Syrerin Mayaz (16) in Bayern: Sie hat eine Ausbildungsstelle – trotzdem droht ihr die Abschiebung

Mayaz A. mit Blumenladen-Chefin Manuela Grußie (r.) in der Blumenbinderei in Furth

Mayaz A. mit Blumenladen-Chefin Manuela Grußie (r.) in der Blumenbinderei in Furth

Foto: Theo Klein
Von: Shammi Haque

Trotz erfolgreicher Integration soll ein syrisches Flüchtlingsmädchen abgeschoben werden. Blumenladen-Besitzerin Manuela Grußie (34) kämpft gerade für Mayaz A. (16), um ihre Abschiebung auf Grundlage der Dublin-Verordnung zu stoppen. „Ich liebe die Kultur hier, es macht Spaß, die deutsche Sprache zu lernen. Die Ausbildung in der Blumenbinderei hat mir eine Zukunftsperspektive gegeben. Aber jetzt kann ich nicht weitermachen, das verstehe ich wirklich nicht“, sagt Mayaz zu BILD.

Schon seit September 2019 liegt der Ausbildungsvertrag vor, genehmigt von der IHK. Aber: Sie darf die Lehrstelle nicht antreten, da sie keine Arbeitserlaubnis hat.

Mayaz sitzt in ihrem zehn Quadratmeter großen Zimmer in einer Flüchtlingsunterkunft in Eching, Bayern, wo sie seit über zwei Monaten wohnt. Dort wartet sie auf die Entscheidung der Behörde, ob sie ihre Ausbildung machen und in Deutschland bleiben darf!

Seit neun Jahren auf der Flucht

Seit neun Jahren ist Mayaz auf der Flucht. 2011 verließ ihre achtköpfige Familie die syrische Hauptstadt Damaskus und floh in den benachbarten Libanon.

„Ich kam aus der Schule und habe gehört, dass wir am nächsten Morgen in den Libanon gehen.“ Die kleine Mayaz wusste, dass sie wohl nie nach Damaskus zurückkehren würde.

Vier Jahre lang war sie mit ihrer Familie im Libanon, bevor sie als Kontingentflüchtlinge des UNHCR (Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen) nach Spanien kamen. Jetzt leben sie seit mittlerweile rund 2,5 Jahren in Deutschland. Ihre Asylanträge gelten in Deutschland als „unzulässig“.

Mayaz in einer Flüchtlingsunterkunft in Eching, Bayern

Mayaz in ihrer Flüchtlingsunterkunft in Eching, Bayern

Foto: Theo Klein

Warum Abschiebung und Ausbildungsduldung?

Da Mayaz und ihre Familie internationalen Schutz in einem anderen EU-Mitgliedsstaat bekamen, ist Spanien nach Ansicht der Zentralen Ausländerbehörde Niederbayern für die Flüchtlinge zuständig. Sie beruft sich auf die Dublin-Verordnung, wonach derjenige EU-Mitgliedsstaat für einen Flüchtling zuständig ist, in dem dieser zuerst einen Antrag auf Asyl oder internationalen Schutz stellt. Deswegen droht der Familie jetzt eine Abschiebung nach Spanien. Auch Mayaz’ Antrag auf Ausbildungsduldung wurde von der Zentralen Ausländerbehörde Niederbayern abgelehnt.

„Diese Frage liegt ganz im Ermessen des betreffenden Landes, hier also der Bundesrepublik Deutschland. Deutschland hat die Genfer Flüchtlingskonvention unterschrieben und sich zum Schutz von Flüchtlingen verpflichtet – und kommt dieser Pflicht auch nach“, sagt Chris Melzer vom UNHCR zu BILD. Einzelfälle wolle das UNHCR grundsätzlich nicht kommentieren.

Schülerin Mayaz ist enttäuscht: „Seit neun Jahren ist es für uns ein Hin und Her. In Spanien war es sehr schwierig, in Deutschland habe ich mich endlich ‚zu Hause‘ gefühlt und auf die Ausbildung gefreut.“

Deutsche Arbeitsgeberin kämpft für das Mädchen

Ihre Arbeitgeberin Manuela Grußie (34) leitet eine Blumenbinderei im bayerischen Furth bei Landshut und ist sehr beeindruckt von Mayaz’ Ehrgeiz.

„Ich habe sofort gemerkt, dass Mayaz ein Auge für die Blumen hat. Sie ist sehr kreativ und auch qualifiziert, sie spricht gutes Deutsch, lernt schnell und hat dieses Ausbildungsangebot verdient“, so Grußie gegenüber BILD. Grußie kämpft deshalb für Mayaz und ihre Familie. Sie startete eine Online-Kampagne und eine Petition, um Geld zu sammeln, mit Politikern zu sprechen und Anwälte zu finanzieren.

„Diese Situation ist unmenschlich, nicht nur für Mayaz, sondern für die ganze Familie, die arbeiten will. Mayaz ist gut integriert. Der Vater fragte, ob er irgendwie helfen kann, da es besser ist, etwas zu tun, statt nur zu Hause zu bleiben“, sagt Grußie. „Ich will etwas für diese Familie machen.“

Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums betonte gegenüber BILD, dass ein wichtiges Anliegen des Seehofer-Ministeriums auch darin liege, dass Menschen ohne Bleibeperspektive nach Abschluss des Asylverfahrens Deutschland verlassen müssen. Zwar seien Integrationsbemühungen von Schutzsuchenden zu begrüßen, allerdings sei eine Integration in Deutschland kein Grund, um von einer Abschiebung abzusehen.

Es gibt Hoffnung

Doch Mayaz‘ Anwältin Petra Haubner sieht noch eine kleine Chance für die Schülerin: Sie klagt auf eine Ausbildungsduldung.

„Die Chance ist nicht hoch, aber es gibt Hoffnung, da sie schon 2,5 Jahre in Deutschland lebt und Mayaz sich gut integriert hat. Wenn die Behörde es will, gebe es aus juristischer Sicht auch die Möglichkeit, die Abschiebung zu verhindern und eine Erlaubnis für die Ausbildung zu bekommen.“

Davon würden nicht nur Mayaz und ihre Familie, sondern auch Deutschland wirtschaftlich profitieren.

Für Mayaz ist das komplizierte Asylsystem kaum nachzuvollziehen, sie versteht nicht, warum sie ihre Arbeit als Floristin nicht antreten kann. In Furth hatte Mayaz mit ihrer Familie eine eigene Wohnung von der Behörde gestellt bekommen, ein Jahr lang durften sie dort leben. Aber plötzlich mussten sie die Wohnung verlassen: „Ende März kam eine Frau vom Landratsamt und sagte, wir müssten morgen die Wohnung verlassen“, sagt Mayaz.

Der Grund: Das Landesamt bereitete die Wohnung vorsorglich als Unterkunft für Corona-positiv getestete Flüchtlinge vor. Deswegen musste Mayaz mit ihrer Familie am nächsten Tag 30 Kilometer weit weg aus Furth in ein Flüchtlingscamp nach Eching ziehen.

Mayaz will Floristin werden

Mayaz will Floristin werden, ihre Arbeitgeberin bescheinigt ihr großes kreatives Talent

Foto: Theo Klein

In Furth hatte Mayaz bereits viele soziale Kontakte geknüpft, ihre Lieblingsblumenbinderei besucht und sich täglich mit ihrer Nachbarin unterhalten, einer älteren Dame.

„Jetzt versuche ich, über soziale Medien Freunde zu suchen, aber es ist schwierig“, sagt Mayaz. Gegen die verordnete Isolation in Eching versucht sie zu malen, hat bereits ihr Zimmer mit Naturzeichnungen verschönert.

Manchmal fährt sie mit dem Fahrrad zu einem See in Eching. „Ich mag es, hier zu sitzen, die Schwäne anzugucken und denke, was kommt als Nächstes? Meine Ausbildung? Oder die Abschiebung nach Spanien? Oder sogar in den Libanon zurück?“

Mayaz hofft immer noch, dass sie in Deutschland bleiben kann

Mayaz hofft immer noch, dass sie in Deutschland bleiben kann

Foto: Theo Klein

Mayaz sitzt auf der Bank und guckt auf den See.

Das Risiko einer Abschiebung in den Libanon bestehe auf keinen Fall, versichert eine Sprecherin des spanischen Innenministeriums gegenüber BILD, weil der Familie in Spanien internationaler Schutz gewährt worden sei. Ob Spanien für die Familie zuständig sei, will sie jedoch nicht kommentieren.

Manchmal besucht Mayaz noch die Blumenbinderei in Furth, wo sie im September 2019 ihre Ausbildung hätte anfangen sollen. Sie berührt die Blumen oder dekoriert sie zusammen mit Inhaberin Grußie. Im Geschäft inmitten der Blumen sieht Mayaz glücklich aus.

„Ich hoffe immer noch, dass wir eine positive Entscheidung bekommen“, sagt sie.

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