Trotz Spionage-Skandal: Bundesregierung erlässt Ägypten 80 Mio. Schulden

Bundeskanzlerin Angela Merkel (65, CDU) geht vor dem Empfang des irischen Präsidenten neben dem Regierungssprecher Steffen Seibert (Archivbild)

Bundeskanzlerin Angela Merkel (65, CDU) geht vor dem Empfang des irischen Präsidenten neben dem Regierungssprecher Steffen Seibert (Archivbild)

Foto: Kay Nietfeld / dpa

Obwohl die Bundesregierung seit Dezember 2019 vom Spionage-Fall im Bundespresseamt wusste, erließ sie Ägypten erst in der vergangenen Woche Schulden in Höhe von bis zu 80 Millionen Euro.

In einem entsprechenden Antrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), der BILD vorliegt, verlangte das Ministerium eine „Schuldenumwandlung sowie Zustimmung zum Verzicht auf Forderungen aus der Finanziellen Zusammenarbeit (FZ) in einer Höhe von bis zu 80 Mio. Euro“.

Der Haushaltsausschuss des Bundestages stimmte dem Antrag am 1. Juli zu.

Opposition: Schuldenerlass belohnt das Regime

Aus der Opposition kommt im Zuge des enttarnten ägyptischen Spions scharfe Kritik an der Bundesregierung. Haushaltspolitiker Otto Fricke (54, FDP), dessen Fraktion gegen den BMZ-Antrag gestimmt hatte, verurteilt in BILD den Schuldenerlass: „Politische Stiftungen werden aus Ägypten vertrieben, deren Mitarbeiter verurteilt und nun spioniert Ägypten die Bundesregierung aus. Durch den Schuldenerlass wird das ägyptische Regime sogar noch belohnt.“

Die Bundesregierung täte gut daran, „in diesen Problemländern jeden Euro der Entwicklungszusammenarbeit mit der Durchsetzung von bürgerlichen und politischen Rechten zu verbinden.“

Bei der sogenannten „Schuldenumwandlung“ handelt es sich dem BMZ zufolge um einen „Verzicht der Bundesregierung auf Forderungen aus der bilateralen finanziellen Zusammenarbeit“. Der Schuldenerlass sei eine „entwicklungspolitische Fördermaßnahme“.

Auf BILD-Anfrage erklärte eine Sprecherin des BMZ, dass die Schuldenumwandlung Ägypten ermögliche, Mittel „in gemeinsam verabredete Entwicklungsmaßnahmen zu investieren“, die ansonsten für die Bedienung der Schulden hätten verwendet werden müssen.

„Erst wenn das Projekt erfolgreich abgeschlossen wird, wird im Gegenzug die entsprechende Schuld erlassen“, sagte eine Sprecherin des Ministeriums zu BILD. „Die Mittel werden somit zweckgebunden zur Schaffung von Arbeitsplätzen für Millionen junger Menschen in Ägypten eingesetzt.“ Es sei auch im deutschen Interesse, dass die Menschen in Ägypten eine Perspektive vor Ort erhielten. Die Projekte würden „eng kontrolliert“, eine Verwendung für andere Zwecke sei „ausgeschlossen“.

Schon der dritte Schuldenerlass für Kairo

Es handelt sich bei diesem Schuldenerlass um die dritte 80-Millionen-Tranche, die Ägypten seit 2011 von der Bundesregierung erlassen wurden. Nach der ersten sogenannten Schuldenumwandlung im Jahr 2011 erließ die Bundesregierung Ägypten erst 2019 weitere 80 Millionen Euro Schulden.

Brisante Begründung: „Nach Freisprüchen für zwei deutsche Mitarbeiter der Konrad-Adenauer-Stiftung im Dezember 2018 hat die Bundesregierung der ägyptischen Regierung auf Grundlage der Genehmigung des Haushaltsausschusses vom 15. Mai 2019 die Umwandlung weiterer 80 Mio. Euro (II. Tranche) angeboten.“

Ende 2018 wurden in Ägypten zwei Mitarbeiter der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung freigesprochen. Beide Mitarbeiter hatten Ägypten rechtzeitig verlassen und waren so einer mehrjährigen Haftstrafe entgangen. Die Adenauer-Stiftung hatte die Verurteilung ihrer Mitarbeiter als „Unrechtsurteil“ bezeichnet.

Bundesregierung plant U-Boot-Auslieferung nach Ägypten

Zusätzlich zum Schuldenerlass will die Bundesregierung auch die Auslieferung eines U-Boots des Typs 209/1400 durch ThyssenKrupp nach Ägypten genehmigen anlassen. Dies geht aus einem Schreiben von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (62, CDU) an den Vorsitzenden des Wirtschaftsausschusses Klaus Ernst (65, Linke) vom 8. Juli hervor, das BILD vorliegt.

Das Gesamtvolumen des Auftrags ist aus dem Dokument nicht ersichtlich. Neben dem U-Boot für Ägypten will die Bundesregierungen auch Rüstungsexporte nach Algerien, Brasilien, Singapur und Südkorea.

Ob die Veröffentlichung des Spionagefalls etwas an den Auslieferungsplänen ändert, wollte das Bundeswirtschaftsministerium auf BILD-Anfrage nicht beantworten: „Zu Einzelfällen äußern wir uns nicht.“

Generell entscheide die Bundesregierung bei Rüstungexporten „im Lichte der jeweiligen Situation nach sorgfältiger Prüfung unter Einbeziehung außen- und sicherheitspolitischer Erwägungen“. 2019 wurde die Ausfuhr von Rüstungsgütern im Wert von 801,8 Millionen Euro von Deutschland nach Ägypten genehmigt.

Auslands-Presse fordert „vollständige Aufklärung“

Der Verein der Auslandspresse in Deutschland (VAP) reagiert besorgt auf den am Donnerstag bekannt gewordenen Falls eines ägyptischen Spions im Bundespresseamt.

Georgios Pappas, Chef des Vereins, in dem sich ausländische Hauptstadt-Korrespondenten in Deutschland organisiert haben, sagte zu BILD: „Der Verein der Ausländischen Presse hält eine vollständige Aufklärung des Spionagefalls im Bundespresseamt für dringend geboten, umso mehr, weil das Bundespresseamt verantwortlich für die Akkreditierung der ausländischen Korrespondenten in Deutschland ist.“

Pappas, Korrespondent des griechischen Staatssenders ERT in Berlin, weiter: „Mehr als 400 Berufsjournalisten aus rund 60 Staaten sind Mitglieder des VAP. Der Schutz von Journalisten hat für den VAP hohe Priorität.“

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