeginn für den 11. Januar 2021 an. Am Montag, dem 9. September, fand mal wieder eine Anhörung in dem Fall statt.

Den Männern werden unter anderem vorgeworfen: Verschwörung, Angriffe auf Zivilisten und Zivilgegenstände, Mord und Zerstörung von Privateigentum, Flugzeugentführung, Terrorismus und Vorbereitung terroristischer Taten. Die Männer erwartet die Todesstrafe.

Einschlag in den zweiten TurmSo geschockt reagierten Reporter am 11. September

Quelle: BILD

Doch warum dauert es so lange, die Terroristen vor das Militärgericht zu stellen und sie zu verurteilen – während die Vorwürfe gegen sie erdrückend sind?

 Khalid Scheich Mohammed („KSM“, 54)

 Khalid Scheich Mohammed gestand die Planung der Anschläge

 Khalid Scheich Mohammed gestand die Planung der Anschläge

Foto: AP

▶︎ Der gebürtige Pakistani, der in Kuwait aufwuchs, war Militärchef von Osama bin Laden und Nummer drei des Terrornetzwerks. Er wurde am 1. März 2003 in Rawalpindi (Pakistan) festgenommen, sitzt seit 2006 in Guantánamo. KSM gilt als Drahtzieher der Anschläge vom 11. September – und bekannte sich im März 2007 schuldig: „Ich war verantwortlich für die Planung der Operationen von A bis Z“ – und übernahm auch die Verantwortung für andere Terror-Aktionen.

Ramzi Binalshibh (46)

Ramzi Binalshibh gilt neben Terrorpilot Mohammed Atta ls einer der führenden Köpfe der Hamburger al-Qaida-Terrorzelle

Ramzi Binalshibh gilt neben Terrorpilot Mohammed Atta als einer der führenden Köpfe der Hamburger Al-Qaida-Terrorzelle

Foto: AP

▶︎ Der Jemenit lebte zusammen mit Mohammed Atta, dem Anführer der Hamburger Terrorzelle, in Hamburg, soll dort sein Vertrauter, Organisator und Geldbeschaffer gewesen sein. Laut den US-Behörden soll bin Laden ihn als einen der Hauptakteure für die Flugzeugentführungen und anschließenden Angriffe ausgewählt haben – doch Binalshibh bekam kein Visum für die USA. Er wurde 2002 festgenommen, sitzt seit 2006 in Guantánamo ein.

Ali Abdel Asis Ali (alias: Ammar al-Baluchi, 42)

Ali Abdel Asis Ali ist ein Neffe von Khalid Scheich Mohammed

Ali Abdel Asis Ali ist ein Neffe von Khalid Scheich Mohammed

Foto: AP

▶︎ Dem Pakistani wird ebenfalls Mithilfe bei der Vorbereitung der Anschläge vorgeworfen. Er soll Flugtraining-Videos besorgt und große Geldsummen an die Terroristen überwiesen haben. Seine Festnahme erfolgte am 29. April 2003 in Karatschi, zusammen mit im Walid bin Attash. Im September 2006 wurde er nach Guantánamo überstellt.

Mustafa Ahmed al-Hawsawi (51)

Mustafa Ahmed al-Hawsawi verwaltete die Konten von mehreren der Terroristen

Mustafa Ahmed al-Hawsawi verwaltete die Konten von mehreren Terroristen

Foto: AP

▶︎ Der gebürtige Saudi soll ebenfalls Geldmittel für die Terroristen beschafft und bei der Vorbereitung der Anschläge mitgewirkt haben. So soll er seine Komplizen bei der Suche nach Flugschulen unterstützt haben. Er ist seit 2003 in US-Gewahrsam, kam im September 2006 nach Guantánamo.

Walid bin Attash (alias: Khalid al-Mihdhar, 41)

Walid bin Attash kämpfte in Afghanistan, wo er 1997 ein Bein verlor

Walid bin Attash kämpfte in Afghanistan, wo er 1997 ein Bein verlor

Foto: AP

▶︎ Der Jemenit soll von Osama bin Laden direkt beauftragt worden sein, in die USA zu reisen, um ein Pilotentraining zu absolvieren – Voraussetzung für die Entführung der Flugzeuge. Bin Attash beantragte das Visum 1999 – doch es wurde abgelehnt. Daraufhin soll er damit betraut worden sein, die Planung der Anschläge zu unterstützen. Er sitzt seit 2006 in Guantánamo ein.

Haben die Vorwürfe vor Gericht Bestand?

Die Ermittler stehen vor der Frage, ob die Beweise oder Geständnisse vor Gericht Bestand haben werden – denn bei bei den Verhören von Terrorverdächtigen wurden sie gefoltert. Das hat ein Untersuchungsbericht des Geheimdienstausschusses des US-Senats 2014 bestätigt.

Die Terrorverdächtigen sitzen im Camp Delta des US-Militärstützpunktes Guantánamo Bay auf Kuba ein

Die Terrorverdächtigen sitzen im Camp Delta des US-Militärstützpunktes Guantánamo Bay auf Kuba ein. Anfangs waren hier bis zu 660 Gefangene untergebracht, inzwischen sind es nur noch 40

Foto: AP/dpa

Hintergrund: Die US-Regierung unter dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush hatte nach dem Anschlägen den „War on Terror“ (Krieg gegen den Terror) ausgerufen und für Terrorverdächtige ein spezielles Haft- und Verhörprogramm genehmigt. Bei diesem detention and interrogation program wurden auch Techniken angewandt, die als Folter gelten.

Terrorverdächtige wurden nach ihrer Festnahme in geheime CIA-Gefängnisse, sogenannte black sites gebracht – Orte außerhalb der Rechtssprechung der USA. Dort wurden sie bei Verhören den enhanced interrogation techniques unterworfen, bestätigte der Untersuchungsbericht.

Zu den Verhör-Praktiken gehörte unter anderem „Waterboarding“, bei dem Ertränken simuliert wird, ebenso Schlaf- und Nahrungsentzug, das Einsperren in enge Kisten, Zwang zu extremen Körperhaltungen. Außerdem Untertauchen in eiskaltem Wasser, extreme Lärmbeschallung, sexuelle Demütigung. US-Präsident Barack Obama ließ das Programm im Januar 2009 offiziell einstellen.

Die CIA räumte ein, dass Khalid Scheich Mohammed in seiner Haftzeit von 2003 bis 2006 insgesamt 183 Mal dem Waterboarding unterzogen wurde. Bei Ramzi Binalshibh sollen in mehreren der geheimen Gefängnisse Elektroschocks und lange Perioden von Schlafentzug angewandt worden sein, ebenso wie das Sitzen auf Stöcken und Flaschen, eine Form sexueller Gewalt. Ähnliches soll auch Mustafa Ahmed al-Hawsawi widerfahren sein.

„Was damals geschehen ist, hat Grundwerte und Kerngrundlagen, die den USA moralische Autorität verliehen hatten, untergraben“, sagt Walter Ruiz, Anwalt von Mustafa Ahmed al-Hawsawi. „Wie können wir mit anderen Nationen über Menschenrechte sprechen, wenn wir nicht sehen, was hier passiert ist?“

David Niven, Verteidiger von Khalid Scheich Mohammed, sagt: „Es gab große Anstrengungen, die Details dieser Praktiken und wer sie beging, geheim zu halten. Fünf Männer sollen vor Gericht kommen – aber wir, das amerikanische System steht hier vor Gericht.“

Staatsanwalt Ed Ryan sieht das völlig anders: „Eine Nation wurde hier angegriffen und seine Menschen ermordet. Diese Nation hat eine Abrechnung und Gerechtigkeit verdient.“

Auch sein Kollege Clayton Trivett bekräftigte, dass die Anklage die Hintergründe und Haftbedingungen der Terroristen beachten werde. Allerdings: „Gewichten wir sie mit dem, was damals passierte, entspricht dies einer Feder im Vergleich zu dem Amboss dessen, wozu diese Leute fähig waren. Wir werden bis zum Schluss die Notwendigkeit des Verhörprogramms der US-Regierung verteidigen.“

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