Während der Bundestagsdebatte über 70 Jahre Grundgesetz hat ein AfD-Politiker Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vorgeworfen, Linksextremisten zu unterstützen. Parlamentspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) rief ihn daraufhin zur Ordnung – und bekam dafür Applaus.
Stephan Brandner hatte im Bundestag gesagt: „Der Rechtsstaat erodiert, und das auf nahezu sämtlichen Ebenen. Fangen wir ganz oben an, beim Staatsoberhaupt. Guten Tag, Herr Steinmeier.“
Dann fuhr er fort: „Sie machten offen Werbung für linksextremistische Veranstaltungen, wie der Verfassungsschutz von Sachsen kürzlich herausgefunden hat, für Veranstaltungen, auf denen sogenannte Musikgruppen ihre primitiven Gewaltfantasien ausgelebt hatten. Ich meine die peinliche Veranstaltung in Chemnitz. Und Sie haben Gratulationsschreiben an menschenverachtende, mörderische Regime gesandt. Ich meine den Iran.“
Brandner spielte damit darauf an, dass Steinmeier im Herbst vergangenen Jahres auf Facebook ein Konzert gegen rechts in Chemnitz unterstützt hatte, bei dem auch die linksgerichtete Punkband Feine Sahne Fischfilet auftrat. Beim Iran handelte es sich um das übliche Schreiben des Staatsoberhauptes zum Nationalfeiertag des Landes.
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) unterbrach Brandner daraufhin und sagte: „Herr Kollege Brandner, der Bundespräsident ist unser aller Staatsoberhaupt. Wenn er uns die Ehre antut, an unserer Debatte teilzunehmen, ist das nicht für Sie die Gelegenheit, ihn zu kritisieren. Bitte unterlassen Sie das!“
Schäuble erhielt daraufhin Applaus, unter anderem von Teilen der Regierungsbank, was eigentlich nicht üblich ist.
Es gilt in der deutschen Parteienlandschaft als ungeschriebenes Gesetz, dass der Bundespräsident nicht öffentlicher Kritik ausgesetzt und auch nicht in öffentlichen Debatten hineingezogen werden darf. Dies wird im Allgemeinen auch von den Mitgliedern des Bundestag beachtet.
„AfD stellt sich damit abseits von den demokratischen Parteien“
Einer derer, die applaudierten, war der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesbildungsministerium, Thomas Rachel (CDU). „Das war eine kalkulierte Diffamierung des Bundespräsidenten“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) dazu. „Und mein Applaus war spontan, weil ich entsetzt war, dass so etwas 2019 im Bundestag passiert.“
Weiter erklärte Rachel gegenüber dem RND: „Mit diesem Angriff im Bundestag hat Herr Brandner den Bundespräsidenten Steinmeier diffamiert.“ Die Verbalattacke sei deshalb auch „ein Angriff auf die Würde des Amtes des Bundespräsidenten, der das demokratische Staatsoberhaupt unseres Landes ist. Die AfD stellt sich damit abseits von den demokratischen Parteien.“
Stephan Brandner ist derzeit Vorsitzender des Bundestags-Rechtsausschusses, er war der Spitzenkandidat der AfD in Thüringen für die Bundestagswahl 2017. Der 52-Jährige wird dem rechten Flügel der Bundestagsfraktion zugerechnet. Vor ihm waren in der Debatte bereits die AfD-Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel und Alexander Gauland ans Mikrofon getreten, sie hatten sich gemäßigt geäußert.
Mit der verbalen Auseinandersetzung im Bundestag erreicht auch der Streit um die Erwähnung des Chemnitzer Konzerts gegen Rechts im sächsischen Verfassungsschutzbericht einen neuen Höhepunkt. Sachsens Verfassungsschutz hatte das Konzert in seinem in dieser Woche erschienen Jahresbericht im Kapitel über Linksextremismus erwähnt. Die Behörde geriet deswegen unter Rechtfertigungsdruck. Am Mittwoch wies sie die Vorwürfe zurück. Das Konzert selbst sei nicht als linksextremistisch eingestuft worden, sondern wurde nur „in einzelnen Fällen für extremistische Agitation benutzt (...)“.