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Der Widerstand ist ungebrochen

Die Not hat die Organisatoren der Proteste erfinderisch gemacht. Im viel zu kleinen Stadtpark wurde am Sonntag in Schichten demonstriert. Foto: Tyrone Siu (Reuters)

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Der Victoria Park in Hongkong: Jedes Jahr machen hier zum Frühlingsfest Hunderte Blumenstände auf, man kann Narzissen, Chrysanthemen oder Pfingstrosen kaufen. Tausende Hongkonger kommen, schön ist es im Victoria Park. An diesem Sonntag ist der Park überfüllt. Man kann sich 60'000, vielleicht 70'000 Leute vorstellen. Aber mehrere Hunderttausend, gar eine Million? Nein, das geht nicht, sagten die Organisatoren. Es muss in Schichten demonstriert werden.

Eigentlich sollte die grosse Demonstration durch die Hongkonger Innenstadt führen. Aufgerufen zur Kundgebung hatte das Bündnis Civil Human Rights Front, das im Juni erst eine Million, dann zwei Millionen auf die Strasse gebracht hatte, um die Pläne der Regierung für ein Gesetz zu stoppen, das Auslieferungen in die Volksrepublik China erlaubt hätte. Inzwischen richtet sich der Protest direkt gegen Peking. Am Freitag verbot die Polizei den Demonstranten, durch die Innenstadt zu marschieren.

Lam mit Hitler-Bärtchen

Die Demonstration ist so etwas wie ein Gradmesser: Welchen Rückhalt hat die Protestbewegung noch in der Stadt? Immer wieder war es in den vergangenen Wochen zu Ausschreitungen gekommen, am Flughafen hielten Demonstranten einen chinesischen Reporter fest und fesselten ihn mit Kabelbindern. Wasser auf die Mühlen Pekings, das die Hongkonger Demonstranten als Terroristen bezeichnet. «Wir hoffen, dass wir der Welt zeigen können, dass Hongkongs Bevölkerung friedlich sein kann», sagt Organisatorin Bonnie Leung.

Wegen des Verbots nun also eine Versammlung im Victoria Park: Der füllt sich rasch. Die Demonstranten haben selbstgemalte Plakate dabei. Sie fordern das endgültige Aus für das umstrittene Gesetz. Man sieht Bilder von Regierungschefin Carrie Lam mit Hitler-Bärtchen, zudem verlangen die Demonstranten freie Wahlen und eine unabhängige Untersuchung der Polizeigewalt. Vergangenes Wochenende hatte eine junge Frau ihr Augenlicht verloren, nachdem sie von einem Polizeigeschoss im Gesicht getroffen worden war.

Nun fordern die Demonstranten den Rücktritt der Polizeiführung.

Zudem hatten Beamte Tränengasgranaten in einer U-Bahn-Station gezündet – gefährlich, da das Gas nicht abziehen kann und die Menschen kaum Fluchtwege haben. Die UNO-Menschenrechtskommission kritisierte die Hongkonger Polizei deshalb: «Es wurde mehrfach beobachtet, wie Beamte Tränengaskanister in überfüllte, geschlossene Bereiche geworfen und direkt auf einzelne Demonstranten gezielt haben», heisst es in einer Erklärung. Im Victoria Park fordern die Demonstranten am Sonntag deshalb den Rücktritt der gesamten Polizeiführung. Sie stehe Peking zu nah.

«Genossen, öffnet die Strasse!»

Dann beginnt es zu regnen im Park. Es ist einer dieser subtropischen Schauer, innerhalb von Sekunden ist man klitschnass. Regenschirme werden aufgespannt, keine fünf Meter kann man mehr sehen. Wer medizinische Hilfe braucht, soll seinen Regenschirm schütteln, damit die Sanitäter von der Bühne aus dorthin dirigiert werden können, heisst es. Auf einmal Donner. «Passt auf, dass ihr nicht neben einem Polizisten steht», scherzt eine Rednerin auf der Bühne. Die Menge johlt. Sie alle kennen das chinesische Sprichwort, dass der Blitz all jene trifft, die zuvor etwas Schlechtes getan haben.

Nach gut einer Stunde sollen die ersten Menschen den Park verlassen, Platz machen für die vielen anderen Demonstranten, die vor den Toren im Regen warten. Doch die Polizei öffnet nicht. Offenbar möchte sie vermeiden, dass die Demonstranten in die umliegenden Strassen strömen und somit doch in der Hongkonger Innenstadt protestieren. Auf mehreren Kilometern ist alles dicht. Demonstranten laufen kreuz und quer, manche Richtung Banken- und Regierungsviertel, andere zum Park, nirgendwo sind Einsatzkräfte, die die Menschenströme leiten. Wie viele am Ende demonstriert haben? Nach ersten Angaben der Organisatoren sollen es 1,7 Millionen gewesen sein.

Es ist fast ein Wunder, dass es in den engen Hochhausschluchten nicht zu einer Massenpanik kommt. Viele Demonstranten nehmen es sogar mit Humor: «Tongzhimen, kai lu!», rufen sie den wenigen Beamten am Strassenrand zu. «Genossen, öffnet die Strasse!» Statt des kantonesischen Dialekts, der in Hongkong gesprochen wird, schreien sie auf Hochchinesisch, wie es in der Volksrepublik üblich ist. Die nächste Spitze gegen die Hongkonger Polizei. Genossen gibts schliesslich nur in China.