Stromversorgung: Von Laubbläsern bis Netflix – im Krisenfall wird der Strom gestaffelt abgeschaltet

StromversorgungVon Laubbläsern bis Netflix – im Krisenfall wird der Strom gestaffelt abgeschaltet

Niemand kann sagen, wie hart die Energiekrise die Schweiz noch treffen wird. Deshalb eröffnet der Bundesrat nun das Vernehmlassungsverfahren für Bewirtschaftungsmassnahmen, die in den Strommarkt eingreifen würden.

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Mittwoch, 23.11.2022

Zusammenfassung der Pressekonferenz

Bei einer unmittelbar drohenden Mangellage richtet der Bund zuerst dringliche Sparappelle an alle Stromverbraucher. Parallel dazu kann der Bundesrat bereits erste Verwendungsbeschränkungen und Verbote erlassen. Diese erfolgen stufenweise.

Eskalationsschritt 1: Verbote

• Betrieb mobiler Heizgeräte, ausgenommen in bewohnten Räumen oder an Arbeitsplätzen, welche über keine anderen Heizmöglichkeiten verfügen

• Betrieb von Heizpilzen, Heizstrahlern oder Sitzheizungen von Sesselliften

• Betrieb mobiler Klimageräte und Ventilatoren ohne betriebliche Notwendigkeit

• Betrieb von Klimaanlagen in Arbeits- oder Wohnräumen zu Komfortzwecken

• Betrieb von Whirlpools, Körperbräunungsgeräten, Saunas, Infrarotkabinen, Dampfbädern, Massagesesseln und weiteren elektrisch betriebenen Wellnessanlagen im privaten Bereich

• Betrieb von Eismaschinen im privaten Bereich

• Aussen- und Anstrahlbeleuchtungen von Gebäuden und Gärten sowie von Privatwegen

• Beleuchtung von Parkplätzen und Parkhäusern ausserhalb der Öffnungszeiten

• Beleuchtung mit über 100 Lux an Orten ohne ständige Arbeitsplätze

• Beleuchtung in Räumen, in denen sich keine Personen aufhalten

• Elektronische Geräte ausserhalb der Geschäftszeiten

• Heizung von Räumen mit durchgehend geöffneten Aussentüren

• Elektrische Laubbläser

• Warmwasser in öffentlichen Toilettenanlagen

Eskalationsschritt 1: Einschränkungen

• Waschmaschinen in privaten Haushalten dürfen mit einer Wassertemperatur von maximal 40 °C betrieben werden.

• Die gewerbliche Nutzung von Wäschetrocknern, Bügeleisen und Wäschemangeln ist während maximal zwölf Stunden pro Tag erlaubt. Ausnahme: Spitäler, Geburtshäuser, Arztpraxen sowie Alters- und Pflegeheime.

• Wird die Wärme in öffentlich zugänglichen Räumen überwiegend durch elektrische Energie (wie Elektroheizungen und Wärmepumpen) erzeugt, so dürfen diese Räume höchstens auf 20 °C geheizt werden. Ausnahme: Spitäler, Geburtshäuser, Arztpraxen sowie Alters- und Pflegeheime.

• Warmhalteauslagen, Teller- oder Tassenwärmer, Bain-Maries und Wärmeschubladen dürfen im Detailhandel nicht mit Temperaturen von mehr als 65 °C betrieben werden.

• Getränkekühler dürfen, ausser für verderbliche Getränke, im Detailhandel nicht mit Temperaturen von unter 9 °C betrieben werden.

• Privat und gewerblich genutzte Kühlschränke (exkl. Gefrierfächer) dürfen nicht unter 6 °C gekühlt werden.

• Privat und gewerblich genutzte Kühl- und Gefriermöbel dürfen nicht unter -20 °C gekühlt werden.

• Die gewerbliche Verwendung von Bildschirmen und Beamern zu Werbezwecken ist nachts verboten.

• Die Verwendung von Schaufensterbeleuchtungen, Leuchtreklamen und Dekorationsbeleuchtungen ist nachts verboten.

• In nicht genutzten Gebäuden und Stockwerken ist die Heizung auf die niedrigste Stufe einzustellen oder auszuschalten.

• Umschlagzentren und Lager dürfen auf höchstens 19 °C geheizt werden.

Eskalationsschritt 2: Verbote

• Verwendung von Bildschirmen und Beamern zu Werbezwecken

• Beleuchtungen zu Werbezwecken wie Schaufensterbeleuchtungen, Leuchtreklamen und Dekorationsbeleuchtungen, ausgenommen Firmenlogos zu Geschäftszeiten

• Festtags- und andere Dekorationsbeleuchtungen im Aussenbereich

• Betrieb von Wäschetrocknern und Bügeleisen im privaten Bereich

• Betrieb von Mini-Bars in Gästezimmern und Maxi-Bars zur gemeinsamen Nutzung im Gastgewerbe

• Betrieb von Getränkekühlern, ausser für verderbliche Getränke, im Detailhandel und im Gastgewerbe

• Betrieb von Teller- und Tassenwärmern im Detailhandel und im Gastgewerbe

• Betrieb von Eismaschinen im privaten und im gewerblichen Bereich

• Betrieb von Rolltreppen und Fahrsteigen

Eskalationsschritt 2: Einschränkungen

• Die gewerbliche Nutzung von Wäschetrocknern, Bügeleisen und Wäschemangeln ist während maximal neun Stunden pro Tag erlaubt.

• Wird die Wärme in öffentlich zugänglichen Räumen überwiegend durch elektrische Energie (wie Elektroheizungen und Wärmepumpen) erzeugt, so dürfen diese Räume höchstens auf 19 °C geheizt werden. Für Gästezimmer des Gastgewerbes gilt eine Temperaturobergrenze von 20 °C.

• Die Raumtemperatur in elektrisch geheizten gewerblich betriebenen oder öffentlich zugänglichen Schwimmbädern und anderen Wellnessanlagen ist auf maximal 27 °C zu begrenzen. Ausgenommen sind Saunen.

• Umschlagzentren und Lager dürfen auf höchstens 18 °C geheizt werden.

• Privat und gewerblich genutzte Kühl- und Gefriermöbel dürfen nicht unter minus 19 °C gekühlt werden.

• Warmhalteauslagen, Teller- oder Tassenwärmer, Bain-Maries und Wärmeschubladen dürfen maximal auf 65 °C betrieben werden.

• In Diskotheken, Clubs und dergleichen sowie an Tanz- und ähnlichen Veranstaltungen ist die Heizung auf die niedrigste Stufe einzustellen oder ganz auszuschalten.

• Streaming-Dienste müssen die Auflösung ihrer Streaming-Angebote auf Standard Definition (SD) beschränken.

• Rechenzentren und Serverräume dürfen nicht unter 25 °C gekühlt werden.

Eskalationsschritt 3: Verbote

• Betrieb elektrischer Heizungen von Schwimmbädern

• Beleuchtungen von Sportplätzen und -anlagen

• Betrieb von Traglufthallen für Freizeit- und Sportaktivitäten

• Durchführung von Amateur-Sportveranstaltungen

• Nutzung von Waschanlagen für Personenwagen und Nutzfahrzeuge

• Discobeleuchtung und Nebelanlagen in Diskotheken, Clubs und dergleichen

• Betrieb von Video-, DVD- und Blue-Ray-Geräten, Spielkonsolen und Gaming-Computern

• Streaming-Dienste zu Unterhaltungszwecken

• Betrieb von künstlich gekühlten Eisflächen im Aussenbereich

• Mining von Kryptowährungen und Hochfrequenzhandel

Eskalationsschritt 3: Einschränkungen

• Die Ladenöffnungszeiten müssen um (1-2) Stunden pro Tag reduziert werden.

• Kühltruhen müssen ausserhalb der Öffnungszeiten mit Styroporplatten oder Nachtvorhängen abgedeckt werden.

• Die gewerbliche Nutzung von Wäschetrocknern, Bügeleisen und Wäschemangeln ist während maximal acht Stunden pro Tag erlaubt. Ausnahme: Gesundheitsinstitutionen.

• Wird die Wärme in Räumen überwiegend durch elektrische Energie erzeugt, so dürfen diese Räume höchstens auf 18 °C geheizt werden. Ausnahme: Gesundheitsinstitutionen.

• Der Betrieb von Whirlpools, Körperbräunungsgeräten, Saunas, Infrarotkabinen, Dampfbädern, Massagesesseln und weiterer elektrisch betriebener Wellnessanlagen im gewerblichen Bereich ist während maximal sieben Stunden pro Tag erlaubt.

• Die private Nutzung von Elektroautos ist nur für zwingend notwendige Fahrten gestattet (z. B. Berufsausübung, Einkäufe, Arztbesuche, Besuch von religiösen Veranstaltungen, Wahrnehmung von Gerichtsterminen).

Eskalationsschritt 4: Verbote

• Betrieb von Personentransportanlagen zu Freizeitzwecken

• Betrieb von Schneesportanlagen und Beschneiungsanlagen

• Betrieb von Wärme- oder Kälteerzeugungsanlagen für Sportanlagen

• Betrieb von Freizeit- und Vergnügungsparks, Spielhallen, Casinos, Diskotheken und dergleichen

• Durchführung öffentlicher Filmvorführungen

• Öffentliche Aufführung von Kulturveranstaltungen

• Durchführung von Amateur- und Profi-Sportveranstaltungen

- Als weitergehende Massnahmenstufe können Endverbraucher mit einem Jahresverbrauch von mindestens 100 MWh kontingentiert werden. Dies betrifft über 34'000 Grossverbraucher, die knapp die Hälfte des Stromverbrauchs der Schweiz ausmachen.

- Entschädigungen für Unternehmen wegen allfälliger Kontingentierung sind nicht vorgesehen.

- Auf nationalen Strassen soll der Verkehr auf 100 km/h beschränkt werden.

- In einer schweren fortdauernden Mangellage (Eskalationsstufe 3) kann die private Nutzung von Elektroautos auf zwingend notwendige Fahrten begrenzt werden.

- Für die Kontrolle sind die Kantone zuständig.

Netzabschaltung als letzter Ausweg

Als letztmögliche Bewirtschaftungsmassnahme sind Netzabschaltungen vorgesehen. Sie sollen einen umfassenden Netzzusammenbruch und somit einen Blackout verhindern. Zu diesem Zweck werden im Stromnetz einzelne Teilnetzgebiete abwechselnd abgeschaltet.

Verbrauchergruppen mit lebenswichtigen Dienstleistungen wie zum Beispiel die Energie- und Wasserversorgung, Blaulichtorganisationen oder die medizinische Grundversorgung können von Netzabschaltungen ausgenommen werden, sofern dies technisch möglich ist, was aber nur vereinzelt der Fall sein dürfte. Die Folgen für Wirtschaft und Bevölkerung wären gravierend, mit folgenschweren Einschränkungen. Deshalb wird alles unternommen, um Netzabschaltungen zu verhindern.

20min/Sonja Mulitze

Massnahmen bis 12. Dezember

Die Verordnungsentwürfe, die Verwendungsbeschränkungen und Verbote, Sofortkontingentierung, Kontingentierung sowie Netzabschaltungsregeln gehen bis zum 12. Dezember 2022 in eine verkürzte Vernehmlassung.

Einschränkungen bei Grossverbrauchern

Als weitergehende Massnahmenstufe können Endverbraucher mit einem Jahresverbrauch von mindestens 100 MWh kontingentiert werden. Dies betrifft über 34'000 Grossverbraucher, die knapp die Hälfte des Stromverbrauchs der Schweiz ausmachen.

Wenn der Strom knapp wird

Massnahmen kommen stufenweise

Bei einer unmittelbar drohenden Mangellage richtet der Bund zuerst dringliche Sparappelle an alle Stromverbraucher. Parallel dazu kann der Bundesrat bereits erste Verwendungsbeschränkungen und Verbote bei Komforteinschränkungen wie Objektbeleuchtungen bis hin zu Betriebsschliessungen erlassen.

Die Verordnungen würden bei einem Strommangel stufenweise in Kraft treten und der Lage angepasst sein. Zunächst einmal würde die Landesregierung dringende Sparappelle an die Verbraucherinnen und Verbraucher lancieren.

20min/Matthias Spicher

Pressekonferenz hat begonnen

Bundesrat Parmelins Massnahmen für den Fall einer Strommangellage gehen in Vernehmlassung.

Härtere Massnahmen verhindern

Die Bewirtschaftungsmassnahmen im Falle einer Strommangellage wurden gemeinsam mit Wirtschaft, Kantonen und anderen betroffenen Kreisen weiterentwickelt.

Im Falle einer schweren Strommangellage würden die Massnahmen an die Schwere der Mangellage und die aktuelle Situation angepasst werden. Ziel der Interventionen ist es, die Netzstabilität und damit die Stromversorgung aufrechtzuerhalten. Jede Stufe an Massnahmen hat zum Ziel, schlimmere Folgen und härtere Massnahmen zu vermeiden.

Medienkonferenz um 15.30 Uhr

Am Mittwochnachmittag hält der Bundesrat eine Medienkonferenz. Thema dabei sind die Energiekrise und die Eröffnung des Vernehmlassungsverfahrens für Bewirtschaftungsmassnahmen, die möglicherweise nötig sein werden, um die Krise zu bewältigen.

Es informieren:

  • Bundesrat Guy Parmelin, Vorsteher Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF)

  • Bastian Schwark, Leiter Fachbereich Energie der Wirtschaftlichen Landesversorgung

Geleitet wird die Medienkonferenz von Vizekanzler und Bundesratssprecher André Simonazzi.

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