Sie präsentieren sich in Petticoats und High Heels wie aus Hausfrauenwerbungen der Fünfzigerjahre, halten Selbstgebackenes in die Kamera, geben Tipps für ein gelingendes Eheleben und vertreten ihr Recht, als sogenannte Tradwives zu leben. Tradwife, das ist die Kurzform von traditional wife, also "traditionelle Ehefrau". Das Phänomen – oder wenigstens der Hashtag in den sozialen Medien – macht derzeit die Runde. Klassische Medien fragen sich irritiert, was diese Selbstdarstellung bedeuten soll. Haben wir es mit einer neuen antifeministischen Welle zu tun? Gar mit einer rechtsradikalen Subkultur?

Nun gehören einige der begeisterten Hausfrauen in den USA tatsächlich dem Spektrum der White Supremacists an und lassen nicht nur hausfrauliche Tugenden hochleben, sondern propagieren auch die Produktion von möglichst vielen weißen Babys. Das hat Annie Kelly in der New York Times schon 2018 beschrieben – lange bevor das mediale Interesse in den USA und Großbritannien sich derart intensivierte, dass es mittlerweile auch auf deutschsprachige Medien übergesprungen ist. Auf den explizit rassistischen Kontext ist das Phänomen allerdings nicht beschränkt, und viele gerade der britischen Protagonistinnen – allen voran die medial sehr präsente Alena Kate Pettitt – versichern immer wieder, dass ihnen jedes rechtsextreme Gedankengut fremd sei.

Catherine Newmark lebt in Berlin und arbeitet als Kulturjournalistin mit Schwerpunkt Film, Philosophie und Geisteswissenschaften. Sie ist Autorin und Redakteurin bei Deutschlandradio Kultur und beim "Philosophie Magazin" sowie Mitglied der Redaktion von "10 nach 8". © ZEIT ONLINE

Zweifelsohne gibt es ideologische Schnittstellen zum Rechtsradikalismus. Schließlich ist es eines der konstantesten Merkmale jeder rechtsextremen Ideologie, von den US-amerikanischen Rassisten bis zur Höcke-AfD, dass sie ein reaktionäres Geschlechterbild vertritt. Auch bei jenen Tradwives, die sich mit einer bloß ästhetischen Fetischisierung der Fünfzigerjahre zufriedengeben, kann man sich fragen, welche umliegende Welt sie sich dazu denken. Auch was sich die politisch eher harmlose Alena Kate Pettitt vorstellt, klingt dann doch weitgehend ähnlich wie das, was sich die Brexiteers zusammenfantasiert haben: eine Welt, in der Großbritannien noch groß war, man seine Nachbarn noch kannte und die Haustür nicht abschließen musste. Aber so wenig politisch hilfreich Nostalgie auch sein mag: Per se rechtsradikal ist sie noch nicht. Die Tradwives nur als Produkt der rechtsideologischen Nische anzusehen trifft die Sache nicht ganz und würde vor allem eine ganze Reihe anderer interessanter Aspekte vernachlässigen.

Da wäre zunächst die Tatsache, dass die Inszenierungen heiler Häuslichkeit anscheinend aktuell einen Nerv treffen. Die Tradwives spielen auf einer Sehnsuchtsklaviatur, die auch ich nachvollziehen kann. Nicht, weil ich Petticoats besonders attraktiv finde oder die Idee, nach einem anstrengenden Hausarbeitstag adrett geschminkt und aufgebrezelt auf einen Ehemann zu warten, den ich dann nach effizientem Zubettbringen der artigen Kinder noch schnell sexuell befriedige. Dieser Zug ist spätestens seit den Siebzigern abgefahren: Die depressive Dynamik der Fünfzigerjahre-Vorort-Hausfrau ist in der feministischen Literatur seit mehr als einem halben Jahrhundert hinlänglich beschrieben und von Julianne Moore in verschiedenen Filmen eindrücklich nachgespielt worden (Far from Heaven, The Hours). Aber die Tatsache, dass unsere Haushalte eben nicht mehr so hübsch häuslich sind wie diejenigen unserer Mütter und Großmütter, treibt doch nicht wenige Frauen meiner Generation um. Die in meinem Umfeld gut zu beobachtende "Retraditionalisierung" der Geschlechterrollen spätestens nach dem Eintreffen von Nachwuchs ist nicht nur dem Gender-Pay-Gap geschuldet, sondern auch einem diffus bis heute nachklingenden Ideal vom schönen und gepflegten Haushalt, inklusive des gesunden Selbstgekochten, zu dem heute vielen die Zeit fehlt.

Tradwives lösen den Konflikt zwischen Häuslichkeit und Erwerbsarbeit durch den Verzicht auf Letztere. Dabei scheinen sie alles andere als depressiv zu sein. Davor schützt sie schon die Tatsache, dass sie das Hausfrauendasein als freie und individuelle Wahl auffassen. Den Protagonistinnen zufolge liegt darin nichts Antifeministisches, sondern sie bedienen sich gerade der vom Feminismus etablierten Möglichkeit der Selbstbestimmung. Wofür sie dem eigenen Verständnis nach öffentlich eintreten, ist die gesellschaftliche Anerkennung auch dieser Wahl.

Was viele Tradwives offensichtlich umtreibt, ist das unbehagliche Gefühl, man müsse sich heutzutage rechtfertigen, wenn man sich, und sei es nur für eine begrenzte Zeit, gegen Erwerbs- und für Familienarbeit entscheidet. Und ganz falsch liegen sie mit dieser Wahrnehmung ja nicht: Wie auch immer suboptimal die Dinge in der Realität umgesetzt werden, das gesellschaftliche Ideal der Hausfrauenehe ist längst ersetzt worden durch das Ideal der gleichberechtigten Partnerschaft. Dass jenes regelmäßig in Überforderung mündet, nicht zuletzt, weil die Eingemeindung von Frauen in einen strukturell nicht mit Familienarbeit vereinbaren Arbeitsmarkt zu einer Doppelbelastung führt, ist allerdings auch eine Tatsache. Die Mehrheit von uns scheitert tagtäglich an der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, weil Kitaplätze, so notwendig sie auch sind, eben nur einen kleinen Teil des Problems lösen.