Wegen anhaltender Ausschreitungen nach dem Tod eines Schwarzen in Polizeigewahrsam hat Minnesotas Gouverneur Tim Walz die Nationalgarde mobilisiert. Damit reagierte er am Donnerstag auf Unruhen und Plünderungen, die mit St. Paul auch die Hauptstadt des US-Staates erfasst haben. Wie viele Nationalgardisten zum Einsatz kommen sollen und wann, ging aus der Anordnung nicht hervor.
Ganze Straßenzüge in Minneapolis – dem Schauplatz der brutalen Festnahme des Afroamerikaners George Floyd – glichen am Donnerstag (Ortszeit) einem Schlachtfeld. Laut US-Medienberichten setzten Demonstranten dabei auch ein Polizeirevier in Brand.
Die Polizeistation sei evakuiert worden, berichtete der Sender CBS Minnesota unter Berufung auf eine Polizeimitteilung. „Demonstranten sind gewaltsam in das Gebäude eingedrungen und haben mehrere Brände entzündet“, zitierte der Sender weiter aus der Mitteilung. Auch in Denver kam es Medienberichten zufolge zu Protesten. Örtliche Medien berichteten dort über Schüsse. Laut Polizei wurden zunächst keine Verletzten gemeldet.
Bei den Unruhen wurde am Freitagmorgen (Ortszeit) ein Team des Fernsehsenders CNN verhaftet. CNN-Reporter Omar Jiminez wurden während einer Live-Schaltung Handschellen angelegt, dann wurde er abgeführt. CNN sprach auf Twitter von einer „klaren Verletzung“ des Pressefreiheit garantierenden Ersten Zusatzartikels der US-Verfassung und forderte die sofortige Freilassung seiner Mitarbeiter. Mittlerweile ist Jimenez wieder frei.
Am Abend gab es eine weitere Protestkundgebung im Zentrum der Großstadt, die nach Angaben des Sheriffs von Hennepin County zunächst friedlich verlief.
Seit Dienstag war es in Minneapolis zu nächtlichen Ausschreitungen gekommen. Auslöser ist der Tod Floyds, den Polizisten am Montag nach einem Notruf wegen eines mutmaßlichen Zahlungsversuchs mit einem gefälschten Geldschein vor einem Supermarkt festgenommen hatten.
„Ich kann nicht atmen“
Auf einem vielfach im Internet geteilten Handyvideo einer Passantin ist zu sehen, wie ein weißer Polizist fast acht Minuten lang sein Knie auf Floyds Hals drückt. Immer wieder stöhnt der gefesselt am Boden liegende Mann, dass er nicht atmen könne und Schmerzen habe. Lautstarke Protestrufe von Schaulustigen über das Vorgehen ignorieren die beteiligten Beamten. Irgendwann wird Floyd bewusstlos und von Sanitätern in eine Klinik gebracht, wo er später stirbt. Er wurde 46 Jahre alt.
Die Polizei hatte zunächst mitgeteilt, dass Floyd sich der Festnahme widersetzt habe. Als ihm Handschellen angelegt worden seien, hätten die Beamten bemerkt, dass er in einer medizinischen Notlage zu sein schien. Nach dem öffentlichen Aufschrei über die Szenen von Floyds Festnahme wurden der Beamte und seine drei beteiligten Kollegen gefeuert. Die Polizei von Minneapolis leitete eine interne Untersuchung ein, und Bürgermeister Jacob Frey forderte ein Strafverfahren gegen den Polizisten.
Inzwischen ermittelt auch das FBI wegen einer möglichen Verletzung der Bürgerrechte Floyds. Aktivisten sprachen von einem neuerlichen Beispiel für anhaltende Polizeigewalt gegen schwarze Männer.
Mann mit Schusswunde gefunden
Die Proteste in Minneapolis nach dem Tod Floyds eskalierten in der Nacht zum Donnerstag. Protestierende lieferten sich Straßenschlachten mit Sicherheitskräften, die Gummigeschosse und Tränengas abfeuerten. Feuer loderten. Inmitten der Gewalt fanden Beamte in der Nähe eines Pfandleihhauses einen Mann mit einer Schusswunde vor. Er wurde später in einer Klinik für tot erklärt, wie Polizeisprecher John Elder mitteilte. Er schloss nicht aus, dass der Mann vom Ladenbesitzer erschossen worden sein könnte.
Am frühen Morgen stieg Rauch aus Gebäuden im Viertel Longfellow auf. In einer Einkaufsstraße gegenüber einer Polizeiwache waren Fenster von fast jedem Geschäft zertrümmert worden. Ein Schnellrestaurant wurde bis auf die Grundmauern niedergebrannt.
Zur Mittagszeit griffen die Unruhen dann auf ein Warenhaus in St. Paul über, das mit Minneapolis die Metropolregion Twin Cities bildet. Laut Polizei rannten 50 bis 60 Personen in den Laden, um zu plündern. Streifenwagen blockierten zwar später den Eingang, doch verlagerte sich das Brandschatzen auf Geschäfte entlang der University Avenue, eines der größten Einkaufsviertel von St. Paul, sowie andere Orte. Bis zum frühen Abend waren die Schaufenster von mehr als einem Dutzend Läden eingeschlagen worden, die Feuerwehr rückte wegen mehrerer kleiner Brände aus. Ein Sprecher der Stadt, Steve Linders, sagte, Behörden hätten es mit Ausschreitungen in fast 20 Gegenden zu tun.
Bürgermeister Carter: „Bitte bleibt zu Hause“
Der Bürgermeister von St. Paul, Melvin Carter, appellierte an die Bürger. „Bitte bleibt zu Hause. Bitte kommt nicht hierher, um zu protestieren. Bitte fokussiert euch weiter auf George Floyd und darauf, unsere Bewegung voranzutreiben und zu verhindern, dass das jemals wieder passiert. Wir können alle zusammen in diesem Kampf sein“, schrieb er auf Twitter.
Gouverneur Walz drang als Konsequenz aus Floyds Tod auf tief greifende Veränderungen. Es gelte nun, die Stadt, das Justizsystem und die Beziehung zwischen Polizei und jenen, mit deren Schutz sie betraut sei, wieder aufzubauen, mahnte er.
In Washington schaltete sich auch Präsident Donald Trump ein. Der Fall bedrücke ihn sehr, sagte er zu den Bildern von Floyds Festnahme. „Das ist ein sehr schockierender Anblick.“ Er fordere Gerechtigkeit für Floyd. Dann jedoch wandte er sich am Freitagmorgen gegen die Demonstranten: „Wenn die Plünderung beginnt, beginnt das Schießen“, drohte Trump bei Twitter. „Ich habe gerade mit Gouverneur Tim Walz gesprochen und ihm gesagt, dass das Militär komplett hinter ihm steht.“
„Diese Schlägertypen entehren das Andenken an George Floyd, und das werde ich nicht zulassen“, schrieb Trump, der dem Bürgermeister der Stadt „völlige Führungslosigkeit“ vorwarf.