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Deutschland Jutta Ditfurth

Für ihre frühere Partei hat die Ex-Grüne kein gutes Wort übrig

Klimaschutz ist für die meisten Deutschen wahlentscheidend

In vielen deutsche Städten ruft die Jugend zur Klimawahl. Und tatsächlich ist für die meisten Deutschen der Klimaschutz wahlentscheidend.

Quelle: WELT/ Sarah Widter

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Jutta Ditfurth war Mitbegründerin und einstige Ikone der Grünen, die sie schon 1991 verlassen hat. Jetzt will sie als Spitzenkandidatin für die Ökologische Linke Ökolinx ins EU-Parlament einziehen. Für ihre Ex-Genossen hat sie kein gutes Wort übrig.

Jutta Ditfurth ist am Ende dieser Woche geschafft. Sie hat eine Drei-Wochen-Marathontour mit Terminen hinter sich, Veranstaltungen und Interviews zur Europawahl.

Die Mitbegründerin und einstige Ikone der Grünen, die 1991 wegen der Übermacht der „Realos“ das Parteibuch so empört zurückgab wie Jahre zuvor das „von“ in ihrem Namen, kämpft für den Einzug ins Europaparlament.

Mai 1986 in Frankfurt: Jutta Ditfurth mit Joschka Fischer, damals hessischer Umweltminister, bei einer Grünen-Veranstaltung gegen Atomkraft
Mai 1986 in Frankfurt: Jutta Ditfurth mit Joschka Fischer, damals hessischer Umweltminister, bei einer Grünen-Veranstaltung gegen Atomkraft
Quelle: pa/dpa/Thomas Wattenberg

Allerdings als Spitzenkandidatin der Splitterpartei Ökolinx. Für die sitzt sie bislang in der Stadtverordnetenversammlung im Frankfurter Römer.

Überschlägig 160.000 Stimmen müsste Ökolinx bei einer Wahlbeteiligung von 50 Prozent bekommen, um die wahrscheinlich notwendigen 0,5 Prozent für das Mandat zu erzielen. Das halte sie für machbar, sie sei „ziemlich guten Mutes“, sagt Ditfurth. Die 67-Jährige setzt auf junge Leute. Die zeigten Interesse an ihrer ökosozialistischen Partei, darunter Studenten, Schüler und „Lohnarbeitende“ aus Bewegungen wie „Fridays for Future“ und Extinction Rebellion.

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Gäbe es so etwas wie ein urgrünes Reinheitsgebot, würde es die gebürtige Würzburgerin wohl am gründlichsten erfüllen. Sie argumentiert wie in den 70er- und frühen 80er-Jahren mit dem „entscheidenden Einfluss“ des Kapitals. Sie geißelt Militäreinsätze, Chemiekonzerne und „mittelständische Waffenbetriebe“, und sie scheint unbesorgt, je irren zu können.

Sie nervte ihre Parteifreunde damals als Wortführerin der „Fundis“, obgleich sie diese Begrifflichkeit ablehnt: „,Fundamentalistin‘ ist ein Schimpfwort, das unsere Gegner bei den Grünen mit der Absicht der Stigmatisierung damals erfolgreich durchgesetzt haben.“

Schon damals warf ihr Parteifreund Ludger Volmer vor, Politik nach dem Grundsatz: „Klarheit vor Gemeinsamkeit“ zu betreiben – bloß keine Prinzipien aufweichen lassen.

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Haben ihre einstigen Weggefährten gelernt, dass Parteien in der Demokratie ohne Zugeständnisse nicht von der Stelle kommen, wirkt Ditfurth wie eine Ahnin von Greta Thunberg, deren unerschütterliche Kompromisslosigkeit sie teilt. Immerhin verlangt die junge Schwedin nicht den Umsturz des bestehenden Systems.

Ditfurth aber sagt: „Wenn ich irgendwie bürgerliche Ziele hätte, also im weitgehenden Einverständnis mit den aktuellen politischen und ökonomischen Verhältnissen stünde, dann müsste ich meine Bündnispartner nach der zynischen Logik vom kleineren Übel aussuchen.“ Doch „emanzipatorische, über den Tag hinausführende Ziele“, wie sie Ökolinx verfolge, gingen auf diesem Weg unter: „Wir sind eine Minderheit, das kann man nicht weglügen.“

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Für ihre einstige Partei hat Ditfurth kein gutes Wort übrig. „Die grüne Parteispitze scheint wie von einer PR-Agentur geschaffen“, sagt die Publizistin.

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„Die reden nicht über Produktionsumstellungen zur Abwehr der Klimakatastrophe, den Stopp von Abschiebungen oder undemokratische Polizeigesetze, sondern über die Frage, ob Frau Baerbock eine neue Lederjacke trägt.“

Und im Blog des zweiten Parteichefs, Robert Habeck, finde sie Texte, „in denen er wüst-reaktionäre und präfaschistische Ideologen wie Ernst Jünger und Martin Heidegger bewundert“.

Dass Ditfurth rechte Tendenzen zu erkennen glaubt, ist nicht ungewöhnlich. Den Grünen hielt die zündende Rhetorikerin in ihrer Abschiedsrede im April 1991 den „Einzug ökofaschistischen und rechtsradikalen Gedankengutes“ vor, seinerzeit in Gestalt des Hamburger Landesverbands. Und 1979 habe der (in jenem Jahr an den Spätfolgen des Attentats verstorbene) Studentenführer Rudi Dutschke die „rechtslastige Bremer Grüne Liste“ unterstützt, schrieb sie in dem Buch „Das waren die Grünen“.

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Derartige Attacken sind natürlich nicht aufs eigene Lager beschränkt. Die Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU; 1993 bis 98) und der zur SPD gewechselte Grünen-Veteran Otto Schily (1998 bis 2005) hätten in den 90er-Jahren „in rassistischer Logik“ die „Grenzen der Belastbarkeit“ bei der Migration als überschritten bezeichnet. Wo die AfD in diesem politischen Koordinatensystem landet, kann man sich vorstellen.

Wäre bei einem solchen Weltbild nicht die Linksfraktion die logischere Heimat für Ditfurth? Ob sie sich einer Fraktion anschließe, sagt Ditfurth, werde sie von Inhalten abhängig machen, darunter an erster Stelle die „Abwehr der Klimakatastrophe“, der „Kampf gegen die rechte Front“ und eine Absage an jedweden Antisemitismus.

Juli 1992 in München: Jutta Ditfurth wird abgeführt, weil sie versucht hatte, die Festnahme einer Demonstrantin gegen den Weltwirtschaftsgipfel zu verhindern
Juli 1992 in München: Jutta Ditfurth wird abgeführt, weil sie versucht hatte, die Festnahme einer Demonstrantin gegen den Weltwirtschaftsgipfel zu verhindern
Quelle: pa/dpa/DB Schmalz

Aber die Linksfraktion im EU-Parlament habe unlängst Omar Barghouti, den Gründer und Chefideologen der Israel-feindlichen BDS-Boykottkampagne, eingeladen: „Der BDS will die Vernichtung Israels. Wie soll ich mich dieser Fraktion anschließen können?“

Was Jutta Ditfurth nicht will, weiß sie genau. Was sie will, ist hingegen auch nach einem knappen halben Jahrhundert politischen Wirkens nicht gänzlich klar.

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