BILD-Check: Wie gut sind wir auf die zweite Corona-Welle vorbereitet?

Deutschland hat die Corona-Krise bisher relativ gut weggesteckt – auch auf eine zweite Welle seien wir gut vorbereitet, sagen Experten

Deutschland hat die Corona-Krise bisher relativ gut weggesteckt – auch auf eine zweite Welle seien wir gut vorbereitet, sagen Experten

Foto: Fabian Sommer / dpa

Viel Diskussion um die zweite Corona-Welle: Ist sie nun schon da – oder nicht?

In jedem Fall steigt die Sorge vor der Rückkehr hoher Infektionszahlen. Geht es nach der Einschätzung des Ärzteverbandes Marburger Bund, befinden wir uns sogar schon mitten in der zweiten Viren-Woge.

Was, wenn die Fallzahlen weiter steigen?

Auf die zweite Welle seien „die Kommunen und die staatlichen Einrichtungen nach den Erfahrungen der ersten Infektionsfälle deutlich besser vorbereitet“, so der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg.

Tatsächlich werden etwa Testkapazitäten noch immer ausgebaut und es ist auch mehr Schutzmaterial verfügbar als noch zu Krisenbeginn.

Wie gut sind wir wirklich vorbereitet? BILD gibt einen Überblick:

Krankenhäuser

Die Kliniken haben nach Angaben der Krankenhausgesellschaft in den vergangenen Monaten Erfahrungen sammeln können, die ihnen für eine mögliche zweite Welle zugutekommen.

„Dies gilt für die Zusammenarbeit verschiedener Kliniken in regionalen Netzen, die Weiterbildung von Personal in der Beatmungsmedizin oder für die Ablauforganisation“, sagt Hauptgeschäftsführer Georg Baum. Auch Isolierzimmer würden noch immer freigehalten. „Die Krankenhäuser sind gut auf eine mögliche zweite Welle vorbereitet“, bilanziert Baum.

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Quelle: BILD

Bei den Intensivbetten, die zur Behandlung von Corona-Patienten genutzt werden können, bestehen noch Kapazitäten.

Das Register der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) meldete zuletzt etwa 9000 freie Intensivbetten. Das entspricht einem Anteil von rund 42 Prozent gemessen an der Gesamtzahl von rund 21 300 registrierten Intensivbetten.

Etwa 1200 Klinikstandorte in Deutschland melden derzeit ihre Kapazitäten.

Schutzausrüstung

Schutzmaterialien wie etwa Masken waren zu Beginn der Corona-Pandemie Mangelware. Die Städte und Gemeinden sehen sich nun besser vorbereitet.

Zusammen mit dem Bund und den Ländern sind nach Angaben des Städte- und Gemeindebundes „in großem Umfang“ Schutzausrüstungen und Masken beschafft worden. „Auch wenn der Beschaffungsmarkt natürlich weiter angespannt ist, sind Kommunen, Krankenhäuser und Arztpraxen wesentlich besser ausgestattet“, heißt es seitens des Verbands. Der Landkreistag rechnet ebenfalls nicht mit Engpässen.

Auch in den Praxen der niedergelassenen Haus- und Fachärzte sei für den Bedarf an Schutzmaterialien vorgesorgt worden, teilte die Kassenärztliche Bundesvereinigung mit.

Vorrangig sei das aber die Aufgabe der Länder und der Katastrophenschutzbehörden, betont der Vorsitzende Andreas Gassen.

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Gesundheitsämter

Die Ämter nehmen eine zentrale Rolle bei der Verfolgung von Infektionsketten ein. Nach einer Umfrage des Deutschen Städtetages haben die Gesundheitsämter ihr Personal in der Corona-Krise deutlich aufgestockt.

Der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes schlägt dennoch Alarm: „Während der ersten Pandemie-Welle haben viele Gesundheitsämter ihr Personal fast verdoppelt. Doch das ist mittlerweile weitgehend wieder abgezogen worden“, sagt die Vorsitzende Ute Teichert. Bei steigenden Zahlen sei wieder mehr Personal nötig, um Infektionen verfolgen zu können.

Die Kommunen zeigen sich optimistisch, dass sie bei Bedarf zeitnah nachsteuern können. „Dass dies den Landkreisen auch tatsächlich gelingt, haben die lokalen Ausbrüche und deren schnelle Eindämmung seit März 2020 gezeigt“, sagt Jörg Freese vom Deutschen Landkreistag.

Gesundheitsminister Jens Spahn kündigte am Donnerstag an, dass ein von der Koalition geplanter „Pakt für den öffentlichen Gesundheitsdienst“ zur langfristigen Stärkung der Gesundheitsämter in wenigen Wochen vorgestellt werde.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU, 40)

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU, 40)

Foto: Markus Schreiber / AP Photo / dpa

Testkapazität und Corona-App

Die Testkapazität für sogenannte PCR-Tests wächst in Deutschland nach Angaben der Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM) noch immer kontinuierlich. Die ALM-Labore führen rund 85 Prozent aller Corona-Tests durch.

Wurden Anfang April noch rund 330 000 pro Woche ausgewertet, liegt die Testkapazität aktuell bei fast einer Million (rund 985 000) Tests in Deutschland.

Die Corona-Warn-App war im März noch nicht verfügbar, nun sind große Hoffnungen mit ihr verbunden. Doch der Start war holprig, verschiedene Smartphones hatten mit technischen Problemen zu kämpfen.

Mit der neuesten Version sollten technische Schwierigkeiten auf dem iPhone von Apple beseitigt werden. Die App soll helfen, Infektionsketten nachzuverfolgen und zu unterbrechen.

Bislang gibt es die am 16. Juni in Deutschland gestartete App in Deutsch, Englisch und Türkisch. Sie wurde bisher rund 16,6 Millionen Mal heruntergeladen.

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Quelle: BILD

Was Sorge bereitet

Allerdings bereitet den Experten auch etwas Sorge: ein nachlassendes Gefahrenbewusstsein in der Bevölkerung.

Viele Menschen fühlen sich heute sicherer als noch vor einem Vierteljahr – das belegen auch Umfragen. Das Robert-Koch-Institut beklagte zuletzt Nachlässigkeit bei der Einhaltung der Verhaltensregeln.

Pandemien seien eine „schleichende Krise“, daher müsse das Krisenbewusstsein wachgehalten werden, auch wenn zwischenzeitlich nicht viel passiere, sagt der Direktor des Instituts für Krisenforschung in Kiel, Frank Roselieb.

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