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Wirtschaft Hongkong

So dilettantisch verrät China seine Propaganda

Korrespondent für Innovation, Netzwelt und IT
Hunderttausende protestieren in Hongkong im strömenden Regen

Hunderttausende Menschen versammeln sich mit Regenschirmen und Gasmasken erneut aus Protest. Die Demonstranten werfen der Hongkonger Regierung eine zu große Nähe zu Peking vor. Der Protestmarsch soll dieses Mal jedoch friedlich bleiben.

Quelle: WELT/Dirk Schommertz

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Facebook und Twitter haben zahlreiche chinesische Accounts und Profile gesperrt, die sie als Fake identifiziert haben. Die „staatliche Desinformationskampagne“ sollte die Proteste in Hongkong diskreditieren – doch die Behörden stellten sich ungeschickt an.

Die chinesische Regierung blockiert seit Jahren den Zugang zum Kurznachrichtendienst Twitter und zum sozialen Netzwerk Facebook. Doch selbst nutzen die Behörden Twitter und Facebook extensiv – um das Bild von China in der Welt zu schönen und politische Gegner zu diskreditieren.

Aktuell fällt das besonders anhand der Protestbewegung in Hongkong auf. Zum einen versuchte die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua News, für Nachrichten auf Twitter Aufmerksamkeit zu kaufen. Zum anderen verbreiteten Nutzerkonten auf Facebook und Twitter gezielt falsche Nachrichten über die Proteste und versuchten, die Protestkampagne in Misskredit zu bringen. Nun reagierten die beiden Netzwerke auf Medienberichterstattung über die Desinformation und sperrten Hunderte Nutzerkonten, die von staatlich-chinesischer Seite betrieben wurden.

„Wir legen eine staatliche Desinformationskampagne offen, die auf die Situation in Hongkong fokussiert war“, erklärt Twitter in einem Statement. Insgesamt 936 miteinander vernetzte Nutzerkonten hätten absichtlich versucht, politischen Zwist in Hongkong zu sähen, indem sie die Demonstranten für mehr Demokratie als gewalttätige Straßenbanden porträtierten.

„Wir haben Beweise dafür, dass es sich hier um eine koordinierte staatliche Desinformationskampagne handelte,“ schreibt das Twitter-Sicherheitsteam. „Wir haben große Gruppen von Nutzerkonten entdeckt, die zusammen Nachrichten über die Proteste von Hongkong verbreitet haben.“ Die Nutzerkonten hätten, so das Twitter-Statement, versucht, die legitimen politischen Proteste zu unterminieren. Dazu nutzten sie die Hashtags, die auch die Protestbewegung benutzt.

200.000 Nutzerkonten gesperrt

Dafür haben die chinesischen Regierungsbehörden laut Twitter teilweise VPN-Netzwerke genutzt, um ihre Herkunft zu verschleiern – teilweise waren sie jedoch so ungeschickt, über offene und damit klar als staatlich betriebene Internetanschlüsse zu agieren. Damit machten sie deutlich, welche Konten von der chinesischen Desinformationskampagne betrieben wurden. Weitere 200.000 Nutzerkonten seien ebenfalls gesperrt worden, da sie mit den Propaganda-Accounts verknüpft waren.

Facebook meldete, man habe insgesamt fünf Accounts, sieben Seiten und drei Gruppen gesperrt. Demnach hatten Chinas Propagandaexperten vor allem Twitter als relevantes Nachrichtennetzwerk identifiziert und Facebook links liegen gelassen.

Twitter stellt die gesammelten Tweets sowie die Nutzerinformationen der gesperrten Konten als Archiv zur Verfügung. Zum einen zur Beweissicherung, zum anderen um Forschern trotz der Löschung der Accounts einen Einblick in die Internetpropagandamaschine der chinesischen Regierung zu ermöglichen.

Bei einer ersten Durchsicht fällt auf, dass die Propagandaexperten teils erstaunlich plumpe Fake-Nachrichten verbreiten, in denen die Bedeutung der Proteste heruntergespielt wird oder in denen vermeintlich aufrechte Bürger von Hongkong verlangen, dass Recht und Ordnung in den Straßen wiederhergestellt werden solle. Einige Tweets sind augenscheinlich so angelegt, dass sie von westlichen Medien aufgegriffen werden sollten, die über die Proteste berichten – sie sind auf Englisch und sprechen gezielt Medien-Accounts an oder antworten auf Berichte.

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Auffällig sind auch die teils extrem ungeschickten Kurzbiografien der gefälschten Konten, die augenscheinlich direkt von realen Nutzern kopiert wurden. Das jedoch führt dazu, dass sich plötzlich Konten mit den Nutzerbiografien von Hausfrauen aus dem mittleren Westen der USA mit Insiderwissen für chinesische Innenpolitik profilieren.

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Weiter stellte Twitter fest, dass die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua gezielt versucht hatte, Aufmerksamkeit für die eigene Darstellung der Proteste in Hongkong zu kaufen. Xinhua versuchte wiederholt, die Demonstranten als gewalttätig darzustellen, die entsprechenden Nachrichten-Tweets spülte die Nachrichtenagentur dann gezielt per bezahlter Promotion in die Twitter-Feeds derjenigen Nutzer, die sich für die Hongkong-Proteste interessierten. Auch hier war die Strategie, die Hashtags der Protestbewegung gezielt mit eigenen konträren Inhalten zu fluten. Offengelegt hatte diese Strategie unter anderem das Start-up Pinboard, das auf entsprechende Tweets hinwies.

An dieser Stelle finden Sie Inhalte aus Twitter
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In Reaktion darauf änderte Twitter seine Richtlinien für Promotion-Tweets: Ab sofort können staatliche Medien weltweit Nachrichten-Tweets nicht mehr per Bezahlung mehr Aufmerksamkeit verschaffen. Die neue Richtlinie greift ab sofort, schreibt das Twitter-Team in einem zweiten Blogpost.

Twitter begründet die Maßnahme damit, dass man gegenüber Werbepartnern strengere Maßstäbe anlegen würde als gegenüber gewöhnlichen Nutzerkonten, da die Nutzer die bezahlten Tweets ohne eigenes Zutun zwangsweise in ihren Nachrichtenfeeds sehen. Man wolle politische Debatten auf Twitter offen und ohne bezahlten Einfluss halten.

Als staatliche Medien identifizierte Twitter alle diejenigen, die direkt vom Staat finanziert und redaktionell kontrolliert werden. Ausdrücklich nicht unter die neue Richtlinie fallen öffentlich-rechtliche Medien, die über Steuern oder Abgaben finanziert, jedoch redaktionell unabhängig sind. Damit sind auch die deutschen öffentlich-rechtlichen Sender nicht von der Werbesperre betroffen.

„Der Protest hat mittlerweile die breite Masse der Bevölkerung erreicht“

Was mit kleinen Protesten gegen ein Abkommen zwischen Hongkong und China begonnen hat, ist zu einer Massenbewegung für mehr Demokratie geworden. Am Sonntag ist die bisher größte Demo geplant, Hunderttausende werden auf den Straßen erwartet. Unser Reporter Paul Willmann ist dabei.

Quelle: WELT/Paul Willmann

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