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Als Finanzminister war Olaf Scholz oft in Washington, im Weißen Haus wurde er aber bisher nicht empfangen.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Scholz plant Besuch bei Joe Biden: Wie der Kanzler in der Russland-Frage auf US-Linie einschwenkt

Scholz hat keine Zeit für Biden? Ein Bericht lässt den Kanzler blöd aussehen. Dezent versuchen die USA, ihn zu mehr klarer Kante gegen Moskau zu bewegen.

Im Kanzleramt lernen sie gerade die Tücken des internationalen Terrains kennen. Seit Tagen wird über die Antrittsreise von Kanzler Olaf Scholz (SPD) zu US-Präsident Joe Biden spekuliert - die auf jeden Fall vor einem Besuch bei Wladimir Putin stattfinden soll. Scholz' außenpolitischer Berater, Jens Plötner, sondierte mit der US-Seite Termine, zunächst wurde unter anderem der 24. Januar ins Auge gefasst. Aber für diesen Tag war wegen der unklaren Lage durch die Omikron-Welle eine Bund-Länder-Runde angesetzt worden, eine Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Kanzler.

Als nun der „Spiegel“ vermeldete, Scholz solle einen Terminvorschlag der US-Seite abgelehnt haben, mit der Begründung, die Tage seien mit Reisen und wichtigen Sitzungen verplant, sah das blöd aus. Zumal inmitten der sich zuspitzenden Krise um einen möglichen russischen Angriff auf die Ukraine. Es gab zunächst aber offensichtlich nur die übliche Terminsuche und keine feste Vereinbarung. Bisher haben sich Biden und Scholz nur beim G20-Gipfel in Rom getroffen - da war aber noch Kanzlerin Angela Merkel im Amt und Scholz ihr Finanzminister.

Eine Steilvorlage für die Union

Der Bericht war sofort eine Steilvorlage etwa für CSU-Generalsekretär Markus Blume: „Kein Gesetz für die Impfpflicht, keine Initiative gegen hohe Energiepreise und auch keine Zeit für den US-Präsidenten, um Frieden in Europa zu sichern?“, twitterte Blume. Er fragte, was Olaf Scholz eigentlich den ganzen Tag mache.

Eine Lesart in Berlin ist, dass das Durchsickern eine feine Warnung sein könnte, sich klarer zu positionieren, an der Seite der USA. Washington ist nicht begeistert über den deutschen Schlingerkurs in der Russland/Ukraine-Krise, vor allem die SPD steht da unter Beobachtung.

30.10.2021, Italien, Rom: Ein historisches Bild: Kanzlerin Angela Merkel stellt US-Präsident Joe Biden beim G20-Gipfel ihren Nachfolger Olaf Scholz vor.
30.10.2021, Italien, Rom: Ein historisches Bild: Kanzlerin Angela Merkel stellt US-Präsident Joe Biden beim G20-Gipfel ihren Nachfolger Olaf Scholz vor.

© Oliver Weiken/dpa

Die Mahnung des CIA-Direktors an den Kanzler

Im Berliner Regierungsviertel weiß man noch gut, wie ein Richard Grenell in der Berliner US-Botschaft Maßstäbe dabei setzte, deutsche Medien gezielt zu füttern, um Druck auf die Bundesregierung, damals vor allem auf Kanzlerin Angela Merkel, in Sachen Nord Stream 2 aufzubauen. Auch die Biden-Leute verstehen sicherlich dieses Spiel.

Am 13. Januar war nach Tagesspiegel-Informationen CIA-Direktor William Burns zu Gast im Kanzleramt, erst sprach er mit Kanzler Scholz, dann mit Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt.

Burns habe Scholz bei der Besprechung über die heikle Lage an der ukrainisch-russischen Grenze gebeten, bis zum geplanten Treffen mit Präsident Biden die Ostseepipeline Nord Stream 2 nicht mehr als rein „privatwirtschaftliches Projekt“ zu bezeichnen - berichtet nun der „Spiegel“. Auffällig ist, dass Scholz seither trotz mehrfacher Fragen, ob er noch zu dieser Einstufung stehe, stets ausweicht und darauf nicht antwortet.

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Scholz schließt nun nichts mehr aus

Zum Beispiel beim Treffen mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg am 18. Januar. Dort schloss Scholz auch erstmals explizit keine Sanktionen für das deutsch-russische Pipelineprojekt aus - und verwies auf eine noch von Kanzlerin Angela Merkel am 21. Juli 2021 getroffene Vereinbarung mit der US-Regierung.

„Sollte Russland versuchen, Energie als Waffe zu benutzen, oder weitere aggressive Handlungen gegen die Ukraine begehen, wird Deutschland auf nationaler Ebene handeln und in der Europäischen Union auf effektive Maßnahmen einschließlich Sanktionen drängen“, wird in der Erklärung mit Blick auf Nord Stream 2 betont. Im Gegenzug sagten die USA zu, auf weitere Sanktionen gegen an dem Projekt beteiligte Firmen zu verzichten.

Scholz sagte nun beim Statement mit Stoltenberg: „Wir stehen zu allen Aspekten, die dazu gehören. Dazu gehört eben auch, dass klar ist, dass es hohe Kosten haben wird und dass alles zu diskutieren ist, wenn es zu einer militärischen Intervention gegen die Ukraine kommt.“ Dieser Einschub „dass alles zu diskutieren ist“, bedeutet einen deutlichen Richtungswechsel in der Rhetorik des Kanzlers.

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Im Februar soll es mit dem Besuch im Weißen Haus klappen

Auffällig ist, dass Scholz klarer als zuvor betont, dass alle Optionen auf dem Tisch liegen - auch mögliche Konsequenzen für Nord Stream 2. Mithin versucht er deutlich zu machen, dass die neue Bundesregierung keinerlei Sonderbeziehungen mit Moskau plant und der Westen mit einer Stimme spricht, Scholz stimmt sich hier auch ohnehin eng mit Grünen-Außenministerin Annalena Baerbock ab.

Nun könnte die Reise zum Antrittsbesuch nach Washington als neue Option rund um den 7. Februar stattfinden. Zu besprechen gibt es zwischen Olaf Scholz und Joe Biden im Weißen Haus jedenfalls genug - und es dürfte um eine deutliche Mahnung an Wladimir Putin gehen. Wenn es dann nicht schon zu spät ist.

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