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Nach Alpiq-HilferufKommen Stromkonzerne an die kürzere Leine?

Was passiert, wenn ein Stromkonzern kein Geld mehr hat? Um dies zu verhindern, prüft der Bund derzeit neue Regelungen.

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Plötzlich drohte das Geld auszugehen. Mit diesem Problem ist nicht nur Alpiq konfrontiert, auch andere Stromkonzerne in Europa sind betroffen. Alpiq stellte deswegen vorsorglich ein Gesuch an den Bund. Und sammelte bei den eigenen Aktionären 223 Millionen Franken ein, um das Liquiditätsproblem zu lösen. Eine weitere Erhöhung auf 300 Millionen wird diskutiert.

Auch die Axpo hat sich neues Geld beschafft. Diese Woche verkündete sie die Platzierung einer Anleihe über 500 Millionen Franken – verbunden mit einem Nachhaltigkeitsziel, wie die Axpo mitteilte. Aber das Geld kommt gleichzeitig natürlich dem ganzen Konzern zugute. So spricht der Finanzchef der Axpo von einem «grösseren finanziellen Spielraum», der mit der Emission einherging.

Die BKW hat am Donnerstag ebenfalls eine Anleihe über 200 Millionen Franken ausgegeben. Allerdings betont der Konzern, dass dies im Zusammenhang mit der Wachstumsstrategie des Konzerns passiert sei und nichts mit den «aktuell diskutierten Liquiditätsfragen» zu tun habe.

In Bundesbern ist man seit dem vorsorglichen Hilferuf von Alpiq alarmiert. Bundesrätin Sommaruga setzte eine Taskforce ein und stellte im Interview mit dieser Zeitung klar: Einfach so zur Tagesordnung überzugehen, werde nicht möglich sein. Und: «Wir müssen das Geschehene aufarbeiten und prüfen, ob es neue Regelungen braucht, gemeinsam mit der Strombranche.»

Wie diese neuen Regeln aussehen könnten und ob sie überhaupt nötig sind, wird derzeit geprüft. Die unabhängige Regulierungsbehörde Elcom lässt in diesem Prozess ihr Know-how einfliessen.

Urs Meister, Geschäftsführer der Elcom, sagt, dass es noch zu früh sei, um konkrete Regelungen zu präsentieren. «Mögliche Massnahmen könnten einerseits darauf abzielen, die Systemrelevanz einzelner Unternehmen zu reduzieren. Etwa indem der Weiterbetrieb potenziell systemkritischer Funktionen auch im Falle einer Insolvenz beziehungsweise eines Nachlassverfahrens sichergestellt ist.»

Strombörse als Hebel

Ein anderer Hebel könnte mit der Resilienz der Unternehmen zu tun haben, die «mit geeigneten Vorgaben erhöht werden könnte», so Meister. «Dabei wäre auch zu prüfen, inwiefern Anpassungen der Rahmenbedingungen im Grosshandel beziehungsweise börslichen Handel nützlich wären. Gerade weil der Handel im internationalen Kontext erfolgt, sollten allfällige regulatorische Vorgaben unbedingt auch international abgestimmt sein.»

Das hat Alpiq-Chefin Antje Kanngiesser im Interview mit der «SonntagsZeitung» angesprochen: Der Börsenhandel für Energie auf europäischer Ebene müsse überdacht werden. «Wenn sich an der klassischen Börse aufgrund von Marktverwerfungen die Preise plötzlich vervielfachen, wird der Handel ausgesetzt, an der Strombörse nicht.»

Genau anschauen werde man beim Bund auch bereits bestehende Regelungen zur Erhöhung der Resilienz, wie etwa in der Bankenbranche. Doch Meister stellt klar: «Die Strombranche und die Bankenbranche sind in vieler Hinsicht sehr verschieden. Man kann wohl aus dieser Regulierung lernen, aber eine 1:1-Übertragung wäre sicher nicht möglich.»

Würden tatsächlich neue Regeln eingeführt, dürfte dies bei den betroffenen Firmen auf Kritik stossen. So schreibt die BKW dazu: «Die BKW sieht keinen politischen Handlungsbedarf bezüglich neuer Regulierungen.»

Ein europäisches Problem

In ganz Europa sind Stromkonzerne derzeit auf der Suche nach neuem Geld. Das Problem dahinter beschreibt Armin Rechberger, Analyst bei der ZKB, folgendermassen: «Wegen der massiv angestiegenen Preise für Elektrizität mussten die Stromerzeuger die Barsicherheiten für die Absicherungsinstrumente, die sogenannten Margin Calls, mit liquiden Mitteln aufstocken.»

Diese dienen zur Absicherung der Differenz zwischen den Spot-Strompreisen und dem Niveau, zu dem die Versorger die Produktion auf Terminbasis verkauft haben. Käme es beispielsweise zu einem Ausfall eines Kraftwerkes und verfügte der Stromproduzent über keine Produktionsreserven, müsste er die abgemachte Strommenge, um den Vertrag zu erfüllen, irgendwo teuer zukaufen.

Liquidität als wichtiger Faktor

Doch was bedeutet denn nun genug Liquidität, damit die Konzerne dies selber stemmen können? Diese Frage zu beantworten, ist komplex. Denn die Höhe der nötigen Liquidität hängt zum Beispiel davon ab, wie stark man überhaupt im Handel steht. Zudem ist es entscheidend, welche Möglichkeiten das Unternehmen hat, um zu zusätzlichem Geld zu kommen, etwa über Kredite bei Banken.

Ein Blick in die Bücher der drei grossen Stromfirmen zeigt die unterschiedliche Bestückung mit Liquidität. Die Axpo hatte per Ende September eine Liquidität von über 4,3 Milliarden Franken. Alpiq und BKW hatten eine deutlich tiefere Liquidität. Allerdings sagen nackte Zahlen wenig darüber aus, ob Firmen nun deshalb eingreifen mussten oder nicht. Denn die BKW hatte per Mitte Jahr mit 850 Millionen gar weniger Liquidität als Alpiq mit 1 Milliarde. Und doch war es Letztere, die neues Geld auftreiben musste.

Die derzeitige Situation ist paradox. Denn die höheren Strompreise führen dazu, dass Firmen mit Eigenproduktion profitieren könnten. Der Effekt wird allerdings erst in ein, zwei Jahren voll in den Büchern auftauchen, weil die Firmen ihren Strom teilweise Jahre im Voraus verkaufen. Dies, um die kurzfristigen Schwankungen am Strommarkt aufzufangen.

Doch bringt diese positive Aussicht nur bedingt etwas. Denn der erhöhte Liquiditätsbedarf löst sich trotz guter Ausgangslage kurzfristig nicht auf.