Revenge Porn: «Lehrer, Arbeitgeber, jeder kann das Nacktbild sehen»

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Revenge Porn«Lehrer, Arbeitgeber, jeder kann das Nacktbild sehen»

Der Ständerat will Rachepornographie per Strafgesetz verbieten. Fachorganisationen begrüssen den Entscheid – und möchten gar noch weiter gehen.

Darum gehts

Die Beziehung geht in die Brüche, der Ex-Freund ist traurig, verletzt und wütend - er will sich rächen. Deswegen verschickt er Oben-ohne-Bilder, die sie ihm im Vertrauen geschickt hatte. Erst an Kollegen, dann lädt er sie auf Porno-Plattformen hoch.

Solchem Treiben will der Ständerat nun strafrechtlich einen Riegel vorschieben. Am Dienstagmorgen hat er die Einführung eines neuen Strafartikels beschlossen: gegen das «Unbefugte Weiterleiten von nicht öffentlichen sexuellen Inhalten» - auch genannt «Revenge Porn». Mit 37 zu sechs Stimmen hat sich der Rat klar dafür ausgesprochen.

«Immer wieder, Tendenz steigend»

Corina Elmer, Geschäftsleiterin der Frauenberatung sexuelle Gewalt, einer vom Kanton Zürich anerkannten Opferberatungsstelle, ist immer wieder mit Fällen von Rachepornographie konfrontiert. «Tendenz steigend». Für die Opfer bedeute das nicht nur eine massive Verletzung ihrer Intimsphäre, sondern auch ein totaler Kontrollverlust und Rufschädigung. «Die betroffene Frau wird gestempelt und öffentlich herabgesetzt.»

Soll Revenge Porn strafrechtlich verboten werden?

Corina Elmer begrüsst den Entscheid des Ständerats grundsätzlich. Sie würde aber noch weiter gehen: «Nicht nur Rachepornographie sollte strafrechtlich verboten werden, sondern auch Taten wie Cybermobbing, Stalking und Sexting», sagt sie. Ein Gesetz spiegle immer die Werte einer Gesellschaft und habe Signalwirkung, was enorm wichtig sei. «Die Strafverfolgung in der Praxis sieht dann nochmals anders aus. Denn viele Opfer wollen gegen den Täter nicht strafrechtlich vorgehen. Und selbst, wenn, führt eine Anzeige nicht immer zu einer Verurteilung.»

«Perfide Art von Selbstjustiz»

Thomas Knecht, forensischer Psychiater, erlebt Rachepornographie bei seinen Patienten immer wieder. «Es ist eine perfide Art von mittelalterlich anmutender Selbstjustiz, die bei den Opfern Scham, Depressionen, Angst bis hin zu Paranoia, Schlafstörungen und weitere Leiden verursacht», sagt er. Dies ähnlich wie beim Stalking, einfach, dass mit intimen Bildern oder Videos, die veröffentlicht werden, das Opfer blossgestellt wird. «Hinzu kommt, dass die Aufnahmen in einem Moment grösster Verehrung und Wertschätzung gemacht wurden, und dann benutzt werden, um jemanden herabzusetzen.»

Massenhaft solcher Fälle gebe es zum Glück nicht, sagt Knecht, aber immer wieder. «Vielleicht zwei oder drei pro Jahr in meiner Klientel. Es ist richtig, dass die Politik hinschaut und aktiv wird. Private Informationen über eine Person als Waffe einzusetzen, ist zu einer Epidemie geworden», sagt Knecht. Die Politik müsse hinschauen, man müsse die Opfer besser schützen. Ob der heute ausformulierte Strafartikel genügt, sei fraglich. Doch es sei immerhin positiv, dass das Parlament den Handlungsbedarf erkenne.

«Der Gesetzgeber macht generelle Normen»

Genau dies war im Ständerat in der Debatte vom Dienstagmorgen umstritten. Philippe Bauer (FDP, Neuenburg) bezeichnete die Umsetzung als anspruchsvoll. «Was ist genau ein sexueller Inhalt?», fragte der Rechtsanwalt, «Personen am Strand, ein Bild von einem Hintern, ein Bild von einer Frau mit einem grossen Décolleté - sind das auch Bilder mit sexuellem Inhalt?»

Ganz anders sieht es Grüne-Ständerätin und Anwältin Céline Vara, auch sie kommt aus Neuenburg. «Abgrenzungsprobleme gibt es bei jedem Gesetzesartikel. Es ist normal, dass der Gesetzgeber generelle Normen erlässt, die dann von der Rechtsprechung konkretisiert werden.» Selbstverständlich sei ein Strandbild noch kein Bild mit kompromittierendem sexuellem Inhalt, sagt sie. Aber: «Stellen Sie sich vor, ein Bild von Ihrer Tochter, nackt, wird im Internet publiziert oder an zahlreiche Leute verschickt. Das ist eine Katastrophe! Jeder kann es sehen, Lehrer, Arbeitgeber, ein ganzes Leben lang. Die Konsequenzen sind zerstörerisch, kann man das nicht wiedergutmachen.» 

Rat an Betroffene: Bilder sichern

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