Die Grünen haben ein Luxusproblem: Ebbt die Sympathiewelle für sie nicht ab, brauchen sie viel mehr Leute für Mandate. Bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen 2020 könnte das zum Problem werden.
In NRW hatten die Grünen bei der Europawahl im Mai mit über 23 Prozent sogar das bundesweite Ergebnis (knapp 21 Prozent) getoppt. Trotz des unerwartet großen Stimmenzuwachses und einer Rekord-Mitgliederzahl von rund 16.300 in NRW sei die Partei aber auf „Bündnisse mit der Zivilgesellschaft“ angewiesen, sagte Landesparteichef Felix Banaszak bei einem Parteitag in Neuss. Die seien etwa in Umweltverbänden und Gewerkschaften, aber auch in aufgeschlossenen Wirtschaftskreisen zu suchen.
Die Grünen-Bundesparteichefin Annalena Baerbock wurde auf dem Parteitag gefeiert wie ein Popstar, sie warnte in Neuss vor Selbstzufriedenheit. „Was wir jetzt richtig falsch machen könnten, wäre, wenn wir nur um uns selbst kreisten“, sagte sie vor rund 280 Delegierten beim ersten Parteitag nach der EU-Wahl im Mai.
„Es ist wichtig, dass wir jetzt auf dem Boden bleiben.“ Der derzeitige Zuspruch sei kein Selbstläufer. „Wenn wir jetzt bequem werden und sagen, es ist alles schon geritzt, dann wird das in ein paar Monaten schon wieder ganz anders aussehen.“
Baerbock will nun Antworten liefern
Jetzt müssten die Grünen Antworten auf die Nöte der Menschen und die gesellschaftlichen Probleme geben und dürften nicht auf Neuwahlen warten, mahnte Baerbock. Bis zur NRW-Kommunalwahl im Herbst 2020 seien noch „dicke Dinger zu knacken“. Klimaschutz und Arbeitsplätze müssten zusammengebracht und viel mehr Leute für grüne Politik und Mandate gewonnen werden.
Banaszak will die SPD in ihrem einstigen Stammland zum Wettbewerb um die Führungsposition im linken Spektrum herausfordern. Es müsse Schluss damit sein, Ökologie gegen Arbeitsplätze und soziale Gerechtigkeit auszuspielen, erklärte er. Bei der Europawahl hatten die Grünen erstmals bei einer deutschlandweiten Wahl die SPD hinter sich gelassen und waren in zahlreichen Großstädten sogar stärkste Kraft geworden – selbst in der einstigen „Herzkammer der Sozialdemokratie“, im Ruhrgebiet.
„Müssen das Ende der GroKo einleiten“
Der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold mahnte: „Wir können nicht mehr die Partei sein, die nur dafür da ist, bestimmte Probleme in der Gesellschaft zu lösen. Von uns wird jetzt ein Vollprogramm erwartet.“ Dazu gehöre, in Feldern aufzuholen, wo den Grünen nicht so viel Kompetenz zugeschrieben werde wie beim Klimaschutz – etwa bei der inneren Sicherheit. „Es muss jetzt darum gehen, das Ende der großen Koalition einzuleiten und Verantwortung zu übernehmen.“
Auch zahlreiche Delegierte betonten in der Aussprache, nun müsse der mächtige Vertrauensvorschuss für die Grünen in konkrete Ergebnisse umgesetzt und der Klimaschutz vorangetrieben werden. Ihr Programm überschrieben sie mit dem Titel: „Mit Zuversicht und Demut arbeiten wir weiter.“