Die SBB lässt im Sommer 1900 Extrazüge rollen

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GrossveranstaltungenDie SBB lässt im Sommer 1900 Extrazüge rollen

Die SBB hat mit 1900 Extrazügen den strengsten Sommer seit der Expo.02 vor sich. Der Saisonauftakt mit dem Metallica-Konzert ist geglückt.

S. Strittmatter
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S. Strittmatter

Die SBB steuert auf ein Rekordjahr zu: 2019 setzen die Schweizerischen Bundesbahnen 1900 Extrazüge ein, um die Besucherströme zu den Grossevents – Turnfest, Zürifest, Fête des Vignerons und Schwingfest – zu bewältigen (siehe Box). Eine grössere Belastungsprobe gab es in der 117-jährigen Geschichte der SBB lediglich im Jahr 2002, als im Dreiseenland die Landesausstellung Expo.02 stattfand.

Hinter dem Grossaufgebot steckt ein planerischer Kraftakt, wie Christian Zingg, Angebotsplaner Eventverkehr der SBB, erklärt: «Die SBB führt eine Eventdatenbank mit jährlich 1200 Events, um die Übersicht zu behalten und die interne Koordination und Organisation sicherzustellen.» Für rund 180 Events seien dieses Jahr Zugverstärkungen und Extrazüge nötig.

Zwei bis drei Jahre Planung

Für die jeweilige Planung setzt sich die SBB mit den Veranstaltern zusammen. Bei Metallica etwa, die mit ihrem Konzert im Letzigrund-Stadion letzten Freitag den Event-Sommer einläuteten, konnten aufrund der Ticketvorverkäufe die zu erwartenden Besucherströme auf die Regionen heruntergebrochen werden – und zwar sehr detailliert: So rechnete die SBB beispielsweise mit 1221 Konzertgängern aus Basel, 697 aus Bern und 154 aus dem Tessin.

Aufgrund dieser Daten werden Extrazüge bestellt und Personal aufgeboten. «Bei den grössten Veranstaltungen beginnt die Planung zwei bis drei Jahre im Voraus», sagt Zingg. Bei «normalen Events» wie Grosskonzerten oder Openairs reiche für die Planung ein halbes Jahr.

Sommerbaustellen als zusätzliche Herausforderung

Auch wenn am Freitag das Stadion-Konzert von Metallica mit dem Auftritt von Enrique Iglesias im Hallenstadion kollidierte, sei die Herausforderung überschaubar gewesen, sagt Zingg. Das liege daran, dass in urbanen Gebieten das ÖV-Netz bereits sehr stark ausgebaut sei. Deutlich aufwendiger werde die Planung jedoch bei Grossevents in ländlichen Gebieten.

Solche Kumulationen von Events seien keine Seltenheit, wie Zingg sagt: «Am 15./16. Juni etwa finden gleichzeitig das Turnfest Aarau, der Frauenlauf Bern, das Greenfield Interlaken, die Art Basel und zahlreiche kleinere Events wie Jodlerfest, Slow-up, Kantonalmusikfest und Gesangsfest statt.» Hinzu kämen Sommerbaustellen, die den Betrieb am Wochenende und nachts beeinflussen können.

Ans Limit stosse die SBB aber noch nicht: «Bisher ist es uns gelungen, allen Bedürfnissen Rechnung zu tragen», meint Zingg. Hier komme den Bahnbetrieben auch der Markt entgegen: «Eine zu starke Ballung von Grossevents ist für deren Organisatoren nicht interessant, weil diese sich sonst gegenseitig das Publikum streitig machen würden.»

Minutiöser Plan

Wie die Planung vor Ort abläuft, weiss Michael Studer. Er ist bei der Eventplanung der SBB die Schnittstelle zu den so genannten Kundenbetreuern, die an den Bahnhöfen und Haltestellen die Besucherströme zu den Zügen und S-Bahnen leiten. Am letzten Freitag leitete er ein Team von 13 Kundenbetreuern – Mitarbeiter der SBB aus den verschiedensten Berufsgattungen, die sich freiwillig zu diesem Einsatz gemeldet hatten.

Im Briefingraum am Zürcher Hauptbahnhof glich Studer die Notfallnummern ab, verteilte Funkgeräte und Westen und bestimmte die Standorte der Kundenbetreuer am Hauptbahnhof und am Bahnhof Altstetten. Dann kam die Meldung, dass der minutiöse Plan eine Änderung erfährt: Metallica hatten ihren Auftritt überpünktlich begonnen, das Ende der Veranstaltung rückte damit eine Viertelstunde nach vorne.

Extrazüge und verstärkte Regelverbindungen

Für Studer und seine Mitarbeiter spielt die Art des Anlasses eine untergeordnete Rolle, wie er sagt. Egal ob Sportanlass, Jodlerfest oder Heavy-Metal-Konzert – die Planung sei im Grunde immer die gleiche: «Es geht um Menschen, und es geht um Züge.» Entscheidender sei die Dauer einer Veranstaltung. Bei einem Konzert sei der Moment der An- und Abreise sehr eng begrenzt und deshalb leichter zu handhaben als etwa bei einem mehrtägigen Stadtfest.

Von den rund 45'000 Konzertbesuchern am Freitagabend beim Metallica-Konzert war rund die Hälfte mit der SBB angereist, die übrigen wohnten im Raum Zürich oder versuchten ihr Glück mit dem PW. Doch die Fans verteilten sich nach dem Konzert schnell auf die fünf Extrazüge und die verstärkten Regelverbindungen. Bewährt hatte sich auch das neue Konzept, wonach die Fernreisezüge neu in Altstetten halten und die Besucher nicht per Tram zum Hauptbahnhof gelangen müssen. Kurz vor Mitternacht zog Michael Studer eine erste Bilanz: «Es läuft alles nach Plan.»

Das sind die Mega-Events dieses Sommers:

Eidg. Turnfest in Aarau (13. bis 23. Juni), 70'000 Turner, ÖV-Ticket in der Festkarte integriert, 98% der Turner reisen mit ÖV an. Vorgesehen sind 50 Extrazüge und ca. 100 ausserordentliche Halte in Aarau.

Zürifest (5. bis 7. Juli), der gesamte ÖV in Zürich fährt zwei Nächte rund um die Uhr, ca. 400 Extrazüge sind dafür nötig.

Fête des Vignerons (18. Juli bis 11. August), ca. 800'000 Besucher über drei Wochen, 1000 Extrazüge.

Eidg. Schwingfest in Zug (23. bis 25. August), ca. 300'000 Besucher, ÖV-Ticket ist im Arenaticket integriert, ca. 100 Extrazüge.

Grosskonzerte und Open Airs.

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