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War das bereits der beste «Tatort» des Jahres?

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...: Geiselnahme in einer Bank. Schon wieder? Wieso? Murot beginnt an seinem Verstand zu zweifeln.
LKA-Ermittler Felix Murot trifft am Tatort ein. Eine Geiselnahme.
Routine für den Profi – Murot probierts psychologisch.

Wir wagen das jetzt einfach mal: «Murot und das Murmeltier» hat das Zeug dazu, am Ende der beste «Tatort» des Jahres 2019 gewesen zu sein. Nicht bloss wegen diesem hinreissend angeödeten, melancholisch angekränkelten Wiesbadener LKA-Ermittler: Murot ist ein Geschöpf von Ulrich Tukur, der als Bühnenschauspieler ja praktisch alle massgeblichen Ehrungen abgeräumt hat und im deutschen Film von Regisseur Michael Verhoeven bis Regisseur Michael Haneke zur Lieblingsbesetzung gehört. Sondern: Was der Drehbuchautor, Regisseur und Komponist Dietrich Brüggemann mit dem Team des hessischen Rundfunks hier entwickelte, hat man im «Tatort»-Format noch nicht gesehen – ein Zeitschleifen-Spiel, das genial auf Krimi gedreht wurde, mit Klamauk-Anleihen und Existenzialismus-Abgründen.

Da wird der frustrierte Kommissar jeden Tag um halb acht vom Telefonklingeln aus dem Schlaf gerissen: ein Banküberfall, der Räuber hat Geiseln genommen und sich in der Bank verschanzt. Gerade hatte Murot noch geträumt, er werde erschossen; jetzt geht er in eine Situation hinein, in der er tatsächlich ums Leben kommt. Immer wieder – und immer wieder anders. Murot realisiert allmählich, dass er in einer Zeitschleife auf der Stelle tritt. Ebenso wie sein Gegenspieler auch, der Geiselnehmer Stefan (Christian Ehrich). Der ist allerdings durchaus bereit, das Spiel bis zum St.-Nimmerleins-Tag zu wiederholen.

So lange, bis sie das Leben annehmen

Für alle anderen hingegen rollt der blutige Tag immer neu ab: für die Joggerin, die über ihren Schnürsenkel in den Tod stolpert, falls Murot es nicht verhindert; für den Lokalpolizisten, der den Kaffee regelmässig über Murots Hose verschüttet; für die Komplizin des Täters, die mal zur Mörderin, mal zur Selbstmörderin wird, je nachdem, auf welche Weise Murot ins Geschehen eingreift. Auch das Söhnchen des Täters erlebt den Weg zum Kindergarten ständig anders – wobei es immerzu darüber jammert, dass alle seine Tage gleich seien. Das Kind ist im Routine-Überdruss gefangen wie Räuber und Gendarm.

«You think your soul can still be saved. I think you're fucking miles away», wummert es dazu täglich durch die Wand des Thrash-Metal-Fans nebenan: Erlösung is' nich'. Und Tukurs Murot watet durch ein Meer der Sinnlosigkeit und Verzweiflung, bis er sich, Wiederholung um Wiederholung, immerhin an eine Lösung herantastet, in der alle Beteiligten am Leben bleiben. Und dieses annehmen müssen. «Murot und das Murmeltier» zieht mehr rein als Tukurs andere beiden hochexperimentellen – und hochgepriesenen – «Tatorte» («Im Schmerz geboren» und «Wer bin ich»). Diese Sonntagabend-Verneigung vor der amerikanischen Filmkomödie «Groundhog Day» («Und ewig grüsst das Murmeltier») ist – zum Niederknien.