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Proteste in den USA "Trump setzt auf das Faustrecht. Wer einen Bürgerkrieg anzetteln will, muss genau das tun"

Nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd beherrschen Gewalt und Proteste die USA. In mehreren Großstädten kam und kommt es zu teils schweren Auseinandersetzungen – und Entspannung ist nicht in Sicht. Eine explosive Lage, wie auch die Presse kommentiert.

Weiter Proteste und Gewalt in den USA: Nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd infolge eines brutalen Polizeieinsatzes in Minneapolis kommen die Vereinigten Staaten nicht zur Ruhe. Seit Tagen kommt es in mehreren Großstädten neben friedlichen Aufmärschen von Demonstranten zu teils schweren Auseinandersetzungen, Geschäfte wurden geplündert, Autos und Geschäfte brannten. Der Fernsehsender CNN berichtete, seit Beginn der Ausschreitungen seien landesweit etwa 4000 Menschen bei Protesten festgenommen worden. Mindestens 40 Städte haben nächtliche Ausgangssperren verhängt. Davon betroffen sind etwa zehn Millionen Menschen. Mehrere Bundesstaaten haben angesichts der Proteste die Nationalgarde mobilisiert.

US-Präsident Donald Trump macht linksradikale Gruppen für die Ausschreitungen verantwortlich, ohne dafür Belege zu nennen – und dürfte so vielerorts nur weiter Öl ins Feuer gießen. Zugleich rief er demokratische Bürgermeister und Gouverneure mehrfach zu einem schärferen Durchgreifen auf. In der vergangenen Nacht drohte er zudem damit, das Militär gegen die Demonstrationen einzusetzen.

Eine angespannte Lage, die auch von nationalen wie internationalen Medien mit Sorge betrachtet wird.

Pressestimmen zu den Protesten und Ausschreitungen in den USA

Deutschland

"Süddeutsche Zeitung": "Wenn das Land in Flammen steht, sollte der Präsident vermitteln und einen. Barack Obama versuchte dies während der Unruhen 2014 in Missouri. Sein Nachfolger Trump aber will das nicht und kann es auch nicht. Er versagt in dieser Krise so, wie er schon in der Corona-Krise versagt hat, unfähig, seine Landsleute zu schützen und zu beruhigen. Trump hat sein Leben lang mit rassistischen Klischees Stimmung gemacht, auch gegen Obama. Zuletzt hat er den Demonstranten mit "bösartigen Hunden" gedroht. In Alabama erinnert ein Denkmal daran, wie die Polizei 1963 Hunde auf friedliche schwarze Demonstranten hetzte. Das sagt alles über einen Staatschef, der in permanenter Konfrontation den Weg zum Erfolg sieht. Wir gegen die - so schien auch der sadistische Polizist in Minneapolis zu denken."

USA: Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt
Drei Frauen legen sich vor Polizisten neben einem Fahrzeug auf die Straße. Es sind solche Bilder, die viele veranlassen, die Verhältnismäßigkeit der derzeitigen Maßnahmen der US-Polizei zu kritisieren
© John Minchillo / AP / DPA

"Neue Osnabrücker Zeitung": "Der strukturelle Rassismus prägt alle Bereiche der amerikanischen Gesellschaft. In Minneapolis war George Floyd das jüngste, aber mit Sicherheit nicht das letzte Opfer von Polizeigewalt gegen Schwarze. In dieser wohlhabenden Stadt verdienen weiße Bürger im Schnitt dreimal so viel wie ihre farbigen Mitbürger. Das Coronavirus trifft US-weit dagegen überproportional häufiger die schwarze Bevölkerung, sowohl bei den Todesopfern als auch bei den wirtschaftlichen Folgen wie Jobverlust oder Pleite. Und der Präsident? Befeuert die Spaltung der Gesellschaft. Und schreibt die Schuld für die derzeitigen Unruhen allein linken Antifaschisten zu, wie üblich ohne Beweis. Dieser von ganz oben kalkuliert geschürte Rassismus führt dann zu Bildern, die wie kurz vor dem Bürgerkrieg wirken."

"Badische Zeitung": "Kurz und floskelhaft war Trumps Bedauern über den brutalen Tod des George Floyd, umso mehr empört ihn die Gewalt wütender Demonstranten. Natürlich muss der Staat eingreifen, wenn Autos und Geschäfte brennen. Der Satz aber, "Wenn das Plündern beginnt, beginnt das Schießen", würde auch dann nichts zur Beruhigung der Lage beitragen, wenn er nicht wörtlich von einem der übelsten Verfechter der Rassentrennung in der Ära der Bürgerrechtskämpfe stammen würde. Trump flirtet wieder mal mit rassistischem Gedankengut. Und er tut, was er immer tut: Feinde suchen, das Land spalten, Konflikte anheizen. So beendet man keine Gewalt, so eskaliert sie."

"Rheinpfalz": "Trump setzt mit kühlem Kalkül auf drakonische Härte. Er setzt auf die rhetorische Zuspitzung, um sich als Garant von "Law and Order" zu inszenieren. Offenbar spekuliert er darauf, dass sich wiederholt, was 1968 geschah. Nach den tödlichen Schüssen auf Martin Luther King, Prediger des gewaltlosen Widerstands, gingen in 34 amerikanischen Städten Geschäfte in Flammen auf. Und im November wurde der Republikaner Richard Nixon, der Vertreter der harten Linie, zum Präsidenten gewählt."

"Rhein-Neckar-Zeitung": "Man stelle sich vor, zwei Schwarze hätten in Georgia einen Weißen "festgenommen" und ihn dann - da unkooperativ - erschossen. Oder vier schwarze Polizisten hätten einen Weißen in Minneapolis erstickt. Trumps Vorgänger, Barack Obama, vergoss mehr als einmal im Amt Tränen, weil er der gewalttätigen Hybris weißer Männer nicht Herr wurde. Weil auch die Wahl eines dunkelhäutigen US-Präsidenten nichts daran änderte, dass im "freiesten Land der Welt" die Hautfarbe noch mehr darüber entscheidet, als alles andere, wie und ob einer lebt."

"Neues Deutschland": "Nachdem der Schwarze George Floyd vor laufender Handykamera von einem Polizisten ermordet worden ist, gehen in immer mehr US-Städten Menschen gegen rassistische Übergriffe auf die Straße. Dass die Proteste keine besinnlichen Menschenketten mit Liedern und Kerzen sind, ist nach der Vorgeschichte kein Wunder. Die Polizei antwortet erneut mit Gewalt und wird von Donald Trump noch angestachelt. Seine Drohung, das Militär einzusetzen, wenn die Polizei die Lage nicht in den Griff bekommt, hat mit Vernunft oder einem demokratischen Grundverständnis nichts zu tun, sondern würde einem Autokraten gut zu Gesicht stehen. Er sucht keine Lösung des Konflikts, sondern setzt auf das Faustrecht. Wer einen Bürgerkrieg anzetteln will, muss genau das tun."

Mineapolis: Aufmarsch der Polizei

Anwohnerin filmt Aufmarsch der Polizei – dann fallen Schüsse

02:09 min

Großbritannien

"The Observer": "Während Bürgermeister von Minneapolis bis Atlanta und Portland um die Aufrechterhaltung der Ordnung kämpfen und zurecht jene beschämen, die Floyds Tragödie benutzen, um sich in Diebstahl und Brandstiftung zu ergehen, war Donald Trump hauptsächlich daran interessiert, seiner zumeist weißen Anhängerschaft als starker Mann zu erscheinen. Die Wählerstimmen der Schwarzen kann er im November vergessen. Viele andere Wählergruppen, darunter die Latinos und die Asiaten, könnten sich ebenfalls vor den Kopf gestoßen fühlen. Die Demonstranten, von denen sich die meisten rechtsgemäß verhielten, kamen aus einem weiten rassischen und ethnischen Spektrum, unter ihnen auch Weiße. Dies war ein multirassischer Protest, der das Beste in Amerika gegenüber dem repräsentierte, was im Effekt ein neuzeitlicher Lynchmord war. (...) Die Proteste werden irgendwann nachlassen. Doch Ungerechtigkeit, Borniertheit und gesellschaftliche Malaise werden erst verschwinden, wenn alle Amerikaner das wollen."

"The Times": "Der demokratische Präsidentschaftsanwärter Joe Biden ist zwar traditionell populär bei schwarzen Wählern, aber während der Corona-Krise fiel es ihm schwer, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Am Samstag sagte er, es sei zwar richtig gegen Polizeibrutalität zu protestieren, aber falsch, Nachbarschaften niederzubrennen und sinnlose Zerstörungen anzurichten. Er will einerseits anerkennen, dass die Beschwerden vieler Demonstranten aufrichtig sind. Aber Biden wird sich auch davor hüten, mit gewalttätigen Ausschreitungen in Verbindung gebracht zu werden, was seiner Kandidatur bei Trumps eher moderaten Unterstützern schaden könnte. Doch ein langer, schwieriger Sommer hat gerade erst begonnen und letzten Endes ist es der Präsident, der die richtigen Worte finden muss, um die Gemüter zu beruhigen. Das aber müsste er zunächst mal auch wollen."

"Financial Times": "Donald Trump ist nicht schuld an den Straßenunruhen oder an den Ereignissen, die dazu geführt haben. Die amerikanische Politik war schon vor schon vor seiner Zeit leicht entflammbar. Die Probleme, um die es hier geht - Rasse und das Verhalten der Polizei - werden ihn überdauern. Jedoch beeinflusst ein Präsident die nationale Stimmungslage mit seiner Rhetorik viel stärker als andere. Das gilt erst recht in angespannten Situationen. Und Trumps jüngste Interventionen waren aufwieglerisch. (...) Niemand in der Welt verfügt über ein Podium, das an jenes des US-Präsidenten heranreicht. Wenn er es missbraucht, müssen einfache Amerikaner mit den Folgen fertig werden."

Österreich

"Der Standard": "Notwendig war damals und ist auch heute: Das Eingeständnis, dass es sich um systemischen, strukturellen Rassismus handelt, der auch in Polizeibehörden grassiert und vor allem dort schlimmste, lebensbedrohliche Folgen für Schwarze haben kann. Doch US-Präsident Donald Trump hat erst Gewalt gegen die Demonstrierenden angeheizt, indem er 'Wenn das Plündern beginnt, beginnt das Schießen' twitterte, um dann zu relativieren und die Tat zu individualisieren. So bleiben die zwei Amerikas, von denen Martin Luther King in seiner Rede sprach, auch 53 Jahre später aufrecht."

Schweiz

"Neue Zürcher Zeitung": "Eine doppelte und dreifache Tragödie manifestiert sich also derzeit im Land: rassistische Polizeigewalt gegen Schwarze, die Anfälligkeit der Schwarzen für Covid-19 und eine Wirtschaftskrise, welche die Minderheiten am stärksten trifft. All dies hängt zusammen: Wirtschaftliche Benachteiligung führt zu einem ungleichen Zugang zum Gesundheitswesen, was Gesundheitsprobleme chronisch werden lässt und die Anfälligkeit für die Lungenkrankheit erhöht. Kein Wunder, macht sich Frustration breit. Und schön, dass es noch ein bisschen Solidarität im Land gibt, wenn schon aus Washington und vom Weissen Haus null Mitgefühl zu vernehmen ist."

Italien

"La Stampa": "In der globalen Unordnung zur Zeit Covids fehlte nur eines: ein Feuer rassistisch motivierter Gewalt, das im Herzen der größten Demokratie des Planeten brennt. (...) Es sind Szenen, die wir schon zu oft gesehen haben. Selbst zu Barack Obamas Zeiten, nach der "Hinrichtung" des 17-jährigen Trayvon Martin im Februar 2012. Es ist die Lektion, die wir seit den 1960er Jahren mit uns herumtragen. Gewaltlosigkeit zahlt sich aus, Gewalt nicht. (...) Dieses Mal gibt es im Vergleich zur Vergangenheit einen Unterschied, der das Szenario radikal verändert. Donald Trump beobachtet die Unruhen aus den Fenstern und gießt Öl in das Große Amerikanische Feuer. (...) Er lässt die Hunde los, die für die schwarze Gemeinschaft schreckliche Gespenster heraufbeschwören."

mod DPA AFP

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