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Früher war alles besser. Nur die Schuhe nicht

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Bartolos Dienerin Berta (Justyna Bluj) ist begeistert über die Turnschuhe, die allemal bequemer sind als ihr antikes Schuhwerk.
Don Bartolo mag die Gegenwart nicht. Darum hat er in ein paar Containern eine Rokoko-Welt eingerichtet.
In echt sind sie jung, auf der Bühne geben sie mit sichtlichem Vergnügen die Alten: Wojciech Rasiak als Basilio (l.), Richard Walshe als Don Bartolo.

Wir leben in einer miesen Zeit, und auch die Musik war früher besser: Das sieht zweifellos nicht nur der alte Don Bartolo in Gioachino Rossinis «Il barbiere di Siviglia» so. Aber er zieht ungewöhnlich drastische Konsequenzen aus seiner Abneigung gegen den Fortschritt: Er richtet sich nämlich in ein paar Containern eine Rokoko-Welt ein. Lässt sich während der Ouvertüre eine Sänfte liefern. Und sperrt sein Mündel Rosina, das eigentlich am liebsten ein knallbuntes Mickymaus-Kleid trägt, in einen Reifrock, der so breit ist, dass sie tatsächlich nicht fliehen kann: Sie passt schlicht nicht mehr durch die Tür.

Puder und Tattoos

Erst zweieinhalb Wochen ist es her seit der letzten Rossini- Premiere des Zürcher Opern­hauses; da zeigte Jan Philipp Gloger eine brandaktuelle, beissend witzige Inszenierung von «Il turco in Italia». Nun, beim traditionellen Winterthurer Gastspiel des Opernhauses, geraten wir in eine ganz andere Rossini-Welt. In eine wuselige, urtheatralische, lustvoll realitätsferne: Der junge Wiener Regisseur Johannes Pölzgutter, der sich seine Sporen einst als Regieassistent in Luzern abverdient hatte, charakterisiert die Figuren exakt so, wie es im Libretto vorgesehen ist. Und sie sehen zumindest teilweise auch noch aus, wie man das von den dick eingepuderten Rossini-­Inszenierungen der Vergangenheit her kennt.

Aber die Gegenwart, die lässt sich nicht aufhalten, da hilft auch das schwere Rolltor nichts, mit dem der Bühnenbildner Nikolaus Webern Don Bartolos Rokoko-Reich absperrt. Diese Gegenwart heisst Figaro: Der berühmteste Barbier der Musikgeschichte trägt hier Sonnenbrille, ein Scherentattoo hinter dem Ohr und eine blaue Schmalztolle.

Zwar muss auch er sich Kniehosen anziehen, wenn er Don Bartolo rasieren oder hereinlegen will. Aber er hat Turnschuhe im Gepäck, mit denen er Bartolos Dienerin Berta besticht, die ihr unbequemes Antik-Schuhwerk nur zu gern loswird (dass da Schleichwerbung für die Marke mit den drei Streifen gemacht wird, verzeiht man der Aufführung gern, auch das gehört ja zur Gegenwart).

Auch ein Smartphone schmuggelt er in die Container: Während Don Bartolo noch Liebesbriefe zu erhaschen versucht, kommunizieren Rosina und ihr Verehrer, der Graf Almaviva, längst per Whatsapp.

Trippeln im Takt

Da passt es bestens, dass das von Enrico Cicconofri bediente Hammerklavier im Orchestergraben auch mal einen Klingelton von sich gibt. Auch sonst beteiligt sich das Musikkollegium Winterthur unter der Leitung von Antonino Fogliani mit viel Schwung und Präzision an diesem Spass. Und wenn Regisseur Johannes Pölzgutter seine Figuren zwischendrin gegen alle Regeln des zeitgenössischen Inszenierens im Takt an die Tür klopfen oder über die Bühne trippeln lässt, dann hat das seinen eigenen Reiz. Wäre es schlecht gemacht, sähe es nach «Theäterle» aus. Aber es ist gut gemacht.

Dafür sorgen auch und vor allem die Sängerinnen und Sänger des Internationalen Opernstudios. Jung sind sie alle, aber zur Hälfte müssen sie Alte darstellen – und sie tun das mit fantasievoller Unterstützung der Kostümbildnerin Janina Ammon grossartig. Der kollektive Hexenschuss sieht jedenfalls bei jedem und jeder anders aus. Und wenn Richard Walshe als Don Bartolo in seinem «A un dottor della mia sorte» ein paar gezielt tatterige Töne einbaut, dann ist die musikalische Komödie perfekt.

Auch sonst werden die Rollen ausgereizt: souverän, spielfreudig, stil- und pointensicher. Und wenn die hinreissende Sinéad O'Kelly als Rosina ihre Kolora­turen wirbeln lässt; wenn Dean Murphys Figaro Charme und Schalk versprüht; wenn Leonardo Sánchez als Almaviva sein Ständchen gleich selbst mit der Gitarre begleitet und Justyna Blujs verstockte Berta ihre Turnschuhe mit einer Arie bejubelt: Dann weiss man wieder, warum dieses Stück immer noch ein Hit ist.

Weitere Aufführungen bis am 25. Mai.