Nach schweren Zusammenstößen zwischen der Polizei und Demonstranten in Hongkong ist es zu einer neuen Gewalteskalation gekommen. Bisher Unbekannte griffen in einer U-Bahnstation regierungskritische Protestierende an. Die Zeitung Apple Daily veröffentlichte Videoaufnahmen, die zeigten, wie maskierte Angreifer mit Metallstangen und Holzstöcken schwarz gekleidete Aktivisten schlugen. 45 Menschen wurden verletzt. Sechs Menschen erlitten schwere Verletzungen, einer von ihnen schwebte in Lebensgefahr.

Kritiker werfen der Polizei vor, trotz dramatischer Hilferufe der angegriffenen Demonstranten erst nach mehr als einer Stunde eingetroffen zu sein. Die Einsatzkräfte nahmen die in weiße T-Shirts gekleideten Angreifer nicht fest, obwohl diese sich weiterhin in den Straßen nahe dem Bahnhof aufhielten. Der bekannte Aktivist Nathan Law twitterte, wenn "chinesische Mobs" Bürger angreifen würden, greife die Polizei nicht ein. "Schande über die Regierung." Der bei der Attacke verletzte Abgeordnete Lam Cheuk Ting kritisierte die Polizei ebenfalls. Er machte für den Angriff Mitglieder krimineller chinesischer Banden, der sogenannten Triaden, verantwortlich.

Attacke auf Büro der chinesischen KP

Die Attacke des Schlägertrupps erfolgte am Ende einer Massenkundgebung, mit der Hunderttausende Regierungskritiker am Sonntag erneut gegen die Regierung und für Ermittlungen gegen das Vorgehen der Polizei bei vorangegangenen Protesten demonstriert hatten. Bei dem Protestmarsch kam es erneut zu Zusammenstößen zwischen der Polizei und Demonstranten. Einsatzkräfte in voller Schutzausrüstung setzten Tränengas ein, um die Menge auseinanderzutreiben. Viele der Demonstranten hatten sich für die Konfrontation ebenfalls mit Atemschutzmasken sowie selbst gemachten Schilden und Helmen gerüstet. 

Die Demonstrationen – nach Angaben der Organisatoren nahmen an ihnen rund 430.000 Menschen teil – blieben weitgehend friedlich. Einige Demonstranten bewarfen das Verbindungsbüro der regierenden Kommunistischen Partei Chinas mit Eiern, besprühten die Überwachungskameras am Gebäude und beschmierten das dort angebrachte chinesische Wappen mit schwarzer Tinte. Einige errichteten auch Straßensperren. Über die sozialen Medien teilte die Polizei später mit, Demonstranten hätten Backsteine und Molotowcocktails geworfen und die zentrale Polizeiwache attackiert.

Fünf zentrale Forderungen

Ausgangspunkt der seit Wochen anhaltenden Proteste waren die Pläne der Regierung für ein umstrittenes Auslieferungsgesetz, durch das Bewohner von Hongkong auf dem chinesischen Festland vor Gericht hätten gestellt werden können. Die Demonstranten erreichten, dass die Regierungschefin von Hongkong, Carrie Lam, den Gesetzentwurf aussetzte, doch den Aktivisten geht es mittlerweile noch um viel mehr. Sie wollen einen Rücktritt Lams und die Absicherung der demokratischen Freiheiten, die Hongkong für Jahrzehnte garantiert worden waren, als es 1997 von Großbritannien an China zurückgegeben wurde. 

Grundlage dafür ist ein Manifest, das bei der Erstürmung des Hongkonger Parlaments am 1. Juli erstmals präsentiert worden war. Aus ihm zitierten Teilnehmer des Protestzugs und proklamierten unter anderem diese Forderungen: Allen Bewohnern Hongkongs solle ein direktes Wahlrecht gewährt, alle Vorwürfe gegen die bei den Protesten festgenommenen Demonstranten sollten fallengelassen werden, eine gewaltsame Auseinandersetzung zwischen Polizei und Demonstranten dürfe nicht mehr als "Unruhen" bezeichnet und der Legislativrat Hongkongs müsse aufgelöst werden.