Fußball | Corona-Politik Fußball-Bundesliga: Die Zuschauerfrage spaltet die Liga

Stand: 27.01.2022 16:43 Uhr

Die Länder erlauben auch nach der kurzen Pause ganz unterschiedliche Zuschauerzahlen in der Fußball-Bundesliga. Die Ungleichbehandlung führt zu mächtig Unmut.

Eigentlich ist diese Art des Rankings mittlerweile recht sinnlos: die Zuschauertabelle. Vor der Pandemie war durchaus interessant, welcher Verein die Massen begeistert – und wer seine Arena immer bis zum Anschlag füllen kann. Doch inzwischen ist das Bild völlig verzerrt, und dieser Zustand wird sich nach dem spielfreien Wochenende noch verstärken, weil ein Flickenteppich unterschiedlichster Lösungen herausgekommen ist, der reichlich Unfrieden stiftet.

Die neue Chefin der Deutschen Fußball Liga, Donata Hopfen, hatte die Fanrückkehr in ihrer kurzen Videobotschaft am Montag (24.01.2022) als eines ihrer wichtigsten Anliegen herausgestellt und auch den Schulterschluss mit den Topligen in Handball, Eishockey und Basketball unternommen, um bei der Politik trotz Rekordinzidenzen für Lockerungen zu werben. Vergeblich.

Hans-Joachim Watzke ist die Speerspitze des Widerstands

Der mit Hopfen im engen Austausch stehende Liga-Aufsichtsratsvorsitzende Hans-Joachim Watzke (Borussia Dortmund) beschwerte sich wortreich über eine angeblich "extrem ungerechte Behandlung" und kündigte juristische Schritte an. Watzke wetterte: "Wir spielen draußen und woanders sind die Theatersäle und die Philharmonien mit 95 Prozent Kapazität gefüllt indoor."

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) stellte am Mittwoch (27.01.2022) jedoch klar, dass sich vor den nächsten Bund-Länder-Corona-Beratungen am 9. Februar nichts tun wird. "Es kann kein Signal zu großflächigen, pauschalen Lockerungen geben." Außerdem ließ die Staatskanzelei in Düsseldorf verlautbaren: "Es gilt der abgestimmte Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 24. Januar 2022, in dem die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder einig darüber sind, dass es bei der Durchführung von Großveranstaltungen einer Vereinheitlichung der bestehenden Reglungen bedarf. Die Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder haben den Auftrag, bis zum 9. Februar 2022 eine einheitliche Regelung zu vereinbaren." Die NRW-Regelung mit bislang nur 750 erlaubten Fans betrifft allein in der Bundesliga sechs Klubs.

Oliver Kahn wünscht sich wichtige Signale

Besser haben es die drei bayrischen Bundesligisten FC Bayern, FC Augsburg und Greuther Fürth, denen die Zulassung von bis zu 10.000 Menschen (maximal 25 Prozent der Gesamtkapazität) erlaubt wurde. Ausgerechnet vom bayrischen Landesvater Markus Söder (CSU) gestattet, der noch im Dezember so flott wieder die Tribünen komplett für den Profisport gesperrt hatte. "Ich glaube, dass es schon wichtig ist, dieses Signal in dieser Zeit zu setzen", sagte Bayern Münchens Vorstandschef Oliver Kahn. "Wir brauchen vernünftige Lösungen, nicht nur jetzt für den Fußball, im Grunde auch in allen Gesellschaftsbereichen."

Auch die Landesregierung in Baden-Württemberg folgte mit einem Beschluss für bis zu 6.000 Fans in Stadien mit 2G-plus-Regel. Wiederholt kritisierten Sportfunktionäre zuvor, dass sich die politischen Entscheidungen an vielen Stellen von der Faktenlage abgekoppelt hätten. Und dass es nicht um Logik, sondern um Symbolik geht. Doch zeigt das Fernsehbild ohnehin oft die Bereiche, in denen die Anhänger gar nicht mehr so sehr auf Abstand sitzen.

Oliver Glasner versteht die Gegensätze nicht

Beim Bundesligaspiel Eintracht Frankfurt gegen Arminia Bielefeld (0:2) versuchten am vergangenen Freitag die 1.000 Fans auf den unteren Blöcken der Gegengerade zwischen den riesigen Bannern der Eintracht-Legenden Jürgen Grabowski und Karl-Heinz Körbel, ihre Mannschaft anzufeuern. Um ein bisschen Leben in die Bude zu bringen, reicht ihre Zahl nicht. Dann müssten es jene 15.000 sein, die neuerdings das Land Sachsen-Anhalt für den Drittligisten 1. FC Magdeburg erlaubt.

Eintracht-Trainer Oliver Glasner würde sich wie viele seiner Liga-Kollegen am liebsten eine 100-prozentige Auslastung wünschen. Den Österreicher stimmt es "traurig und enttäuscht", dass er noch nicht ein einziges Spiel in einer ausverkauften Frankfurter Arena coachen durfte. Er habe sich die Premier League und gerade die Wild-Card-Games im Football angeschaut, sagte Glasner und sei irritiert gewesen: "93.000 Zuschauer in Dallas, wo das Stadion geschlossen ist, keine Masken. Da frage ich mich, warum es dort geht und hier nicht."

Es geht auch ums Geld

Wie so oft geht es im Profifußball aber auch ums Geld. Gerade die zuschauerträchtigen Marken brauchen die Einnahmen durch die Ticketverkäufe, weil diese in den Budgets ab der Rückrunde eingespeist sind. So entgehen dem 1. FC Köln bei jedem Heimspiel ohne Zuschauer etwa 1,8 Millionen Euro. "Die Schäden sind gewaltig", sagt FC-Geschäftsführer Alexander Wehrle.

"Es sagt uns ja keiner, dass es ab Frühjahr mit vollen Stadien weitergeht." In Köln haben die Dauerkarteninhaber offenbar in den ersten 18 Monaten der Corona-Pandemie bereits auf 8,6 Millionen Euro Erstattung verzichtet. Insgesamt soll der coronabedingte Umsatzverlust bei fast 85 Millionen liegen.

Brandbrief der hessischen Vereine

Ähnliche Zahlen hat auch Eintracht Frankfurt bestätigt. Dort ist Axel Hellmann seit längerem ähnlich schlecht auf die Politik zu sprechen wie Wehrle. Der Vorstandssprecher hat gemeinsam mit Präsident Rüdiger Fritsch vom Zweitliga-Tabellenführer SV Darmstadt 98 und Geschäftsführer Björn Seipp vom Handball-Bundesligisten HSG Wetzlar einen Brandbrief an Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) geschrieben und eine Anpassung der Corona-Regeln gefordert.

"Es kann nicht sein, dass für den professionellen Sport härtere Maßstäbe gelten als für andere gesellschaftlichen Bereiche. Wir fordern von Hessen ein Ausscheren aus dem bundeseinheitlichen Nichtstun." Konkret verlangen die Vereine, 25 Prozent der Kapazität nutzen zu können.

Auch die NRW-Eishockey-Klubs melden sich zu Wort

Vier Eishockey-Klubs aus NRW haben sich zusammengetan und für die Aufhebung der Zuschauerbeschränkung eingesetzt. Sie sehen sich wirtschaftlich bedroht. Die vier nordrhein-westfälischen Klubs aus der Deutschen Eishockey Liga haben am Donnerstag in einem Offenen Brief an Wüst und den Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann eine Aufhebung der Zuschauerbeschränkung im Profisport gefordert. "Eishockeyspiele mit Zuschauern sind machbar und auch verantwortbar", heißt es in dem Schreiben, das die Geschäftsführer der Kölner Haie, der Düsseldorfer EG, der Iserlohn Roosters und der Krefeld Pinguine unterschrieben.

Widersprüche am 21. Spieltag

Bleibt es in den kommenden Tagen bei diesen Einschränkungen, wird am 21. Spieltag ab dem 4. Februar überdeutlich, worüber sich die Bundesliga-Bosse aufregen. Im riesigen Berliner Olympiastadion dürfen am Freitagabend 3.000 Menschen beim Spiel gegen den VfL Bochum dabei sein, in Augsburg könnten am Sonntag schon mehr als doppelt so viele Fans die Partie gegen Union Berlin sehen.

Der FC Bayern dürfte für das Spitzenspiel gegen RB Leipzig 10.000 Tickets loswerden. Borussia Dortmund hingegen, das bislang übrigens mit 33.517 Besuchern im Schnitt die Zuschauertabelle anführt, würde das Verfolgerduell am Sonntagnachmittag gegen Bayer Leverkusen vor vergleichsweise lächerlichen 750 Fans bestreiten.