Ausflüge ins Voralpenland:"Es droht ein Kollaps, ein Fiasko"

Ausflüge ins Voralpenland: Der Walchensee zählt seit Jahren zu den touristischen Hotspots.

Der Walchensee zählt seit Jahren zu den touristischen Hotspots.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Staus, kaum Abstand in Touristenorten und empörte Anwohner: Seit den Corona-Lockerungen beklagen Bürgermeister im Alpenraum den Ansturm von Ausflugsgästen. Doch das alles könnte nur ein Vorgeschmack gewesen sein.

Von Benjamin Engel

Warmes Frühlingswetter am Wochenende treibt die Ausflügler in die Berge rund um den Walchensee. Das ist für die Anwohner kaum noch neu. Doch so viel wie am vergangenen Sonntag hat es noch kaum einer von ihnen je so früh im Jahr erlebt. Dicht an dicht standen die Autos auf den Wanderparkplätzen um die Passhöhe am Kesselberg. Viele stellten ihre Fahrzeuge in Wiesen am Straßenrand oder direkt ins Halteverbot. Hinausgetrieben hat die Ausflügler wohl besonders, dass der Freistaat die Ausgangsbeschränkungen während der Corona-Pandemie jüngst gelockert hat.

Wie sich viele Ausflügler verhalten, ist für den Urfelder Zeno Öttl vollkommen unverständlich. "Es gibt keine Rücksicht, das ist unvorstellbar", beklagt sich der 72-Jährige, der mit seiner Frau direkt an den Straßenkehren nach der Passhöhe hinunter zum Walchensee wohnt. "Das ist der Horror." Selbst im Landschaftsschutzgebiet am Walchensee sei alles zugeparkt worden. Am Straßenrand abgestellte Autos hätten das Vorbeifahren erschwert. Am Straßenverkauf beim Kiosk hätten sich lange Schlangen gebildet. Viele hätten keinen Mund-Nasen-Schutz getragen und auch kaum Abstand gehalten.

Zudem ärgert sich Öttl über die unzähligen Motorradfahrer, die den Kesselberg auf- und abbrausten. "Die Polizei ist machtlos, hat zu wenig Leute." Um das zu ändern, fordert er mehr dauerhafte Polizeipräsenz über den ganzen Tag oder stationäre Radaranlagen.

Noch Ende März hatte der Kochler Bürgermeister Thomas Holz (CSU) sogar für eine Ausflugssperre plädiert. Damit hätten sich Bürger nur noch innerhalb des eigenen Landkreises bewegen dürfen. Das hatten zuerst Bürgermeister aus dem Tegernseer Tal vorgebracht, waren dafür aber stark kritisiert worden. Doch auch mehrere Bürgermeister aus der Tölzer Region hatten sich dem Vorschlag Holzs angeschlossen. Von einer Ausflugssperre spricht der Kochler Bürgermeister inzwischen nicht mehr. "Wir sind eine touristische Gemeinde und freuen uns auf Touristen", sagt er. Doch einen so überlaufenen Maisonntag wie den vergangenen habe er in mehr als vier Jahrzehnten noch nie erlebt, erklärt er. "Von der Hölle zu reden, wäre vielleicht ein bisschen übertrieben, aber ich bin sprachlos."

Empörte Bürger haben sich auch bei Holz gemeldet. Für ihn gehört es sich einfach, die Regeln einzuhalten. Rettungswege zuzuparken und zu blockieren, könne er nicht verstehen. Der vergangene Sonntag, so fürchtet Holz, könnte nur ein Vorgeschmack auf den kommenden Sommer gewesen sein. "Es droht ein Kollaps, ein Fiasko." Schon jetzt seien "alle Dämme gebrochen", obwohl Biergärten oder die Herzogstandbahn noch nicht einmal offen hatten. Wenn sich viele Deutsche für einen Urlaub im eigenen Land entschieden, könne der Erholungsdruck auf den Süden Bayerns mit dem Walchensee oder dem Starnberger See umso mehr steigen. "Wir müssen zum Schutz der Bürger handeln."

Daher hat der Kochler Bürgermeister noch vor Pfingsten ein Treffen im bayerischen Innenministerium vereinbart. Er fordert zusätzliche Polizeikräfte für Kontrollen. Die Kochler Dienststelle allein könne diese Aufgabe nicht stemmen. Holz will zudem mehr Überwachungsstunden beim Kommunalen Zweckverband beantragen, um Parkverstöße besser ahnden zu können. Gemeinsam mit dem Tölzer Landratsamt wolle er ein neues Beschilderungskonzept für Park- und Halteverbote entwickeln. Eine Patentlösung aber er derzeit aber auch nicht, räumt Holz ein.

Etwa eine Stunde standen Autofahrer am vergangenen Sonntag über den Kesselberg auf der Rückfahrt vom Walchen- zum Kochelsee im Stau. Das lasse sich kaum verhindern, sagt der Tölzer Polizeichef Johannes Kufner. Die Einsatzkräfte versuchten ihr Möglichstes, die Ausflügler abhalten könnten sie nicht. Das Bedürfnis, sich in der Natur zu bewegen, wachse. Die Anwohner verstehe er. Aber die Situation gleiche sich entlang des bayerischen Alpenraums. Die Tölzer Polizei könne sich nicht allein auf den Ausflugsverkehr konzentrieren. Schließlich gelte es noch viele weitere Aufgaben zu bewältigen, etwa die Versammlungen mit Protesten zu den Regelungen während der Corona-Pandemie.

Unterwegs sein wird auch die alpine Einsatzgruppe der Polizei. Überall postieren könnten sich deren Mitglieder aber nicht, sagt Stefan Sonntag. Viele Parkplätze seien vergangenes Wochenende überfüllt gewesen. Aber auf den Wanderwegen hätten sich die Freizeitsportler gut verteilt. Das "A und O" sei es, die Abstandsregelungen einzuhalten. Letztlich seien auch in erster Linie die Hüttenwirte für alle Hygieneregeln selbst verantwortlich, wenn sie jetzt aufsperrten.

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