Der russische Präsident Wladimir Putin hat die Annexion der vier mehrheitlich von eigenen Truppen besetzten Gebiete in der Ukraine vollendet. Bei einem von Fernsehen übertragenen Festakt am Freitag im Kreml unterzeichnete er die entsprechenden Dokumente.

Auch die Besatzungschefs der vier Gebiete, Denis Puschilin (Donezk), Leonid Passetschnik (Luhansk), Wladimir Saldo (Cherson) und Jewgeni Balizki (Saporischschja), unterzeichneten die Abkommen.

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In seiner Rede erklärte Putin die Annexion damit, dass dies «der Wille von Millionen Menschen» sei. «Es gibt nichts Wichtigeres als der Wille von Millionen, in ihre historische Heimat zurückzukehren», sagte er. Den Zerfall der Sowjetunion vor gut 30 Jahren bezeichnete er in diesem Zusammenhang als Tragödie.

«Für immer» russische Staatsbürger

Einmal mehr beschuldigte er die ukrainische Führung, aus Neonazis zu bestehen. Den russischen Angriffskrieg in der Ukraine rechtfertigte er in seiner Rede als Wiederherstellung der historischen Gerechtigkeit und als Befreiung Russlands von westlicher Unterdrückung.

Er forderte von Kiew und dem Westen, sofort die Kampfhandlungen einzustellen und Verhandlungen aufzunehmen. Die Menschen in Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischschja seien ab sofort russische Staatsbürger – «und das für immer».

Erst in der Nacht hatte der Kremlchef in einem weiteren völkerrechtswidrigen Akt die besetzten ukrainischen Gebiete Cherson und Saporischschja als unabhängige Staaten anerkannt. Aus Moskaus Sicht gilt dies als Voraussetzung dafür, dass die Regionen ihre Aufnahme in die Russische Föderation beantragen konnten. Donezk und Luhansk hatte Putin schon vor Kriegsbeginn zu unabhängigen «Volksrepubliken» erklärt.

Scheinreferenden werden nicht anerkannt

Bis Anfang der Woche waren in allen vier Regionen unter Kontrolle der russischen Militärverwaltung Scheinabstimmungen über einen Beitritt zu Russland abgehalten worden. Danach sprachen die russischen Besatzer von einer angeblich überwältigenden Zustimmungen der Bevölkerung.

Die Scheinreferenden über einen Beitritt besetzter Regionen in der Süd- und Ostukraine zu Russland werden weltweit nicht anerkannt. Grund dafür ist, dass sie unter Verletzung ukrainischer und internationaler Gesetze sowie ohne demokratische Mindeststandards abgehalten wurden. Die Scheinabstimmungen waren auch nicht von unabhängigen Beobachtern überprüfbar. Es gab zudem zahlreiche Berichte, dass sich Bewohner der Regionen unter Druck gesetzt fühlten.

Die vier Gebiete werden bislang von Russland nicht vollständig kontrolliert. Zudem hat die ukrainische Armee eine Gegenoffensive gestartet, im Zuge derer sie derzeit Geländegewinne im Gebiet Donezk erzielt.

Kremlsprecher dämpft Angst vor Atomschlag

Die russische Führung hatte zuletzt mehrfach erklärt, auf solche Angriffe, die nun als Attacken gegen das eigene Staatsgebiet gewertet werden, «mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln» zu reagieren. Diese Drohung wiederholte Putin auch während seiner Rede.

Dies hatte Spekulationen um einen möglichen Atomschlag Russlands ausgelöst. Kremlsprecher Dmitri Peskow hat am Freitag allerdings solche Erwartungen gedämpft. Verweise auf die russische Militärdoktrin, wonach ein Angriff gegen russische Staatsgrenzen mit einem Atomschlag beantwortet werden könnten, nannte er ungenau. In der Militärdoktrin heisst es, Russland könne auf Angriffe mit einem Atomschlag reagieren, wenn die Existenz des Staats selbst gefährdet sei.

USA verhängt neue Sanktionen

Als Reaktion auf die russische Annexion von vier besetzten ukrainischen Gebieten verhängen die USA weitere Sanktionen gegen Russland.

Die Strafmassnahmen richten sich unter anderem gegen weitere russische Regierungsvertreter, deren Familienmitglieder sowie Angehörige des Militärs, wie die US-Regierung am Freitag in Washington mitteilte. Betroffen seien auch Netzwerke für die Beschaffung von Verteidigungsgütern, einschliesslich internationaler Lieferanten.

Zu der langen Liste an Personen, die die Amerikaner in diesem Schritt ins Visier nehmen, gehören zum Beispiel Russlands Zentralbankchefin Elvira Nabiullina, weitere Parlamentsabgeordnete, sowie Familienangehörige von Ministerpräsident Michail Mischustin, von Verteidigungsminister Sergej Schoigu, von Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin und von Ex-Kremlchef Dmitri Medwedew, der inzwischen Vizechef des russischen Sicherheitsrats ist.

US-Aussenminister Antony Blinken erklärte: «Die Vereinigten Staaten weisen den betrügerischen Versuch Russlands, die international anerkannten Grenzen der Ukraine zu ändern, unmissverständlich zurück.» Dies ist ein «klarer Verstoss gegen das Völkerrecht und die Charta der Vereinten Nationen».

Als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hatten die USA und ihre internationalen Partner in den vergangenen Monaten bereits beispiellose Sanktionen gegen Russland verhängt.

(SDA/mth)