Welche Lockerungen gibt es in anderen europäischen Ländern, wie reagiert die Bevölkerung und wie sieht die auch im Ausland sogenannte neue Realität in Großbritannien, Spanien, Norwegen, Österreich und Polen aus?

ZEIT-ONLINE-Korrespondenten aus fünf Ländern berichten.

Großbritannien: Die Zeit der strengen Isolation ist vorbei

Die Briten müssen sich noch gedulden. Für eine komplette Aufhebung der Ausgangssperre ist es noch zu früh. Obwohl Premierminister Boris Johnson am 23. März den Lockdown verkündete, hat Großbritannien mit mehr als  33.000 Toten die höchste Zahl der Opfer in Europa. Gemessen an der Übersterblichkeit liegt die Zahl sogar bei 50.000 Toten. Übersterblichkeit bezeichnet eine erhöhte Zahl von Sterbefällen während einer bestimmten Zeitspanne.  

Großbritannien zögerte mit der Ausgangssperre und brauchte dann zu lange, um die Testkapazitäten auszuweiten. Die Behörden können daher die Infektionsherde nicht so gut eingrenzen. Boris Johnson verkündete deshalb vor einer Woche nur einen vorsichtigen Stufenplan zu Lockerung. Da Gesundheitspolitik Sache der Landesregierungen in Wales, Schottland und Nordirland ist, beziehen sich die neuen Vorschriften nur auf England.

Dort ist die Zeit der strengen Isolation vorbei. Wer nicht von zu Hause arbeiten kann, sollte diese Woche bereits wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehren. Das betraf vor allem die Belegschaft in der verarbeitenden Industrie und Menschen im Baugewerbe. Das Problem: Im Nahverkehr ist es kaum möglich, Abstand zu wahren. Deshalb empfiehlt die Regierung, in Bussen und Zügen Mundschutz zu tragen, am besten sogar mit dem Auto, Fahrrad oder Motorrad zur Arbeit zu fahren.

Jeder, der im Homeoffice arbeiten kann, wird auch weiter mit den Kindern im Hintergrund am Computer sitzen. Erst ab Juni beginnt die Schule wieder. Dann darf auch der Einzelhandel wieder öffnen. Es wird Mundschutz empfohlen. Bis Juni haben weiterhin nur Lebensmittelgeschäfte, Apotheken und Gartenzentren geöffnet.

Immerhin: Man darf wieder Freunde treffen, allerdings nur im Freien und nur jeweils eine Person. Je nachdem, welche Auswirkungen diese ersten Maßnahmen auf die Infektionsrate haben werden, dürfen ab dem 4. Juli dann auch Restaurants, Kneipen, Kinos und Friseurgeschäfte wieder öffnen sowie Kirchen und Moscheen.

Sportveranstaltungen allerdings können nur ohne Publikum stattfinden.

Unklar ist derzeit noch, ob die Regierung ihren Plan umsetzt, eine Quarantäne von 14 Tagen für Flugreisende anzuordnen. Eine solche Quarantäneregelung soll aber zumindest nicht für Menschen gelten, die mit dem Eurostar oder der Fähre aus dem Ausland nach Großbritannien kommen.

Polen: Szenen wie im Kommunismus

"Stój – Halt!": Wer sich der deutsch-polnischen Grenze am falschen Ort nähert, muss im Mai 2020 mit scharfer Zurückweisung rechnen, wie in einer längst vergangen geglaubten Vor-Schengen-Zeit. Aber auch wer es an einem der 16 zugelassenen Übergänge versucht, hat als Nichtpole kaum eine Chance zur Einreise, solange er nicht am Warenverkehr beteiligt ist. Polnische Bürgerinnen und Bürger, die in ihre Heimat zurückkehren, müssen für 14 Tage in Quarantäne. Ausnahmeregelungen gelten seit Anfang Mai für Pendlerinnen und Pendler.

Eine weitere Besserung ist vorerst nicht in Sicht. Die Regierung in Warschau hat das strenge Kontrollregime soeben bis zum 12. Juni hat verlängert. Das gefällt nicht allen. "Diese Regierung schließt uns wieder ein", sagt etwa Basil Kerski, Leiter des Europäischen Solidarność-Zentrums in Danzig, und erinnert an die Beschränkungen der Reisefreiheit in kommunistischer Zeit.

Tatsächlich waren die Anti-Corona-Maßnahmen in Polen von Anfang an deutlich strenger als in Deutschland, obwohl die Zahlen der Infizierten und der Covid-19-Toten sehr viel niedriger waren und sind (aktuell 17.469 Infizierte, 869 Todesfälle).

Grenzkontrollen, Schul- und Kitaschließungen, Kontaktverbote, Maskenpflicht: In allen Bereichen war Polen früher dran als Deutschland und agierte schärfer. Selbst Spaziergänge in Wäldern und Parks waren anfangs tabu. Entsprechend länger lassen nun auch die Lockerungen auf sich warten. Den Anfang machten vorige Woche Einkaufszentren und ausgewählte Kultureinrichtungen, meist Museen. In der kommenden Woche sollen Frisöre, Kosmetiksalons und Teile der Gastronomie wieder Kundinnen und Kunden bedienen dürfen, allerdings unter strengen Auflagen.

Erste Schulöffnungen für die Klassen eins bis drei sind für den 25. Mai geplant. Viele Kommentatoren in Warschau zeigten sich anfangs von ihren eigenen Landsleuten überrascht. Die freiheitsliebenden Polen, denen gelegentlich ein Hang zur Anarchie nachgesagt wird, trugen lange alle Einschränkungen diszipliniert mit. Proteste gab es zunächst nur an der deutsch-polnischen Grenze, wo sich vor allem Berufspendelnde über die strengen Regeln empörten. In Warschau gingen zuletzt allerdings auch viele Selbstständige und Menschen mit einem Kleinunternehmen auf die Straße – und streikten wie zu Zeiten der Solidarność