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Kultur Salzburg

Überall beim Festival ist Maskenball

Freier Feuilletonmitarbeiter
Die Maske zum JedermannDie Salzburger Festspiele 2020 Die Maske zum JedermannDie Salzburger Festspiele 2020
Mit Maske ist jede Frau und jeder Mann ein Jedermann: Festspielbesucher in Salzburg
Quelle: picture alliance / wildbild, Fot
Wie Salzburg versucht, auch in diesem seltsamen Sommer seine Festspiele zu feiern. Mit Mund- und Nasenschutz und Babyelefantenlängen. Eine Reportage aus der überhitzten Mozartstadt.

Die „Maschkera“ fällt mir ein, der Werdenfelser Fasching, als ich in Salzburg aus der Tiefgarage im Mönchsberg erstmals in diesem Jahr den Festspielbezirk betrete. Das ist, vor allem wenn die von der Stollenfeuchte drückende Hitze so brüllt und die Pferdeäpfel in der Hofstallgasse schmelzen, wie eine Fata Morgana.

Menschen in Galakleidung, Fotografen, Zaungäste, Marktgänger, Fahnen, Kirchtürme, der Gaisberg, die Festung schräg rechts, dieses vertraute Panorama springt einen gleißend an, kommt man aus dem dunklen Parkloch ins Sommersonnenlicht. Diesmal sind da auch: Perchtenträger, Guglmänner, Larvenkerle, eine Prozession, dumpfe Musik. Pestaustreibung oder eine Probe für den abendlichen, pandemievariierten „Jedermann“? Nein, „Die Fairkabler kommen“, ist auf einem Transparent zu lesen. Es geht um einen Erdstrang statt der neuen Überlandstromtrasse. Man hat sich der örtlichen Folklore angepasst.

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Trotzdem, die Atemschutzmaske, sie ist ein bestimmendes Thema dieser denkwürdigen Salzburger Festspiele 2020. Das Pressebüro ist geschlossen, dahin kommt man nämlich nur mit dem Lift, die schönste Panorama-Journalisten-Terrasse der Welt leider auch. Dafür wird zu ebener Erde hinter Plexiglas empfangen, die stilbewusste Pressechefin hat zur hellblauen Maske den korrespondierenden Seidenschal und Ton-in-Ton-Ohrgehänge angelegt. Da weiß ich, dass ich da bin.

Ein wenig Zeit bis zur ersten Premiere bleibt, um über die in der Oper wie Operette allgegenwärtige Maske nachzudenken. Hinter der wird gemordet und geliebt, sie kommt nicht nur bei vielen Festen zum Einsatz, sie ist auch titelgebend, von Verdis „Maskenball“ über den „Schwarzen Domino“ Aubers und Puccinis, Mascagnis wie Busonis oder Schönbergs Commedia-dell’Arte-Beschwörungen in „Turandot“, „Les Maschere“, „Arlecchino“ oder „Pierrot lunaire“. Man versteckt sein Ich auf Heubergers „Opernball“ und verdeckt ein womögliches „Wimmerl auf der Nase“ in der „Fledermaus“.

ABD0130_20200802 - SALZBURG - ÖSTERREICH: Schachbrettartige Sitzordnung der Opernbesucher am Sonntag, 2. August 2020, vor Beginn der Festspiel-Premiere "Cosi fan tutte" im Großen Festspielhaus. - FOTO: APA/BARBARA GINDL - 20200802_PD2497 |
Platz für Elefantenbabys: Abstandswahrung bei der Premiere von "Cosi fan tutte" im Salzburger Festspielhaus
Quelle: picture alliance / BARBARA GINDL

Wenige Gäste haben ihre Verhüllung auf den Glamour abgestimmt. Die meisten tragen die üblichen dreilagigen Einwegdinger aus Polypropylen, manche medizinische Modelle, noch weniger individuelle Stoffkreationen mit Mozart-Noten oder Mozart-Bildern. Vereinzelt gibt es Wagnerianer mit ihren „Hojotoho!“-Masken vom „Rheingold“-Parkdeck der Berliner Oper zu sehen, stolz vorgeführt wie einst die lange ausrangierten Bayreuther Beutel.

Helga Rabl-Stadler, die Festspielpräsidentin, trägt vor Mund und Nase melancholisch Schwarz, aber mit Salzburg-Logo, ihr Intendant Markus Hinterhäuser trägt Weiß. Wie Yin und Yang, die Bedenken und die Hoffnung der Verantwortlichen für die 1000 im Schachbrettmuster Sitzenden in den Großspielstätten. Hier kann viel passieren.

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In einem Restaurant lässt sich einer mit Elefantenmaske fotografieren. Das spielt auf das Aufklärungsvideo der österreichischen Bundesregierung an, das als gar lustiges Symbol für die Abstandsregel „eine Babyelefantenlänge“ empfiehlt. Auch „Riesenschildkröte“ und „Besenstiel“ waren im Gespräch. Durchgesetzt hat sich das Kindchenschema, der kleine Elefant.

Den Maskenvogel abgeschossen hat die wirkungsbewusste Schauspielerin Sunnyi Melles. Die stolzierte hier schon aufmerksamkeitsheischend mit Plexiglaskreuz oder im Dunkel leuchtender Handtasche einher. Diesmal kommt sie mit medizinischer Maske und Plastikvisier. Den Schild nimmt sie auch bei einem privaten Lunch nicht ab. Essen und reden und nicht mehr an die Staffage denken – aber das führt dazu, dass die gegen das Plastik klatschende gefüllte Zucchiniblüte – schwupps – auf dem Kleid landet. Nicht nur einmal.

Dieser Text ist aus der WELT AM SONNTAG. Wir liefern sie Ihnen gerne regelmäßig nach Hause.

Quelle: WELT AM SONNTAG

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