Ohne Vorankündigung hat Belarus seine Grenzen zu den EU-Staaten Polen, Litauen und Lettland sowie zur Ukraine geschlossen. Wegen der "epidemiologischen Lage" in einigen Nachbarländern von Belarus werde für eine Zeit die Einreise beschränkt, teilte der Grenzschutz des Landes mit. Der autoritär regierende Staatschef Alexander Lukaschenko hatte zuvor ohne Angabe von Gründen gesagt: "Wir müssen die Grenze schließen."

Durchgelassen werden dem Grenzschutz zufolge nur Diplomaten und Lastverkehr. Zuvor hatten Bürgerinnen und Bürger aus Belarus an den Grenzübergangsstellen darüber geklagt, dass sie nicht in ihre Heimat zurückkehren könnten.

Litauen habe auf diplomatischem Weg keine Warnungen erhalten, sagte Außenminister Linas Linkevičius im Radio. Er bezweifelte, dass die Pandemie der Hauptgrund für die Grenzschließung sein könnte. "Diese Situation hat uns wirklich überrascht", sagte Rustamas Liubajevas, der Leiter des litauischen Grenzschutzes, der Nachrichtenagentur BNS zufolge. 

Beziehung zu Nachbarländern angespannt

Es galt als wahrscheinlich, dass es eher politische Gründe für die Grenzschließung gab. Die Beziehungen von Belarus zu allen vier Nachbarländern sind angespannt, seit sie Lukaschenko nicht mehr als Präsidenten anerkennen. Mit Russland, das sehr hohe Infektionszahlen hat und Lukaschenko unterstützt, funktioniert der Grenzverkehr.

Die Entscheidung des Grenzschutzes war auch insofern überraschend, als die Behörden die Gefahr durch Covid-19 seit Monaten herunterspielen. Lukaschenko hatte die Coronavirus-Pandemie als eine "Psychose" bezeichnet.

Die Bürgerrechtlerin Swetlana Tichanowskaja sah in der Grenzschließung ein Zeichen für die Schwäche Lukaschenkos. "Er trifft undurchdachte Entscheidungen, weil er in Panik ist", sagte die 38-Jährige in ihrem Exil in der EU. Die Demokratiebewegung in Belarus, die seit Monaten gegen Lukaschenko protestiert, sieht Tichanowskaja als wahre Siegerin der Präsidentenwahl vom 9. August.

Am Montag hatte in Belarus ein landesweiter Generalstreik begonnen, mit dem die Opposition den Druck auf Lukaschenko erhöhen will. Am Sonntag war eine Frist abgelaufen, die Tichanowskaja dem Staatschef für dessen Rücktritt gesetzt hatte.

Zuletzt war bekannt geworden, dass Lukaschenko als Reaktion auf die anhaltenden Proteste seinen Sicherheitsapparat umbaut. Er entließ seinen Innenminister und ernannte den bisherigen Polizeichef von Minsk zum Nachfolger. Der bisherige Ressortchef sowie zwei weitere ebenfalls als Hardliner geltende Vertraute des seit 26 Jahren autoritär regierenden Staatschefs erhalten neue Aufgaben im Sicherheitsapparat. Zudem verstärkte Lukaschenko eine bewaffnete Miliz, die beim Vorgehen gegen die Opposition bislang keine größere Rolle gespielt hat.