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USA vor konservativer Wende Verhütung, Ehe für alle – kippen jetzt weitere Bürgerrechte?

In Mississippi könnte ein Schwangerschaftsabbruch bald als Mord gelten: Demonstrantinnen an einer Pro-Abtreibung-Kundgebung in New York. 

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Kein Tag ist ohne Proteste vergangen: Vor dem Obersten Gericht der USA und in zahlreichen Städten haben Tausende demonstriert, seit vor einer Woche bekannt wurde, dass die konservative Mehrheit der Richter das Recht auf Abtreibung abschaffen will. So hat es einer dieser Richter, Samuel Alito, im Entwurf für ein Urteil festgehalten, der durch ein Leck an die Öffentlichkeit gelangt ist. Das endgültige Urteil wird in etwa zwei Monaten erwartet, doch die Demonstranten zweifeln nicht daran, dass die Mehrheit der Richter den Bundesstaaten erlauben will, Abtreibungen einzuschränken oder ganz zu verbieten (hören Sie auch den Podcast: «Ein Leak mit Sprengkraft»).

Einen eigentlichen Masterplan für eine konservative Wende sehen viele Demonstrierende in dem Urteilsentwurf. Sie befürchten, dass er einer ganzen Reihe von Bürgerrechten die Grundlage entziehen könnte, allen voran der Ehe für alle und dem Zugang zu Verhütungsmitteln. Beide werden von der evangelikalen Ecke abgelehnt, die auch seit Jahrzehnten gegen Abtreibungen kämpft und nun kurz vor dem Erfolg steht.

Die Pille danach infrage gestellt

Die Ängste nährte am Wochenende der Gouverneur von Mississippi, Tate Reeves. Sein Staat hat das Abtreibungsgesetz beschlossen, mit dem sich der Supreme Court zurzeit auseinandersetzt. Als der Republikaner auf CNN gefragt wurde, ob Mississippi als Nächstes versuchen würde, Verhütungsmittel zu verbieten, antwortete Reeves ausweichend: «Zu diesem Zeitpunkt» stehe das nicht im Fokus.

Dabei haben seine Parteifreunde in Mississippi bereits ein Gesetz auf den Weg gebracht, das Abtreibungen als Mord qualifizieren und jeder Person «vom Moment der Befruchtung» alle verfassungsmässigen Rechte garantieren würde. Ob die sogenannte Pille danach, die das Einnisten des Embryos in der Gebärmutter verhindert, noch legal wäre, ist offen. «Ich glaube, dass das Leben mit der Befruchtung beginnt», sagte Reeves dazu.

Damit wird nach dem Recht auf Abtreibung bereits eine zweite soziale Errungenschaft infrage gestellt, welche die Frauenemanzipation in den USA ab den 1960er-Jahren voranbrachte: 1965 erlaubte das Oberste Gericht Verhütungsmittel, 1973 folgte das Recht auf Abtreibung. Beide Rechte sind nicht wörtlich in der amerikanischen Verfassung aufgeführt – was nicht gerade erstaunen sollte, da das 1787 ausschliesslich von Männern geschriebene und unterzeichnete Dokument auch Frauen mit keinem Wort erwähnt, ebenso wenig wie es amerikanischen Ureinwohnern und Afroamerikanern irgendwelche Rechte zusicherte.

Grundlage für soziale Modernisierung entzogen

Das Oberste Gericht fand in der Verfassung trotzdem eine Grundlage für eine soziale Modernisierung: Im 14. Zusatzartikel von 1868, der die US-Bürger vor übergriffigen Gesetzen schützt und allen gleiche Rechte vor dem Gesetz zuspricht. Er hat in der Entwicklung der Bürgerrechte eine überragende Rolle gespielt: Mit Verweis darauf wurde die Segregation im öffentlichen Verkehr und in den Schulen verboten, die Ehe von Menschen unterschiedlicher Hautfarbe erlaubt und 2015 die Ehe für alle landesweit eingeführt.

Am Muttertag demonstrieren Frauen vor dem Obersten Gericht in Washington für das Recht auf Abtreibung.

Die aktuelle Mehrheit im Supreme Court weist jedoch diese Grundlage zumindest für das Recht auf Abtreibung zurück. Richter Alito schreibt in seinem Entwurf zwar explizit, dass er damit keine anderen Bürgerrechte infrage stelle. Schon bei einer mündlichen Beratung im Dezember warnte die Richterin Sonia Sotomayor aber, das sei rechtlich gar nicht möglich.

Die Befürchtung, einzelne Staaten könnten nun gemischtrassige Ehen verbieten, sind wohl übertrieben; auch nach juristischer Segregation in den Schulen oder in den Bussen schreit niemand mehr. Weitere Angriffe auf das Recht auf Verhütungsmittel und die Ehe für alle sind aber zumindest in den konservativen Staaten zu erwarten – so, wie einer nach dem andern bereits Abtreibungsverbote beschlossen hat, die in Kraft treten, sobald das Oberste Gericht im Fall Mississippi ein Urteil gefällt hat.

Demokraten forcieren Abstimmung im Senat

Die Demokraten gehen nun ihrerseits in die Offensive. Mehrheitsführer Chuck Schumer hat am Montag angekündigt, voraussichtlich am Mittwoch im Senat ein Abtreibungsgesetz zur Abstimmung zu bringen. Es sieht ein landesweites Recht auf Abtreibung nach den bisherigen Kriterien vor, also etwa bis zur 24. Schwangerschaftswoche. Im Repräsentantenhaus, das die Demokraten kontrollieren, hat bereits eine Mehrheit für das Gesetz gestimmt.

Doch im Senat benötigen die Demokraten 60 Stimmen; ansonsten kann ein einzelner Republikaner mit einem Verzögerungstrick namens Filibuster die Abstimmung verhindern. Das bedeutet, dass zehn Republikaner mit den Demokraten stimmen müssten. Die Aussichten dafür sind gering; selbst moderate Republikaner werden sich davor hüten, sich in einem Zwischenwahljahr an einem Kernthema ihrer Parteigänger die Finger zu verbrennen. Senator Ted Cruz gab die Richtung vor, indem er die Vorlage «ein radikales Abtreibungsgesetz der Demokraten» nannte.

Die Demokraten werden die Abstimmung im Senat dennoch ansetzen, um sie im Wahlkampf auszuschlachten. «Jeder Amerikaner wird sehen, wo jeder Senator steht», sagte Schumer. Die Republikaner «können sich nicht mehr davor drücken».

Alles klar, Amerika? – der USA-Podcast von Tamedia
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