Benzinpreis-Schock: Darum bleibt Benzin an der Tankstelle trotz sinkendem Ölpreis teuer

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Benzinpreis-SchockDarum bleibt Benzin an der Tankstelle trotz sinkendem Ölpreis teuer

Diesel und Bleifrei 95 kosten immer noch weit über zwei Franken, obwohl die Preise fürs Rohöl wieder sinken. Wie ist das möglich? Und wer profitiert? 20 Minuten hat nachgefragt.

Darum gehts

Rund drei Monate ist es her, seit sich der Sprit in einer Nacht um 25 Rappen verteuerte. Shell verlangte damals in Würenlos AG 2.65 Franken für einen Liter Diesel, Coop in Dietikon ZH 2.23 Franken für einen Liter Bleifrei 95. Nun kostet ein Liter Diesel laut TCS rund 2.40 Franken und ein Liter Bleifrei 95 etwa 2.31 Franken. Bleifrei ist jetzt also teurer als im März, und der Preis von Diesel sank um 9,5 Prozent.

Gleichzeitig wird Rohöl günstiger. Ein Barrel (159 Liter) der Sorte Brent kostete im März 127.95 US-Dollar, am 23. Juni waren es 110.14 Dollar. Die Sorte West Texas Intermediate gab es im März für 124.70 Dollar, jetzt kostet es 104.40 Dollar. Die Kurse an den Rohölbörsen sind damit seit März um rund 15 Prozent gesunken.

Wie lässt sich die Differenz erklären? Und wer macht Kasse? 20 Minuten hat sich im Markt umgehört.

Preisüberwacher schaut genau hin

Auch der Preisüberwacher fragt sich, wer jetzt das grosse Geld macht. Er analysiert deswegen die Margen und hat dafür eine Voruntersuchung eingeleitet. Wann man diese abschliessen werde, sei noch unklar, sagt Beat Niederhauser, der Stellvertreter von Stefan Meierhans, auf Anfrage: «Sicher nicht vor den Sommerferien.»

Norbert Rücker von Julius Bär zweifelt daran, dass die Voruntersuchung fruchten wird: Der Grund für die hohen Preise seien nicht Absprachen, sondern schlicht die aktuelle Marktsituation. «Kasse machen jetzt vor allem Raffinerien und Erdölproduzenten wie Russland, die USA, Norwegen und der Nahe Osten», so der Rohstoffexperte.

Bei Tankstellen funktioniere der Wettbewerb, sagt Oel-Pool zum Eingriff des Preisüberwachers. Die Firma betreibt rund 700 Tankstellen in der Schweiz, vor allem von BP und Rudi Rüssel. «Wer auch immer zuständig ist, kann sich das gerne anschauen und wird feststellen, dass wir ebenso wenig Freude haben an den hohen Preisen, wie unsere Kunden.»

Hohe Margen, hohe Preise

«Die Preise sind nicht nur vom Rohölpreis abhängig», so Oel-Pool. Wichtig seien auch die Raffineriemargen (siehe Box), der Wechselkurs, die Rheinfracht und der Standort. Man kaufe fertige Produkte bei Raffinerien, deren Margen sich vervielfacht hätten, weil die Produktion gesunken sei, auch wegen Corona.

Raffineriemargen treiben Preise nach oben

Der Rohölpreis sei nun wieder runter, weil sich die Angst vor Versorgungsengpässen lege und Sorgen vor einer Rezession zunehmen. Die Märkte seien zwar immer noch verunsichert, doch Öl sei kurzfristig gut verfügbar, woran auch die Sanktionen gegen Russland kaum was ändern.

Tankstellen profitieren nicht

Aber warum sinken die Preise an der Tanke kaum? Die Rohölpreise seien erst in den letzten zwei Wochen stark runter, sagt Rücker. Mit rund 110 Dollar seien sie aber immer noch hoch. Es sei normal, dass man das an den Tankstellen nicht sofort spüre. Den Konsumentinnen und Konsumenten empfiehlt er, die Benzinpreise mit Apps zu vergleichen. So könnten sie Geld sparen – und gleichzeitig den Wettbewerb beleben.

«Wir machen jetzt nicht Kasse» – glaubst du den Tankstellen?

Das grosse Geld machten die Tankstellen nicht, heisst es bei Oel-Pool. Im Gegenteil: «Für uns ist es besser, wenn der Preis für Diesel und Benzin tiefer ist.» Denn die Margen für Tankstellen seien im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Die Rohölproduzenten, die Raffinerien und der Staat profitierten hingegen von den hohen Preisen.

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