USA und Iran:Der Kontrollverlust am Golf ist immens

Golf-Konflikt - US-Matrosen verstauen eine Rakete an Bord der USS Bainbridge

Fragile Situation: US-Matrosen hantieren mit einer Rakete an Bord eines Kriegsschiffes auf dem Weg zum Golf.

(Foto: dpa)

Im Konflikt zwischen den USA und Iran legt der Zufall die Karten. Eine zufällige Eskalation kann schlimmstenfalls zu einem ungewollten Krieg führen.

Kommentar von Stefan Kornelius

Amerikas Präsidenten sind meist nicht schüchtern, wenn es um ihre Rolle als Commander in Chief geht. Die Nähe zur Truppe ist mehrfach vorteilhaft: Sie gibt patriotische Würze, versammelt in der Regel die Gesellschaft hinter ihrem Anführer und demonstriert dem Rest der Welt, wie machtvoll dieses Präsidentenamt doch ist. Trump hat all dies bislang nicht für sich genutzt, vielleicht weil er selbst nie in den Streitkräften diente. Während des Vietnamkriegs entging er fünfmal der Rekrutierung, einmal aus gesundheitlichen Gründen, ansonsten half ihm die Universität.

Wird Trump nun zum Oberbefehlshaber eines richtigen Krieges, wo er doch aus seiner Ablehnung der Bush-Kriege der Nullerjahre ein Markenzeichen gemacht hat? Die Dynamik am Golf wird längst von weniger durchschaubaren Charakteren gesteuert, als Trump einen abgibt - psychologisieren hilft da nicht weiter. Die Zwischenfälle der letzten Tage zeigen, dass hier im Nebel des Vorkrieges diverse Fraktionen Optionen testen.

Wenn erfahrene Militärkommandeure nun für eine Phase der gewissenhaften Aufklärung plädieren, dann zeigt dies: Es gibt zu viel Spielraum für Zündler, die klassischen Schritte der Eskalation werden übersprungen, im Konflikt zwischen den USA und Iran legt der Zufall die Karten. Die Angriffe auf Schiffe und eine Pipeline sind alles andere als aufgeklärt, de facto finden sich in jeder Konfliktpartei Akteure, die ein Interesse an der Brandbeschleunigung haben könnten. Provokationen des Gegners sind ebenso plausibel wie fingierte Attacken. In diesem Konflikt haben zu viele Staaten, Milizen, Freischärler und Nachrichtendienste ihre Hilfswilligen platziert.

Immer schon in der Geschichte gab es Konflikte, die unkontrolliert bis hin zum Krieg eskaliert sind. Selten aber sind veritable Mächte wie die USA oder selbst Iran in einen Waffengang einfach nur hineingestolpert. Dazu sind auch die internen Widerstände im Militär, dem Kongress (im Falle der USA) oder der großen Machtparteien in Teheran in der Regel zu groß. Die Zeiten sind vorbei, wo ein paar Strategen Bombardements anordnen konnten, im markigen Brustton, man werde mal eben eine Lektion erteilen.

Heute weiß jeder Sandkastenstratege, dass es einen wie auch immer kontrollierten Krieg zwischen den USA und Iran nicht geben kann. Die jüngsten Sabotagevorfälle zeigen bereits das Ausmaß des Kontrollverlusts. Von den Huthi-Milizen in Jemen über die kaum überschaubare Zahl schiitischer Kämpfer in Syrien und Irak bis zu den Golf-Emiraten mit ihren flimmernden Loyalitäten können zu viele Akteure mit geringem Einsatz gewaltige Verwerfungen auslösen.

Trump oder sein Sicherheitsberater John Bolton können weder begründen, warum sie einen Krieg führen wollen, noch wie sie ihn gewinnen und wieder beenden wollen. Die Strategie heißt: Druck um des Drucks willen. Der Rest wird sich ergeben. Aber: Nur weil ein Flugzeugträger im Golf kreuzt, fällt in Teheran noch kein Regime. Die Taktik der Nadelstiche hilft allenfalls den Splittergruppen, die nun ungestraft ihrem Werk der Provokation nachgehen können. Und die USA werden am Ende merken, dass eine Zufallseskalation im schlimmsten Fall zu einem Zufallskrieg führt, den sie nicht gewinnen können. Trump umging geschickt die Rekrutierung für Vietnam. Sein Instinkt von damals sollte ihn heute leiten.

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