Notfallplan Gas: Angst vor Russlands Gas-Blockade – droht der Schweiz ein harter Winter?

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Notfallplan GasAngst vor Russlands Gas-Blockade – droht der Schweiz ein harter Winter?

43 Prozent der Schweizer Gasimporte kommen aus Russland. Muss die Bevölkerung bald kalt duschen, weil Putin Europa den Gashahn zudreht? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Darum gehts

Deutschland schlägt Alarm: Moskau hat die Gaslieferungen nach Europa um 60 Prozent gedrosselt – nun droht ein harter Winter. Das betrifft auch die Schweiz, die ihr Gas aus Europa bezieht. Was kann sie tun, wenn die Gasversorgung zusammenbricht? 20 Minuten beantwortet die wichtigsten Fragen.

  • «Notfallplan Gas» – was macht Deutschland jetzt?

Die deutsche Bundesregierung hat die Alarmstufe im «Notfallplan Gas» ausgerufen, Füllstände für die Speicher vorgeschrieben und die Bevölkerung gebeten, Gas zu sparen. Im Notfall will sie Energieversorger finanziell unterstützen. Das Parlament diskutiert, ob man wieder auf Kohle- und Atomkraftwerke setzen soll.

  • Was bedeutet das für die Schweiz?

Die Schweiz importierte 2021 rund 43 Prozent ihres Gases indirekt aus Russland. Gekauft hat sie das Gas in Italien, Deutschland, Frankreich und den Niederlanden. Gebe es in diesen Ländern zu wenig Gas, könne das zu Engpässen in der Schweiz führen, heisst es beim Verband der Schweizerischen Gasindustrie auf Anfrage.

  • Ist die Gasversorgung in der Schweiz gesichert?

Aktuell ja, so der Verband. Es sei aber möglich, dass Russland die Lieferungen nach Europa weiter zurückfährt. Die Schweiz brauche allerdings weniger als ein Prozent des gesamten Gases in Europa. Dass Deutschland kein Gas mehr an die Schweiz liefert, schliesst Wirtschaftsminister Habeck laut der Agentur DPA aus.

  • Macht es die Schweiz besser als Deutschland?

«Deutschland hat den Doppelausstieg aus der Kohle und aus der Atomkraft beschlossen und sich so von Gaslieferungen noch abhängiger gemacht», heisst es beim Verband Swissmechanic, der die Maschinen-, Elektro- und Metallbranche vertritt. Die Schweiz habe hingegen Ausweichmöglichkeiten (siehe Box).

Das ist der Notfallplan der Schweiz

  • Wie abhängig ist die Schweizer Industrie vom Gas?

Die Abhängigkeit ist gross. Laut dem Verband Swissmem, der die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie vertritt, brauchte die gesamte Schweizer Industrie inklusive Gewerbe im Jahr 2020 rund 10’500 Gigawattstunden Gas. Das ist etwa das Siebenfache der Menge, die die Stadt Bern 2020 brauchte.

  • Steht die Schweizer Industrie bald still?

Kaum, aber Swissmem-Direktor Stefan Brupbacher warnt: Man wisse nicht, ob die Gasbranche nun schnell genügend Gas einkaufen könne. Im Notfall könnten industrielle Grossverbraucher auf Anlagen umstellen, die Heizöl statt Gas nutzen. Das sei aber nicht überall möglich. Es drohen also Produktionsunterbrüche: «Diese würden den Ruf der Schweiz als Produktionsstandort massiv schädigen», so Brupbacher.

  • In 12 Wochen beginnt die Heizsaison – kommt das gut?

«Es wird auf jeden Fall knapp im Winter», sagt Habeck im «Spiegel». Auch der Verband der Schweizerischen Gasindustrie hält es für möglich, dass Europa seine Speicher für den Winter nicht wie geplant auffüllen kann.

Bald wird es wieder kalt – müssen wir im nächsten Winter frieren?

  • Was macht der Bundesrat?

Er hat die Gasnetzbetreiber verpflichtet, 15 Prozent des Jahresverbrauchs in den Nachbarländern zu lagern. Diese Lager müssen spätestens ab 1. November verfügbar sein. Weitere 20 Prozent des Winterverbrauchs müssen in Frankreich, Deutschland, Italien und in den Niederlanden für Notfall-Lieferungen bereitstehen.

  • Warum lagert die Schweiz ihr Gas nicht im Inland?

Weil sie keine eigenen Gasspeicher hat. Die Lagerung von Gas sei in der Schweiz aufgrund der Topografie technisch anspruchsvoll und sehr teuer, heisst es beim Verband der Schweizerischen Gasindustrie. Selbst wenn die Schweiz ihr eigenes Gas (siehe Box) gewinnen würde, könnte sie das Gas im Land gar nicht lagern.

Auch die Schweiz hat Gasreserven

  • Wird sich das bald ändern?

Vielleicht. Der Energieversorger Gaznat mit Hauptsitz in Lausanne will einen Gasspeicher im Bergmassiv bei Oberwald im Kanton Wallis einrichten. Dieser würde laut NZZ rund 400 Millionen Franken kosten und könnte etwa 430'000 Schweizer Haushalte ein Jahr lang mit Strom versorgen.

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