Mit dem Tesla im Sperrbezirk
Alle Deutschschweizer Tesla-Fahrer und -Fahrerinnen müssen ins Zürcher Unterland nach Endhöri. Statt cleanem Design gibt es hier bünzlige Industrie – eine Verlegenheitslösung.
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Am Ende der Kette steht Endhöri. Wie passend. Oder steht Endhöri am Anfang? Alles eine Frage der Perspektive. Jedem Ende, hier in Endhöri, folgt ein Anfang.
Für Deutschschweizer Tesla-Fahrer beginnt alles in diesem Endhöri – ein kleiner Ortsteil der Gemeinde Höri im Zürcher Unterland. Dort, ennet der Glatt, steht eine Fabrikhalle, 110 Meter lang, 35 Meter breit, der Sockel gelb gestrichen, oben graue Metallelemente, die beiden Eingänge an der Längsseite in ausgebleichtem Bordeauxrot. Dahinter: Sperrgebiet – Fotografieren und Filmen verboten. Zutritt erhält nur, wer für Tesla arbeitet, eines ihrer Elektroautos gekauft hat oder wichtige Medienleute mit Termin (also wir).
Höri als Wellenbrecher
Seit Februar betreibt das kalifornische Unternehmen in der Nähe des Flughafens seinen «Delivery Hub». Wer in der Deutschschweiz einen Tesla kauft, der holt ihn hier ab, rollt mit seinem neuen Auto aus dem roten Tor, überquert die Altmannsteinstrasse, fährt die ersten Meter, der Grabackerstrasse entlang, in den Kreisel, nimmt (mit grosser Wahrscheinlichkeit) die zweite Ausfahrt, folgt den grünen Wegweisern, surrt der Wehntalerstrasse entlang, vorbei an Maisfeldern, Mobilfunkmasten und dem Stützpunkt der Kantonspolizei in Richtung Autobahn – und wären die acht im Tesla verbauten Kameras wirkliche Augen, wären die ersten Meter in Höri (also Endhöri) die ersten Eindrücke, die das Auto auf seiner Jungfernfahrt nach der langen Reise wahrnehmen würde.
Gefilmt wird auch in der Halle. Hoch oben, über zwei alten Faltanzeigen-Uhren, die wohl schon länger stillstehen, zeichnete eine Kamera alles auf. Es gibt kaum ein Unternehmen, dessen Image und Erscheinung cleaner sind als Tesla. Die Halle in Höri steht da in offensichtlichem Kontrast. Der Weg, den die Autos hier zurücklegen, ist ziemlich hobbymässig mit gelbem Klebeband auf dem Boden markiert. «READY DELIVERY» hat jemand die letzte Spur beschriftet. Von da gleiten die Wagen still in einen mit einer weissen Bretterwand abgetrennten Teil. Hier werden sie rückwärts parkiert, damit der neue Fahrer, die neue Fahrerin, ihren neuen Wagen mit Zug aus der Halle und in ihr neues Leben fahren kann.
Höri ist so etwas wie ein Wellenbrecher. Tesla fertigt – noch – alle ihre Wagen in den USA. Einmal online bestellt, fünf Klicks, sagt der Mann, der für Tesla spricht, folgen die Lieferungen in Wellen. Die Autos werden in den USA in Container verpackt, über den Atlantik verschifft, in Belgien aus- und anschliessend direkt wieder auf Lastwagen aufgeladen, in Courgenay (Frankreich) zwischengelagert, bis die Zollpapiere finalisiert sind und dann, sofern sie für die Deutschschweiz bestimmt sind, nach Zürich gebracht. Die Romandie hat ihren eigenen Delivery Hub. Würden diese Anlieferungen in die Servicecenter und Verkaufsstellen ausgeliefert, sie würden überflutet. Und deswegen braucht es die Halle im Unterland.
Kein Elon Musk
Tesla und die Schweiz, das passt. Die Kaufkraft ist hoch, die Distanzen kurz und damit die Sorgen, welche die E-Mobilität betreffen, inexistent, sagt ein Sprecher von Tesla, der hier nicht namentlich genannt werden darf, da er nicht Elon Musk heisst, nicht Elon Musk ist. Im März war der Tesla3 das meistverkaufte Auto der Schweiz, 1094-mal rollte so ein Exemplar aus der Halle hier.
Besonders in Zürich verkaufen sich die Elektroautos gut, ebenso in und um Zug und Lausanne. Wie gut, das haben die Datenanalysten ausgezählt: Lediglich in 22 Gemeinden des Kantons gab es laut Statistik Kanton Zürich im vergangenen Jahr keinen Tesla. Die höchste Tesla-Dichte pro 1000 Einwohner wies Neerach aus, eine Nachbargemeinde Höris. 15 Tesla waren dort gemeldet, das entspricht 6,5 pro 1000 Einwohner. In Höri selbst waren es derweil drei Teslas, bei rund 2800 Einwohnerinnen und Einwohnern.
Der perfekte Coup
Jeweils Ende Quartal brechen die Lieferungswellen aus den USA über Höri herein. Die Aktionäre wollen Autoverkäufe sehen, abgerechnet wird alle drei Monate. Rund 1100 Tesla rollten im März zuerst in die Industriehalle hinein und dann wieder aus der Industriehalle heraus. Im April waren es dann nur noch halb so viele.
Eigentlich wollte Tesla nach Schlieren. Jetzt stehen die knallroten Flaggen mit dem weissen Schriftzug links und rechts neben einem ausgebleichten Vordach. Die Buchstaben waren so lange dort angebracht, dass man heute noch lesen kann, was einst in der Halle war: «Willkommen in unserer Werkzeugmaschinen-Ausstellung». Hier betreten vorfreudige Kunden das Gebäude durch eine Art Timetunnel. Auf der anderen Seite wartet die Zukunft auf vier Rädern, mit riesigem Touchscreen in der Mitte des Armaturenbretts, vollgeladen und hochpoliert. Die Vorfreude dürfte von der weiss lasierten Täferdecke und den aus der Zeit gefallenen Hallogenspots ablenken. Es ist alles ein bisschen behelfsmässig – in einem Film würden hier am einen Tag schwere Deals abgeschlossen, am anderen hätten sich die Betrüger aus dem Staub gemacht.
Klebebänder weg, Ladestationen raus, Coup perfekt – und Endhöri wäre wieder bloss ein bünzliges Industriegebiet irgendwo im Zürcher Unterland.
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