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Karriere Mehr Auszubildende

Jetzt kommen die Azubis mit der Generation-Z-Lethargie

Ausbildungen werden für junge Menschen wieder attraktiv

Für junge Menschen scheinen Ausbildungen wieder zunehmend attraktiv zu werden. Das zeigt eine Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags.

Quelle: WELT/ Nicole Fuchs-Wiecha

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Deutschlands Betriebe finden wieder mehr Auszubildende. Die Lücken füllt jedoch die Generation Z, die bisher auf dem Arbeitsmarkt für Skepsis sorgt. Auch Ausbildungsbetriebe klagen über Schwierigkeiten mit den Jugendlichen.

Worum geht es

Azubi-Notstand, Ausbildungs-Kampf und „Leerstellen“-Panik – in den vergangenen Jahren überschlugen sich Ausbildungsbetriebe, Wissenschaftler und Politiker in Sorge um immer weniger Auszubildende in Deutschland. Jetzt scheint die Durststrecke nach Azubis in Ausbildungsbetrieben vorerst gestoppt.

Das teilte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) mit. Im vergangenen Jahr blieben zwar noch in 32 Prozent der Betriebe Ausbildungsplätze unbesetzt, wie aus einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage hervorgeht, an der sich rund 12.500 Firmen beteiligt haben. 2017 waren es aber noch 34 Prozent. Allerdings fällt es vielen Unternehmen weiterhin schwer, Kandidaten für die duale Ausbildung im Betrieb und an der Berufsschule zu finden.

Quelle: Infografik WELT

Fast jedes zehnte Unternehmen habe 2018 gar keine Azubi-Bewerbung bekommen. „Damit hat sich die Zahl der DIHK-Betriebe, die keine einzige Bewerbung mehr erhalten haben, seit 2012 nahezu verfünffacht“, erklärte Achim Dercks, Stellvertretender DIHK-Hauptgeschäftsführer. Dabei gilt: „Wer nicht wirbt, geht immer häufiger leer aus.“

Dafür, dass sich die Lage in den Ausbildungsbetrieben trotzdem gebessert hat, ist vor allem die Generation Z verantwortlich. Das sind die jungen Menschen, die nach 1995 geboren wurden. Dachte man dabei bisher vor allem an Studienabsolventen, die in Betrieben mit ihren hohen Forderungen auffallen, strömen sie jetzt auch vermehrt in Ausbildungsbetriebe.

Die Rezession lockt in die Ausbildung

Dennoch bleibt die Lücke nicht besetzter Ausbildungsplätze groß – und für Unternehmen gibt es einen weiteren Haken. Die Unternehmen müssen bei den Bewerbern einige Abstriche machen und stellen fest: Neuen Azubis fehlt es an Arbeitsbereitschaft, Belastbarkeit und Disziplin.

Die positiven Zahlen aus dem Jahr 2018 bedeuten für DIHK-Chef Dercks vorerst eine Umkehr des gravierenden Abwärtstrends. „Trotz der demografischen Entwicklung und der Studienneigung vieler junger Menschen ist der Abwärtstrend bei den Ausbildungsverträgen vorerst gestoppt.“

Doch die Aussage ist gewagt: Denn wenn es der Wirtschaft gut geht, sind junge Menschen eher dazu bereit, ein Studium zu beginnen. Ausbildungsplätze sind in dieser Zeit schwer zu besetzen. Wenn sich die Konjunktur hingegen eintrübt, was 2018 bereits absehbar war, steigt die Zahl der Ausbildungsverträge wieder an.

Das zeigt auch die aktuelle DIHK-Umfrage. In der Zeit der Rezession zwischen 2008 und 2012 waren noch vergleichsweise wenig Ausbildungsplätze unbesetzt – ungefähr 22 Prozent. Seit 2014 blieben die Zahlen aber stabil zwischen 31 und 34 Prozent. Mit Blick auf das Jahr 2019, in dem immer mehr Indikatoren auf eine Eintrübung der Wirtschaftsleistung deuten, könnten die Zahlen der unbesetzten Ausbildungsplätze noch weiter schrumpfen.

Betriebe bieten mehr finanzielle Anreize

Deshalb dürfen Betriebe sich nicht zur Nachlässigkeit verleiten lassen. „Eine höhere Zahl an Ausbildungsverträgen im Jahr 2018 zeigt nicht, dass der demografische Wandel überwunden ist. Vielmehr werden die Auswirkungen einer trüben Konjunktur sichtbar, die schon im Vorjahr erkennbar waren“, sagt Enzo Weber, Forschungsbereichsleiter am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Man könne lediglich hoffen, dass die Zahlen zumindest einen Stopp des Abwärtstrends bei Ausbildungsplätzen bedeuteten.

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„Die Herausforderungen des demografischen Wandels werden sich jedoch weiter auf die Betriebe auswirken“, so Weber. Damit rechnet auch DIHK-Vizechef Dercks: „Das gemeldete Angebot an betrieblichen Ausbildungsplätzen war 2018 noch einmal erheblich größer als im Vorjahr“, so der stellvertretende Geschäftsführer der DIHK. „Dies macht deutlich: Der Fachkräftebedarf der deutschen Wirtschaft ist enorm.“

Zumindest 2018 hat sich der Azubi-Hunger aber minimal entspannt. Der Trend eine akademische Laufbahn einzuschlagen nimmt zwar weiter zu – im Jahr 2018 hat die Zahl der Studierenden mit 2,5 Millionen einen neuen Rekord erreicht – die Ausbildungsbetriebe scheinen diese Phase aber auszusitzen. Laut DIHK-Umfrage werden deshalb immer häufiger Studienabbrecher und junge Menschen über 20 Jahren als Zielgruppe entscheidend. 45 Prozent der Betriebe sehen Studienabbrecher bei rückläufigen Bewerberzahlen als geeignete Zielgruppe.

Quelle: Infografik WELT

Um diese in den eigenen Betrieb zu locken, wird kräftig geködert. Immer mehr Betriebe locken mit materiellen und finanziellen Anreizen – mit höheren Löhnen, Förderungen bei der Mobilität, etwa Angeboten beim Nahverkehr, oder zusätzlichen Urlaubstagen. Auch besondere Vergütungen bei guten Noten, zum Beispiel Smartphones, Dienstfahrräder oder Mitgliedschaften in Fitnessstudios, sollen Jugendliche anlocken.

„Können ja nicht alle an die Uni“

Besonders mit dem verlängerten Urlaub greifen die Unternehmen das Bedürfnis der Generation Z nach mehr Freizeit auf, wie die Autoren der Umfrage berichten. Dabei haben die Betriebe häufig gar keine Wahl, welchen Bewerber der Betrieb einstellt – vorausgesetzt es gibt Bewerber. Auch Bewerber mit schlechter Rechtschreibung oder Rechenschwäche werden genommen. Dafür bietet der Betrieb Nachhilfe an. Was in der Schule nicht verstanden wurde, wird in der Ausbildung nachgeholt.

Quelle: Infografik WELT

Rechtschreib- und Rechenschwächen lassen sich so zwar ausbügeln, Mängel bei sozialen Kompetenzen von Schulabgängern aber nicht. Im Jahr 2013 haben noch etwa 50 Prozent der Betriebe mangelnde Leistungsbereitschaft und Motivation bei jungen Azubis festgestellt. Im Jahr 2018 waren es bereits 65 Prozent. Auch die Belastbarkeit habe abgenommen. Ungefähr 45 Prozent der Betriebe beklagten im Jahr 2015 eine geringere Belastungsfähigkeit. Im Jahr 2018 waren es schon über 55 Prozent.

Christian Scholz, ehemaliger Professor der Universität Saarbrücken, glaubt trotzdem nicht, dass es jungen Menschen an Motivation, Belastbarkeit und Disziplin fehlt. „Vielmehr wollen Jugendliche eher feste Arbeitszeiten einhalten – und das gefällt Arbeitgebern nicht. Sie sind also durchaus leistungsbereit, haben Spaß an der Arbeit, wollen aber feste Arbeitszeiten einhalten.“

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Die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Elke Hannack, kritisierte außerdem, dass die Unternehmen zu hohe Anforderungen an die Auszubildenden hätten: „Schon ein Blick auf die aktuelle bundesweite Lehrstellenbörse der Industrie- und Handelskammern zeigt: Nur gut jeder dritte Ausbildungsplatz steht dort einem Jugendlichen mit Hauptschulabschluss offen“, erklärte sie.

Die Betriebe müssten ihre Auswahl ändern, um ausreichend Fachkräfte zu finden. Dass allerdings mehr junge Menschen eine Ausbildung beginnen, wird höchste Zeit, sagt IAB-Experte Weber: „Irgendwann muss es soweit sein, es können ja nicht alle an die Uni gehen.“

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