Im bundesweit ersten Lagebild zur Clankriminalität verortet die Polizei in Nordrhein-Westfalen 104 kriminelle Clans. Sie sollen allein in den Jahren 2016 bis 2018 für 14.000 Straftaten verantwortlich sein, begangen von 6.500 Verdächtigen, wie NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte. Jede fünfte Straftat gehe dabei auf das Konto von nur zwei Clans.

Unter den Verdächtigen sind demnach 380 Intensivtäter überwiegend im Alter zwischen 14 und 26 Jahren, die etwa jede dritte Tat verübten. Unter den Straftaten sind 26 Tötungsdelikte, davon 24 Versuche und zwei vollendete. Weitere Taten betreffen Raub, Erpressung und Körperverletzung. Die meisten Clans agieren in NRW in Essen. Die meisten Einkünfte kommen aus Drogenhandel, Shishabars, Wettbüros und dem Autohandel.

Die meisten Verdächtigen mit Clanhintergrund sind den Angaben nach Deutsche (36 Prozent) – das ist auch in anderen Erhebungen der Fall. Gefolgt von Libanesen (31), Türken (15) und Syrern (13). 

Die Mitgliederzahl liegt zwischen einer niedrigen dreistelligen Zahl und mehr als 1.000 Menschen. "Viele Clanmitglieder haben keinen oder einen niedrigen Schulabschluss, aber große Erwartungen an ihren Lebensstandard", sagte Kriminaldirektor Thomas Jungbluth. "Die Familie ist alles und die Ehre der Familie geht über alles."

Einige Clans arbeiten dem Lagebild zufolge mit subtilen Drohungen, andere mit offener Aggressivität. Über Telefonketten könnten rasch zahlreiche Mitglieder mobilisiert werden, etwa um sich gegen Polizeimaßnahmen zu wehren. Die Polizei entdeckte Verbindungen zu Rappern und Rockergruppen.

Das 30-seitige Lagebild führt nach Essen die Städte Gelsenkirchen, Recklinghausen, Duisburg, Bochum und Dortmund als Schwerpunkte an. Die erste Stadt außerhalb des Ruhrgebiets folgt mit Köln an siebter Stelle.

Clankriminalität ist ein Teil der organisierten Kriminalität, in der Banden mit Rauschgift handeln, Diebstähle oder Banküberfälle begehen. Die Täter gehören zu Großfamilien meist türkisch-arabischer Herkunft. "Kriminalität von Angehörigen türkisch- und arabischstämmiger Großfamilien zeichnet sich durch eine grundsätzlich ethnisch abgeschottete Familienstruktur aus, die unter Missachtung der vorherrschenden staatlichen Strukturen, deren Werteverständnisses und Rechtsordnung eine eigene, streng hierarchische, delinquente Subkultur bildet", schrieb das Bundeskriminalamt in seinem Lagebild Organisierte Kriminalität 2017.

Konkrete bundesweite Zahlen zu Clans gibt es demnach nicht, nur zur organisierten Kriminalität insgesamt. Bundesweit führt der Bericht des Bundeskriminalamts 572 laufende Verfahren an, 274 davon wurden 2017 begonnen. Das Amt will erstmals 2019 ein Lagebild zur Clankriminalität erarbeiten. Berlin hat das ebenso angekündigt. NRW hat als Erstes die Clankriminalität analysiert.  

In Bayern, einem weiteren Schwerpunkt der organisierten Kriminalität in Deutschland, wurde 2017 mit insgesamt 76 Ermittlungsverfahren die zweithöchste Anzahl an Strafverfahren gegen Tätergruppen der organisierten Kriminalität geführt.

Wie aus einem Anfang 2019 veröffentlichten Bericht hervorgeht, wurden 905 Tatverdächtige aus 58 verschiedenen Staaten erkannt. Die meisten Tatverdächtigen stammen wie in den Vorjahren aus Deutschland, gefolgt von syrischen und rumänischen Tatverdächtigen. Der Schaden belief sich auf 308 Millionen Euro, der eigentliche Ertrag betrug 262 Millionen Euro. Insgesamt konnte die Polizei – Stand Februar 2019 – in den Verfahren 43,8 Millionen Euro illegal erlangtes Vermögen sichern.

In Berlin wurden 68 Verfahren aus dem Bereich der Clankriminalität 2017 geführt, wie aus dem BKA-Bericht hervorgeht, darunter wegen Drogenhandels, Raubüberfällen, Einbrüchen und Gewalttaten. Angeklagt sind mehrere Clanmitglieder wegen des Diebstahls der 100-Kilo-Goldmünze aus dem Bode-Museum im Jahr 2017.