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Islam in ZentralasienWer baut die grösste Moschee?

Neuer Stolz des verarmten Tadschikistan: Die Grosse Moschee von Duschanbe.

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Die Bäume sind noch jung, fast schüchtern stehen sie vor dem weissen Prachtbau mit seinen sanftblauen, gewaltigen Kuppeln. Die Grosse Moschee von Duschanbe – sie trägt den Namen zu Recht, denn sie gilt als die grösste in Zentralasien. Sie könne «nur einen Blick der Bewunderung hervorrufen bei demjenigen, der sie betrachtet», heisst es in der Lobeshymne eines beteiligten Unternehmens.

Kurz vor der Pandemie ist sie fertig geworden, ein monumentales Gotteshaus für bis zu 120’000 Gläubige, neuer Stolz des verarmten Tadschikistan, eines Nachbarlandes von Afghanistan. Seit Beginn der Pandemie wartet das Land auf die offizielle Eröffnungszeremonie, denn unbedingt dabei sein soll der Emir von Katar. Er hat die Moschee zu einem grossen Teil bezahlt.

130 Meter hohe Minarette

Weiter nördlich, in Kasachstan, dem grössten und reichsten Land Zentralasiens, wächst allerdings schon die nächste Schönheit. In der Hauptstadt Nur-Sultan, hinter dem Gelände der Weltausstellung Expo 2017, wird gerade eine Moschee gebaut, deren Gesamtumfang zwar nicht an jene in Tadschikistan heranreicht – Platz für 30’000 Menschen soll es geben –, dafür ragen die Minarette 130 Meter hoch, so hoch wie keine anderen in Zentralasien. Bis Ende 2021 sollte das Werk vollendet sein, was nicht ganz gelungen ist. Aber 2022 dürfte es so weit sein.

Die Moschee wird dann die grösste in Kasachstan sein und damit die Hazrat-Sultan-Moschee ablösen, die an sich bereits eine imposante Sehenswürdigkeit ist. Sie steht sehr bewusst in direkter Nachbarschaft zu Norman Fosters Pyramide des Friedens und der Eintracht, die verschiedene Religionen der Welt symbolisieren soll.

Die Hazrat-Sultan-Moschee in Nur-Sultan, daneben Norman Fosters Pyramide des Friedens und der Eintracht.

Auch in Usbekistan, Kirgistan und Turkmenistan wird gebaut und gebaut – Zentralasien hat noch immer Nachholbedarf bei Moscheen. Etwa siebzig Jahre lang gehörte die muslimisch geprägte Region zur atheistischen Sowjetunion, die neben Kirchen auch Moscheen abreissen liess und das Ausüben der Religionen ins Verborgene trieb.

Allein in Kasachstan gibt es 2684 Moscheen.

Mit dem Ende der Sowjetunion vor dreissig Jahren hat sich das geändert. Seitdem sind in den einstigen Sowjetrepubliken Tausende Moscheen entstanden, hinreissend schöne, aber auch sehr viele kleine, die kaum grösser sind als ein Familienhaus; allein in Kasachstan gibt es nach Angaben des Religionskomitees im Informationsministerium 2684 Moscheen. Zum Vergleich: In der gesamten Sowjetunion gab es kurz vor deren Zerfall nur etwa 300 Moscheen.

Der Eindruck zählt: Eine weitere Hazrat-Sultan-Moschee, diesmal in Almaty, Kasachstan.

«Für meine Eltern war es schwierig, in der Sowjetzeit in eine Moschee zu gehen», sagt Maksat Bortkenow am Telefon. Bortkenow ist 27 Jahre alt, ein IT-Experte aus der Millionenstadt Almaty. Er selber ist viele Jahre jeden Tag in die Moschee gegangen, meistens nach der Arbeit zum Isha-Gebet, dem letzten Gebet des Tages. Auch seine Frau besucht die Moschee. Anders als etwa in der Türkei gehen Frauen in Zentralasien seltener, meistens haben nur die neuen Moscheen für sie überhaupt eigene Räume. Seitdem Bortkenow eine Tochter hat, schafft er es nicht mehr so oft, immerhin noch zweimal pro Woche. «Der Islam ist mein Leben», sagt er, «seit meiner Kindheit.»

Bortkenow lebt am Stadtrand von Almaty, und die Moschee, in die er geht, unterscheidet sich erheblich von den prächtigen Bauwerken, die Eindruck machen sollen auf Touristen und die heimische Bevölkerung. Sie ist nur etwa 20 Meter lang und wie viele andere von den Anwohnern des Viertels selber gebaut worden. «Das ist hier üblich, wo es bisher keine Moscheen gab. 90 Prozent aller Moscheen sind in Eigeninitiative entstanden», sagt Bortkenow. «Es ist besser, viele kleine zu bauen als grosse teure. Diese sind natürlich besser für den Tourismus und die Politik. Aber für die Religion? Ich weiss nicht.»

Höher, schöner, grösser? Wollen die autoritären Präsidenten Zentralasiens der eigenen Bevölkerung zeigen, wie leistungsfähig der Staat ist, wie wichtig er die Religion nimmt nach Jahrzehnten der Entbehrungen in der sowjetischen Vergangenheit? Dass in Nur-Sultan gerade die nächste Attraktion errichtet wird, dürfte auch damit zu tun haben, dass die junge kasachische Hauptstadt – bis 2019 unter dem Namen Astana bekannt – gerade systematisch zur wichtigsten Stadt des Landes aufgebaut wird und Wohngebiete an der neuen Moschee erst noch entstehen müssen.

Missionare aus der Türkei

Die Islam-Expertin Jeanine Dagyeli sagt: «Die zentralasiatischen Staaten positionieren sich als Teil der islamischen Welt. Innerhalb dieser Länder scheint es aber schon eine Art Wettbewerb zu geben, wer die grössten Moscheen baut.» Oft mit ausländischer Unterstützung.

«Die Türkei versucht in der Region präsent zu sein», sagt Jeanine Dagyeli.

Nach der Wende vor dreissig Jahren waren die unabhängig gewordenen Staaten noch nicht in der Lage, religiöse Prestigeprojekte allein zu stemmen. «In der Sowjetzeit gab es ausserdem einen grossen Bruch, was religiöses Wissen betrifft. Danach kursierten erst mal Anleitungshefte: ‹Wie bete ich?›», sagt Dagyeli, die Zentralasien- und Islamwissenschaft studiert hat und bis zum Herbst als Assistenzprofessorin an der Nasarbajew-Universität in Nur-Sultan lehrte. «In diese Lücke sind Staaten wie Saudiarabien, der Iran und die Türkei gesprungen, die viele Missionare geschickt hat.» Diese Staaten haben viele der Moscheen und Religionsschulen finanziell unterstützt, oft indirekt über Organisationen und Stiftungen.

«Moscheen-Diplomatie»

Die Zeitschrift «Voices on Central Asia» hat dieses Engagement als «Moscheen-Diplomatie» bezeichnet, bei der es auch um geopolitischen Einfluss geht, um «soft power», im Fall Saudiarabiens etwa um die Förderung der strengeren wahhabitischen Strömung. So habe das Königreich einen Weltverband der muslimischen Jugend gesponsert, der allein 200 Moscheen in Kirgistan gebaut haben soll. Auch die grosse Suleiman-Too-Moschee in der Stadt Osch ist demnach vor knapp zehn Jahren mithilfe dieser Organisation entstanden.

Bei der Eröffnung der im ottomanischen Stil gehaltenen Zentralmoschee der kirgisischen Hauptstadt Bischkek war 2018 wiederum der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan anwesend. Vier der fünf zentralasiatischen Staaten sind Turkstaaten und über eine 2009 gegründete Organisation miteinander verbunden – nur Tadschikistan nicht.

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«Die Türkei versucht in der Region präsent zu sein», sagt Jeanine Dagyeli, aber das gilt auch für andere Staaten. Katar etwa baut nicht nur Moscheen wie die Grosse Moschee in Duschanbe, es hat in Usbekistan auch ein Gebäude für eines der grössten Handschriftenarchive bezahlt. «Es geht bei alldem letztlich auch um Einfluss auf wirtschaftliche Märkte, darum, Regierungen für sich zu gewinnen», sagt Dagyeli. Kasachstan etwa hat viel Öl und Gas, wie auch Turkmenistan. Es ist eine umworbene Region, in der wirtschaftlich vor allem China als Konkurrent viel investiert.

Bei allem neu gewonnenen Einfluss der Religion: Zum Erbe der Sowjetunion gehört auch, dass sie sich dem Staat unterordne, sagt Jeanine Dagyeli. Und dieser ist in den Ländern Zentralasiens nicht nur stolz, sondern auch misstrauisch. Der Kampf gegen islamischen Extremismus wird hart geführt, in Tadschikistan werden immer wieder Männer mit langen Bärten bei Razzien mit Gewalt zur Rasur gezwungen und mitunter auch der Handel mit Hidschabs bekämpft, die Frauen auf den Strassen zunehmend tragen.

«Die Religion ist ideal. Aber der Mensch ist es nicht.»

Maksat Bortkenow, IT-Experte aus Almaty, Kasachstan

Die Angst, dass der aus Sowjetzeiten gewohnte liberale Kleidungs- und Lebensstil verdrängt wird durch einen zu starken Einfluss von Fundamentalisten, ist gross. In Usbekistan sind mehrere Gruppierungen als «extremistische Organisation» eingestuft. Tadschikistans diktatorische Führung wiederum hat eine Reihe von Islamschulen schliessen lassen und die Partei Islamische Wiedergeburt verboten, die nach einem Bürgerkrieg in den Neunzigerjahren lange Zeit noch an der Macht mitbeteiligt war. Und nun steigt auch noch die Sorge, dass mit dem Siegeszug der Taliban im benachbarten Afghanistan Radikale einsickern und frustrierte arbeitslose Jugendliche anwerben könnten.

Andererseits: Menschenrechtler und Oppositionelle werfen den Regierungen Zentralasiens vor, den Kampf gegen Terror zum Vorwand zu nehmen, um Kritiker festzunehmen und die Gesellschaft zu kontrollieren. Regimegegner, islamische Extremisten – so genau wird da nicht immer unterschieden. «Es gibt natürlich Gruppen, die Religion nicht richtig verstehen», sagt Maksat Bortkenow, der IT-Mann aus Almaty, dazu diplomatisch. «Die Religion ist ideal. Aber der Mensch ist es nicht.»