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Schutz von SchwangerenBeim Mutterschaftsurlaub bahnt sich eine kleine Revolution an

Rund jede sechste Frau arbeitet in der Schweiz praktisch bis zur Geburt. Die meisten anderen lassen sich in den Wochen davor krankschreiben.

Ist eine Frau in Österreich schwanger, erscheint sie spätestens zwei Monate vor dem errechneten Geburtstermin nicht mehr am Arbeitsplatz. Dann beginnt ihr vorgeburtlicher Mutterschaftsurlaub. In Deutschland dauert dieser sechs Wochen, in Italien vier, im Vereinigten Königreich sogar bis zu elf Wochen.

Die Schweiz kennt als einziges Land in Europa keinen solchen Mutterschutz vor der Geburt. Theoretisch arbeiten Frauen bis zur Entbindung – es sei denn, sie werden vorher krankgeschrieben oder beziehen Ferien.

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In der Stadt Luzern soll sich das nun ändern, zumindest für Angestellte der Verwaltung. Am Donnerstag hat sich das Stadtparlament dafür ausgesprochen, für städtische Mitarbeiterinnen einen dreiwöchigen Mutterschaftsurlaub vor der Geburt einzuführen. Dies zusätzlich zu den 16 Wochen danach.

Dafür machte sich auch die Stadtregierung stark. Sie stellt sich auf den Standpunkt, dass ein Grossteil der Mitarbeiterinnen während der letzten Wochen vor der Geburt ohnehin krankgeschrieben sei. Ein regulärer Urlaub hätte demgegenüber den Vorteil, dass bereits frühzeitig bekannt wäre, ab wann die Mitarbeiterin nicht mehr arbeitet. Zudem könne sich Luzern mit der Massnahme als «attraktive und zeitgemässe» Arbeitgeberin positionieren.

Pläne auf Bundesebene

Stadtpräsident Beat Züsli (SP) sagt auf Anfrage, es gelte nun noch verschiedene Fragen in der Umsetzung zu klären. Er halte eine Einführung auf Anfang des kommenden Jahres jedoch für realistisch. Begrüssen würde es Züsli, wenn der Mutterschaftsurlaub dereinst auch auf nationaler Ebene auf den Zeitraum vor der Geburt ausgeweitet würde – für alle Arbeitnehmerinnen.

Tatsächlich gibt es solche Bestrebungen. Im Nationalrat ist eine entsprechende Motion von Flavia Wasserfallen (SP) hängig. Geht es nach ihr, sollen drei Wochen Mutterschutz vor der Geburt über die Erwerbsersatzordnung finanziert werden. Wasserfallen sagt: «Es ist sehr erfreulich, wenn Städte wie Luzern in dieser Frage vorangehen.» Möglicherweise sei es nötig, die Debatte auf verschiedenen föderalen Ebenen anzustossen, bevor es zu einer Bundeslösung kommt.

Laut Bundesrat würde die Einführung eines vorgeburtlichen Mutter­schutzes jährlich 200 Millionen Franken kosten.

Denn der Bundesrat empfiehlt Wasserfallens Motion zur Ablehnung. Begründung: Es bestehe kein Handlungsbedarf. Die Landesregierung verweist auf einen Bericht, den ein Forschungsinstitut 2017 im Auftrag des Bundes erstellt hat. Dieser kommt zwar zum Schluss, dass nur rund jede sechste Schwangere bis zuletzt arbeitet. Knapp 70 Prozent der Frauen sind mindestens in den letzten zwei Wochen vor der Geburt krankgeschrieben, manche schon davor. Allerdings müssten die meisten dadurch keine oder nur geringfügige Einkommenseinbussen hinnehmen.

Hingegen, rechnet der Bundesrat vor, würde die Einführung eines vorgeburtlichen Mutterschutzes jährlich 200 Millionen Franken kosten. Dies «würde somit den finanziellen Rahmen sprengen». Dafür hat Wasserfallen nur ein müdes Lächeln übrig: «Die Kosten entstehen heute ja genauso, wenn die Frauen krankgeschrieben werden. Nur dass dann die Betriebe und bei längerem Ausfall die Krankentaggeldversicherungen dafür aufkommen müssen.»

Arbeitgeber wehren sich

Problematisch ist aus Sicht der Berner SP-Nationalrätin der Druck, der heute auf den Gynäkologinnen und den Frauen lastet. «Die Frauenärzte werden von den Versicherern dazu angehalten, Schwangere nicht ohne Not krankzuschreiben. Und manche Frauen fühlen sich verpflichtet, bis zum letzten Tag am Arbeitsplatz präsent zu sein – obwohl man weiss, wie schädlich Stress vor der Geburt für Mutter und Kind ist.»

In Luzern stellten sich SVP und FDP gegen die Pläne. Auf nationaler Ebene wehrt sich auch der Arbeitgeberverband. Kommunikationschef Fredy Greuter verweist darauf, dass die soziale Absicherung in den letzten Jahren bereits anderweitig verbessert worden sei. «Zu nennen sind beispielsweise die Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose, die Weiterversicherung von älteren Mitarbeitenden in der bisherigen Pensionskasse und die Einführung eines Vaterschaftsurlaubs oder eines Betreuungsurlaubs.»

Zudem sei die Sanierung der ersten und der zweiten Säule in der Altersvorsorge dringlich, sagt Greuter. Aus diesen Gründen sähen die Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen keinen Spielraum für einen weiteren Ausbau des Sozialstaats. In einzelnen Branchen und Kantonsverwaltungen ist es bereits heute möglich, einen Teil des Mutterschaftsurlaubs vor der Geburt zu beziehen. Anders als es in Luzern geplant ist, verkürzt sich dadurch in der Regel jedoch die arbeitsfreie Zeit nach der Niederkunft.