Teilmobilmachung: Grüne und Union wollen Asyl für Russen

Wer den Kriegsdienst in Russland verweigert, soll Hilfe in Deutschland bekommen und hierbleiben dürfen. Selenskyi: „Protestiert! Kämpft! Lauft weg!“

Russische Polizisten halten Demonstranten in Moskau fest.
Russische Polizisten halten Demonstranten in Moskau fest.dpa

Angesichts von Russlands Teilmobilmachung der Bevölkerung im Angriffskrieg gegen die Ukraine fordern Politiker von Grünen und Union eine zügige Aufnahme russischer Kriegsdienstverweigerer. „Wer sich als Soldat an dem völkerrechtswidrigen und mörderischen Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine nicht beteiligen möchte und deshalb aus Russland flieht, dem muss in Deutschland Asyl gewährt werden“, sagte die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion im Bundestag, Irene Mihalic, der „Rheinischen Post“ (Freitagsausgabe).

Unionsfraktionsvize Johann Wadephul sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitagsausgaben), humanitäre Visa müssten „jetzt großzügig und umfassend ausgelegt werden“. Dies müsse „auch für Soldaten gelten, die sich offen gegen das Putin-Regime stellen“. Deutschland müsse „ermöglichen, dass sie in Sicherheit leben können. Sie verdienen unsere Unterstützung.“

Die „Rheinische Post“ berichtete unter Berufung auf eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums, seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine am 24. Februar sei wegen Kriegsdienstverweigerung 274 russischen Staatsangehörigen und 164 Familienangehörigen eine Aufnahme in Deutschland ermöglicht worden.

Grünen-Außenpolitiker Anton Hofreiter sagte der Zeitung, die Bundesrepublik müsse zudem ihre „Anstrengungen verstärken, russischen Oppositionellen in Deutschland eine sichere Anlaufstelle zu bieten“. Es sei „besser, wenn sich Regimegegner aus dem Exil heraus für Veränderungen in ihrer Heimat einsetzen“, als wenn sie jahrelang in russischen Gefängnissen säßen, sagte Hofreiter.

Selenskyi: „Protestiert! Kämpft! Lauft weg!“

Angesichts der vom Kreml verkündeten Mobilisierung versuchen viele junge Männer, sich aus Russland abzusetzen. Zudem gab es in Moskau, Sankt Petersburg und anderen Städten des Landes Proteste gegen den erzwungenen Dienst an der Waffe - und Hunderte Festnahmen. Mit der von ihr initiierten Teilmobilisierung stößt die Führung in Moskau derweil auch im eigenen Land auf Widerstand, den die Ukraine zusätzlich zu schüren versucht: Präsident Wolodymyr Selenskyj rief die Russen in seiner täglichen Videobotschaft am Donnerstag dazu auf, gegen die Mobilisierung zu protestieren und sich der Einberufung zu entziehen. „Protestiert! Kämpft! Lauft weg! Oder begebt Euch in ukrainische Kriegsgefangenschaft! Das sind die Varianten für Euch zu überleben“, sagte Selenskyj in seiner auf Russisch vorgetragenen Ansprache.

Seinen Angaben nach sind bereits 55.000 russische Soldaten in der Ukraine ums Leben gekommen, laut Moskau sind es knapp 6000. Mit einem Appell wandte sich Selenskyj an die Mütter und Ehefrauen der Einberufenen: „Zweifelt nicht daran, dass die Kinder der Führung Eures Staats nicht am Krieg gegen die Ukraine teilnehmen. Diejenigen, die die Entscheidungen in Eurem Land treffen, schützen ihre Kinder. Und Eure Kinder werden nicht einmal beerdigt.“

Werden 300.000 oder eine Million Männer eingezogen?

Zwar haben in Russland viele Menschen bereits ihren Einberufungsbescheid erhalten. Berichte, wonach gar die Einberufung von bis zu einer Million Reservisten möglich sei, stellte Kremlsprecher Dmitri Peskow jedoch als Lüge dar. Das Internetportal der in Russland inzwischen eingestellten Zeitung „Nowaja Gaseta“ schrieb dagegen, Präsident Wladimir Putin habe dem Verteidigungsministerium freie Hand zur Mobilisierung von bis zu einer Million Mann gegeben. Dies stehe in Punkt 7 von Putins Erlass vom Mittwoch. Dieser Punkt fehlte in der Veröffentlichung und war als „Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft.

Die aus dem Exil agierende Zeitung berief sich in ihrem Bericht auf angebliche Quellen im russischen Präsidialamt. Peskow selbst hatte am Mittwoch gesagt, dass es im besagten Absatz des Erlasses um die Zahl der Reservisten gehe. Es gelte jedoch, dass 300.000 Mann einberufen werden sollten, wie es Verteidigungsminister Sergej Schoigu angekündigt habe.