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Meinung US-Wahlkampf

Sanders ist ein linker Trump

Chefkorrespondent Außenpolitik
US-Demokraten liefern sich Schlagabtausch

Bernie Sanders liegt im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der US-Demokraten gegen Amtsinhaber Donald Trump vorne. Bei einer TV-Debatte wurde er nun von seinen Mitbewerbern scharf angegriffen.

Quelle: WELT/ Steffen Schwarzkopf

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Bernie Sanders hat gute Chancen, Präsidentschaftskandidat der US-Demokraten zu werden. Dabei ist der wütende 78-jährige Senator dem Mann im Weißen Haus ähnlicher, als viele glauben. Das gilt auch für das Weltbild seiner Anhänger.

Die Demokraten in den USA haben in diesem Jahr eigentlich nur eine Aufgabe, die zentral ist für die amerikanische Demokratie: die Wiederwahl Donald Trumps zu verhindern. Um zu vermeiden, dass er der institutionellen Ordnung in den USA noch größeren Schaden zufügt und seine autoritären Neigungen vollends ausleben kann.

Und um zu verhindern, dass mit Trump die Führungsrolle Amerikas in der Welt noch weiter erodiert und in den kommenden Jahren vielleicht gar das westliche Bündnis als Ganzes infrage gestellt wird.

Doch die Mission der Demokraten droht im Moment zu scheitern. Ein deutlicher Linksrutsch hat dazu geführt, dass Bernie Sanders in den Vorwahlen vorn liegt und tatsächlich Chancen hat, von der demokratischen Partei zum Präsidentschaftskandidaten gekürt zu werden.

Das liegt daran, dass sich eine Reihe von moderaten Kandidaten untereinander die Wähler streitig machen und sich bisher keiner deutlich durchsetzen konnte als Vertreter des gemäßigten Lagers.

Dazu kommt, dass Sanders über eine effektive Wahlkampforganisation und gut gefüllte Spendenkassen verfügt und dass er inzwischen auch als Name wohlbekannt ist – was maßgeblich auf sein überraschend starkes Rennen gegen Hillary Clinton vor vier Jahren zurückzuführen ist.

Die Aussicht auf einen Vorwahlsieg von Sanders treibt vielen moderaten Demokraten, aber auch vielen Unabhängigen sowie trumpkritischen Republikanern den Angstschweiß auf die Stirn. Denn wenn der Linksaußen Sanders, der sich selbst als Sozialisten bezeichnet, der Kandidat der Demokraten wird, dann ist eine Wiederwahl Trumps sehr viel wahrscheinlicher.

Kein Wunder, dass auch Russland versucht, Sanders mit Einflussaktionen zu pushen, wie US-Geheimdienste festgestellt haben. Denn auch in Moskau hält man eine Wiederwahl des russlandfreundlichen Trump für am wahrscheinlichsten, wenn Sanders als Gegenkandidat antritt. Die Demokraten sind also gerade dabei, ihre wichtigste Aufgabe gehörig zu vermasseln.

Tatsächlich erlebt die demokratische Partei ihren eigenen Trump-Moment. Im republikanischen Vorwahlkampf von 2016 schien den konservativen Wählern nicht so wichtig zu sein, wer die besten Wahlchancen hatte (man erinnere sich daran, dass nicht mal Team Trump am Wahltag an einen Sieg glaubte und nur gewann, weil Hillary Clinton eine so problematische Kandidatin mit vielen Altlasten war).

Im Vordergrund stand für die Trump-Wähler damals vielmehr, dem Establishment der eigenen Partei den Stinkefinger zu zeigen – und auch den Eliten in Washington. Ähnliches scheint sich nun vier Jahre später auf der Linken abzuspielen. Sanders ist nicht der Kandidat, der die besten Chancen gegen Trump hätte. Und dennoch liegt er nach den Vorwahlen in den ersten US-Bundesstaaten vorn.

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Weil auch viele demokratische Wähler die Nase voll haben von „den Eliten“ in der eigenen Partei und im Land. Und weil der zeternde Bernie diese Wut am authentischsten verkörpert und am besten zu kanalisieren vermag.

Sanders und Trump eint ihre Humorlosigkeit

Es gibt viele Ähnlichkeiten zwischen dem Phänomen Trump und dem Phänomen Sanders. Etwa die, es mit Zahlen und Fakten nicht so genau zu nehmen. Trump hatte einst vollmundig große Steuererleichterungen verkündet, ohne je zufriedenstellende Antworten zu geben, wie die gegenfinanziert werden sollen. Und nun, nach der Umsetzung der Steuerkürzungen, steuern die USA trotz guter Konjunktur in die Schuldenfalle, weil sich das Ganze eben nicht von selbst finanziert.

Was für Trump die Steuererleichterungen waren, sind für Sanders seine Versprechen von umfangreichen Sozialstaatsprogrammen, bei denen der Sozialist Antworten zu den enormen Kosten schuldig bleibt. Nicht einmal eine Mehrheit der Demokraten will eine staatliche Zwangskrankenversicherung, wie sie Sanders vorschwebt, die noch deutlich staatszentrierter wäre als etwa das deutsche Gesundheitssystem und gar keine privaten Versicherer mehr vorsieht.

Trump und Sanders eint auch ihre Humorlosigkeit und die Unfähigkeit, auf ironische Distanz zu sich selbst zu gehen. Und wer Sanders jemals live erlebt, wird schnell feststellen, dass Bernie durchaus demagogische Talente hat, genauso wie Trump.

Wenn er im Stile eine Volkstribuns seine Hetzreden auf die „Millionäre und Milliardäre“ hält, die allesamt angeblich nur Schlechtes im Schilde führen, dann hat das Aspekte von gruppenbezogenem Hass, die an Trumps antihispanische Ausfälle erinnern. Nur dass die Reichen sich in der Regel besser zu wehren wissen als hispanische Einwanderer.

Sanders ist ein linker Ideologe, der als Senator immer isoliert blieb, weil er kein Interesse daran hatte, nach Kompromissen zu suchen und Koalitionen zu bilden, um pragmatisch Dinge zu bewegen. Wie weit er von moderaten und wählbaren Positionen entfernt ist, zeigen die nun auftauchenden, zum Teil jahrzehntealten Videos von ihm, in denen er das kommunistische Regime in Kuba verteidigt, die Sandinisten in Nicaragua oder die Sowjetunion lobt.

Sanders war zeit seines Lebens ein linker Antiimperialist, der Amerikas Führungsrolle für die freie Welt ablehnte und Sympathien für linksautoritäre Regime hegte, die dem Westen feindlich gesinnt waren. Darin ähnelt er dem britischen Labour-Chef Jeremy Corbyn, der nach mehreren Wahlniederlagen nun seinen Hut nehmen musste.

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Auch Sanders’ jüngste Angriffe auf die proisraelische Lobbyorganisation AIPAC sind allenfalls in seinem Linksaußenmilieu vermittelbar. Die Angriffslinien der Republikaner gegen einen Kandidaten Sanders ergeben sich also von selbst. Trump könnte sich keinen besseren Gegner wünschen.

Sollte es Sanders gelingen, Präsidentschaftskandidat der Demokraten zu werden, dann könnte das eine zweite Amtszeit für Trump bedeuten. Doch das ficht seine Unterstützer nicht an, denen die Wut gegen das Establishment wichtiger ist, als Trump II zu verhindern.

Das entspricht einem in westlichen Ländern weitverbreiteten Zeitgeist. Wir leben in Gesellschaften, die in vielerlei Hinsicht vom Affekt getrieben sind und in denen der Ausdruck persönlicher Befindlichkeiten oft wichtiger ist als das große Ganze.

Wer schert sich schon um eine historische Mission, wenn er oder sie für einen Moment die Befriedigung empfinden kann, es denen da oben mal gehörig gezeigt zu haben? Hass auf die Eliten ist der Treibstoff, der die Trump-Anhänger bis heute antreibt – und der auch das Phänomen Sanders maßgeblich befeuert.

Erdrutschsieg für Bernie Sanders in Nevada

Der Senator Bernie Sanders wird immer mehr zum Favoriten auf die Präsidentschaftskandidatur der US-Demokraten. Bei den Vorwahlen in Nevada gewann er deutlich.

Quelle: WELT / Steffen Schwarzkopf

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