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Durchbruch in der EnergieforschungDer zündende Moment

Einblick in einen Raum an der National Ignition Facility, wo die Lasersignale vorverstärkt werden.

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Im Städtchen Livermore nahe San Francisco wollen Physiker verwirklichen, was viele für einen Traum halten: Die Energiequelle der Sonne auf die Erde holen. Tief im Innern des Gestirns verschmelzen Atomkerne von Wasserstoff zu Helium-Atomkernen, wobei die grosse Bindungsenergie der neuen Kerne frei wird und die Sonne zum Leuchten bringt. Könnte man auf der Erde Fusionskraftwerke bauen, hätte die Menschheit in puncto Energie wohl ausgesorgt, und das nahezu emissionsfrei.

Die Wissenschaftler um Alex Zylstra vom Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL) sind diesem Ziel nun einen Schritt näher gekommen, wie sie im Wissenschaftsjournal «Nature» berichten. Mit einem Laserpuls zündeten sie eine Kernfusion, die sich selbst weiter befeuerte. Der Fusionstreibstoff «brennt», sagen Physiker dazu. Es muss dann viel weniger Wärme von aussen zugeführt werden, um die Fusion aufrechtzuerhalten. Erst dann kann man deutlich mehr Energie aus der Kernfusion ziehen, als man hineinsteckt – Kraftwerke werden denkbar.

Atomkerne flitzen quasi nackt umher

Die Arbeit sei ein «absoluter Meilenstein», kommentiert Markus Roth von der Technischen Universität Darmstadt, der seit 25 Jahren auf dem Gebiet forscht. Trotzdem ist das aktuelle Experiment nur ein Baustein in der Fusionsforschung. Noch viele werden folgen, bevor die Technik zur Energiegewinnung genutzt werden kann.

Denn Kernfusion ist anspruchsvoll. Im Zentrum der Sonne ist der Druck 200 Milliarden Mal so gross wie auf der Erdoberfläche, und es ist 15 Millionen Grad heiss. Bei diesen extremen Bedingungen verlieren Wasserstoffatome ihre Elektronen und bilden ein sogenanntes Plasma. Darin flitzen Atomkerne sozusagen nackt umher. Wenn zwei von ihnen schnell genug aufeinanderstossen, können sie zu einem Helium-Atomkern verschmelzen.

In einem winzigen Punkt herrschen für Sekundenbruchteile Bedingungen wie im Sonneninnern.

Es gibt zwei Herangehensweisen, das auf der Erde nachzubauen. Verzichtet man auf den hohen Druck, muss man das Plasma weit stärker erhitzen als in der Sonne, um eine Fusion zu zünden. Weil das kein Material aushält, versuchen Physiker, das Plasma in einem Magnetfeld in der Schwebe zu halten. An Forschungsreaktoren wie ITER im südfranzösischen Cadarache und Wendelstein 7-X im deutschen Greifswald wird an dieser äusserst komplexen Aufgabe gearbeitet.

Die Forscher an der National Ignition Facility des LLNL machen es anders. Sie erzeugen neben einer hohen Temperatur auch einen extrem hohen Druck im Plasma. Dazu füllen sie eine stecknadelkopfgrosse Kapsel mit Wasserstoff und erhitzen sie mithilfe eines starken Lasers schlagartig, sodass die Hülle der Kapsel explodiert. Nach dem Rückstossprinzip implodiert der enthaltene Wasserstoff so heftig, dass er sich im Kugelmittelpunkt extrem verdichtet. In einem winzigen Punkt herrschen für Sekundenbruchteile Bedingungen wie im Sonneninnern, sodass sich Plasma bildet und es zur Kernfusion kommt.

Im Zentrum der riesigen Kugel an der National Ignition Facility lassen 192 Laserstrahlen ein winziges, mit Wasserstoff gefülltes Kügelchen implodieren. Die Halle diente übrigens auch als Maschinenraum im Film «Star Trek into Darkness» (2013).

Dieses Prinzip, Trägheitsfusion genannt, wird schon lange erprobt. Bislang konnte das Plasma aber noch nicht zum Brennen gebracht werden. Dem Team um Alex Zylstra ist dieser Durchbruch nun gelungen: Die Fusion erhitzte das Plasma zehnmal so stark wie der Laser.

Energie produzieren lässt sich auf diese Weise allerdings noch nicht. Dafür gibt es im Gesamtsystem noch zu viele Energieverluste. Zum Beispiel liess sich nicht die gesamte Laserenergie auf die Kapsel konzentrieren. Einen weiteren Teil der Energie verbraucht die Explosion von deren Hülle. In der Gesamtbilanz betrug die erzeugte Fusionsenergie nur zehn Prozent der insgesamt vom Laser gelieferten Energie. Bei einem späteren Experiment konnten die Forscher dies auf siebzig Prozent erhöhen. Sie sind also schon recht nahe an dem Punkt, an dem die Fusionsenergie diejenige des Lasers übertrifft.

Mit effizienteren Lasern rückt das Ziel näher

Eine deutsche Firma hat entscheidend zum Erfolg beigetragen. Diamond Materials aus Heidelberg lieferte die Diamantkügelchen, in die der Wasserstoff gefüllt war. «Die Anforderungen an die Kapseln sind äusserst hoch», sagt Christoph Wild, einer der beiden Geschäftsführer, der sich sehr über den Forschungserfolg freut. Das Material müsse die Laserstrahlung möglichst vollständig absorbieren und die Kapseln auf wenige Nanometer (Milliardstel Meter) genau rund poliert werden. In einem künftigen Kraftwerk könnte ein Strom solcher Kügelchen durch den vom Laser bestrahlten Bereich fliessen, sodass kontinuierlich Fusionsenergie erzeugt werden würde. Diese würde Wasser erhitzen, und der Dampf würde Generatoren antreiben.

Der Fusionsexperte Markus Roth von der Technischen Universität Darmstadt lobt die Arbeit aus Kalifornien, an der er nicht beteiligt war: «Ein tolles Experiment, um die Physik zu verstehen», sagt der Physiker. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse seien sehr wichtig für die weitere Entwicklung der Trägheitsfusion. Möglicherweise profitiert Roth selbst davon: Er ist Mitbegründer des deutsch-amerikanischen Start-ups Focused Energy, das ein Kraftwerk auf Basis von Trägheitsfusion entwickeln will. Bei relativ kleinen Firmen sieht er die Aufgabe, Forschungsergebnisse in die Praxis zu übersetzen.

Denn sie könnten neue Technologien leichter adaptieren, meint Roth, zum Beispiel effiziente Laser. Die Laseranlage an der National Ignition Facility ist 13 Jahre alt. Sie braucht das 200-Fache der Energie, die im Laserlicht selbst steckt. Für ein Fusionskraftwerk ist so ein Missverhältnis indiskutabel. «Aber inzwischen gibt es viel effizientere Laser», sagt Roth. Die Entwicklung gehe schnell voran. Wenn es so weitergehe, schätzt Roth, könnte Kernfusion in 10 bis 15 Jahren Energie liefern.