Nur der Osten kann die Linke noch vor dem Untergang retten

Die Ost-West-Fusion der Linkspartei ist gescheitert. Die Zukunft liegt in der Vergangenheit – an der Basis Ost. Steht zum Parteitag eine Palastrevolte bevor?

Das Herz schlägt links, meinte einst Oskar Lafontaine. Nach einer Reihe von Wahlabstürzen droht der Herzstillstand.
Das Herz schlägt links, meinte einst Oskar Lafontaine. Nach einer Reihe von Wahlabstürzen droht der Herzstillstand.dpa/Christoph Soeder

Pulverisiert, vernichtet, am Ende. Die Linkspartei im Westen existiert nicht mehr, jedenfalls im Urteil der Wählerinnen und Wähler. Die schrumpften die Linkspartei in Schleswig-Holstein auf 1,7 Prozent, stürzten sie im Saarland von 10,3 auf 2,6 Prozent, in Nordrhein-Westfalen fanden 2,1 Prozent die Linke noch wählenswert.

In NRW arbeitet der bundesweit mitgliederstärkste Landesverband der Linkspartei – ein zerrissener, für Außenstehende schwer verständlicher Verbund etlicher Strömungen, die teils extreme Ansichten vertreten. Sahra Wagenknecht gehört ihm an. Eigentlich wollte ihr Verband sie wegen parteischädigenden Verhaltens ausschließen, überließ ihr aber zugleich die Spitzenkandidatur für den Bundestag.

Schlappe 3,7 Prozent holte sie in ihrem Wahlkreis. Wagenknecht und ihr Fanklub interessieren sich nicht für Landespolitik, sie ziehen die Profilierung auf Bundesebene vor. Im NRW-Wahlkampf verschreckte Wagenknecht mit ihren Sprüchen zum Ukraine-Krieg wie zuvor mit „Querdenker“-Nähe weitere Wähler.

Die Abstürze der Linkspartei sind keine Kette von Zufällen, beeinflusst von ungünstigen äußeren Umständen wie Ukraine-Krieg oder inneren wie sexuellen Übergriffen von Parteimachos. Das Scheitern des Ost-West-Experiments Linkspartei könnte manifester nicht sein. Auch der Versuch, die Wünsche des klassischen, eher konservativen Linkswählers mit antikapitalistischer Internationale und Queer-Community zu versöhnen, ging daneben.

Identitär links gedreht

Die links gedrehte Identitätspolitik führte in die Nische. Rot-Rot-Grün im Bund, wovon mancher vor der Bundestagswahl träumte, erwies sich als realitätsfernes Hirngespinst. Die jüngsten Wahlergebnisse zeigen den Wunsch der Mehrheit nach einer starken bürgerlichen Mitte, der eine Modernisierung von Gesellschaft und Wirtschaft zuzutrauen ist. Die Ränder rechts und links schrumpfen.

Dass die Linke noch einmal mit Ach und Krach in den Bundestag einzog, verdankt sie drei Direktmandaten aus dem Osten, eigentlich scheiterte sie mit 4,9 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde. Die Altgedienten Gregor Gysi und Gesine Lötzsch versuchten wacker, die Vernunft nicht vollends aus der Partei entweichen zu lassen, aber die Zukunft sind sie nicht. Susanne Hennig-Wellsow, die Co-Parteivorsitzende aus Thüringen, gab verzweifelt auf. Janine Wissler, die mehr Gründe zum Aufgeben hätte, weiß noch nicht genau, ob und wie sie sich über den Parteitag im Juni retten kann.

Die Rettung liegt im Osten

Wo aber liegt die Zukunft – und bei wem? Eine Erneuerung, wenn überhaupt noch möglich, kann nur aus dem Osten kommen, mit Rückbesinnung auf Kommunalpolitik und Bürgernähe statt identitätspolitischer Sonderbarkeiten, die einfach nur nerven.

Mit dem Parteitag kommt die letzte Chance, denn auch die Wahlergebnisse im Osten stürzen seit Jahren, aber noch liegt das Kinn über Wasser. In Thüringen regiert die Linke mit 31 Prozent, in Mecklenburg-Vorpommern stellt sie mit 9,9 Prozent den Koalitionspartner der SPD, in Sachsen-Anhalt landete sie bei 11, in Sachsen bei 12,3, in Brandenburg bei 10,7 Prozent.

Fusionsversuch gescheitert

Gregor Gysi nennt die West-Ost-Fusion weiterhin alternativlos. Derzeit sieht sie aus wie ein wichtiger, aber komplett gescheiterter Versuch. Gysis Vereinigungspartner Oskar Lafontaine ist bereits ausgetreten.

Sahra Wagenknecht spielt derweil als Talkshowstar die Rolle einer Influencerin, die statt Schminktipps populistische Politik feilhält – mit einigem Erfolg, weil sie Menschen anspricht, die sonst eher bei der AfD Antworten suchen würden. Auch an diese Leute muss der Linke-Parteitag im Juni denken.

Ein Leipziger, der Grundschullehrer Sören Pellmann, 44, könnte zum Mann der Stunde werden. Er errang im Wahlkreis Leipzig II das rettende dritte Bundestagsdirektmandat für die Linke und erwägt eine Kandidatur für den Parteivorsitz. Als leidenschaftlicher Kommunalpolitiker ist er mit einer bunten politischen Mischung vertraut und eng vernetzt im Osten. Am Tag nach dem NRW-Debakel sagte er: „Der Osten kann die Lebensversicherung für das Überleben der Linken bundesweit sein.“ Und der Pankower Bürgermeister Sören Benn (Linke) fordert einen Aufstand der Jungen.

Doch selbst wenn eine neue Parteiführung die Rettung durch eine Überlebensstrategie Ost suchen würde – die Mehrheit der Mitglieder lebt mittlerweile im Westen. Die Aussichten stehen also schlecht.