Das Fernweh ist groß nach fast zwei Jahren Pandemie. Trotzdem verzichten Menschen aufs Fliegen, wegen Corona – und weil sie das Klima schützen wollen. Andere kompensieren den Schadstoffausstoß ihres Flugs über Klimaschutzprojekte. Und währenddessen starten allein bei der Lufthansa-Group diesen Winter 18.000 unnötige Flüge: Maschinen, die mitten in der Klimakrise nur abheben, weil eine EU-Regel das so will. Darüber klagte jedenfalls Lufthansa-Chef Carsten Spohr Ende Dezember in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Die Lage beschäftigt mittlerweile auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP). Er forderte Maßnahmen dagegen und hatte angekündigt, am Dienstag mit der EU-Verkehrskommissarin Adina Vălean darüber zu sprechen. Wissing hofft auf eine kurzfristige Entlastung für Airlines in der Corona-Pandemie. Der Verkehrsminister und der Lufthansa-Chef scheinen sich einig zu sein: Die EU macht den krisengebeutelten Airlines das Leben schwer – und belastet dazu unnötig das Klima. 

Grund dafür sind ihre Slot-Regelungen. Um zu verstehen, warum es die trotz der unternehmerisch unsinnigen und klimaschädlichen Leerflüge gibt und wer davon profitiert, muss man erst einmal begreifen, was damit gemeint ist.

Bloß keine wichtigen Slots verlieren

"An viel genutzten Flughäfen gibt es eine Art Terminvergabe wie beim Zahnarzt", erklärt Hans-Martin Niemeier, Direktor des Institute for Transport and Development an der Hochschule Bremen. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Reform der Flugsicherung und Umweltprobleme im Luftverkehr. Die Idee hinter den Slots ist Jahrzehnte alt – und sollte zunächst einmal Staus verhindern. Flieger sollten nicht unnötig lang an Startbahnen warten oder in der Luft Schleifen drehen müssen, weil Landebahnen noch nicht frei sind.

Die Termine werden in Form von Zeitfenstern für Starts und Landungen in den Ländern zentral vergeben – in Deutschland von der Fluko, der Flughafenkoordination in Frankfurt am Main. Slot-Vergaben regeln Niemeier zufolge den Verkehr auf Flughäfen weltweit, außer in den USA. Dort startet und landet, wer zuerst kommt.

Gerade an viel frequentierten Airports wie Düsseldorf, Stuttgart oder London Heathrow und zu beliebten An- und Abflugzeiten sind die Slots umkämpft. Wem da einmal Zeitfenster zugeteilt worden sind, der gibt sie nur sehr ungern wieder her. Damit Airlines solche Slots nicht blockieren, ohne tatsächlich zu fliegen, gilt in der EU die 80/20-Regelung: Vor der Pandemie mussten Airlines mindestens 80 Prozent eines Slots nutzen. Flogen sie diese Quote nicht, ging das Zeitfenster für die darauffolgende Saison zurück in den Pool – und wurde so wieder frei für andere Airlines.

Das System soll einen fairen Wettbewerb garantieren: Airlines und Flughafenbetreiber, die natürlich von viel Verkehr profitieren, können sicher planen. Außerdem sichert es ein breites Angebot für Verbraucherinnen und Verbraucher. Aber ist es wirklich fair?