Pierin Vincenz: Gericht spricht Ex-Raiffeisen-Chef schuldig

Vincenz muss ins Gefängnis«Das Urteil ist falsch und es gibt eine Berufung»

Am Mittwoch folgte das Urteil im Monster-Prozess rund um Pierin Vincenz. Alle Infos dazu findest du im Ticker.

Das Bezirksgericht Zürich hat Pierin Vincenz schuldig des Betrugs, der ungetreuen Geschäftsbesorgung und weiteren Delikten gesprochen. (Video: 20min/ljp)

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Mittwoch, 13.04.2022

Zusammenfassung

Pierin Vincenz und sein ehemaliger Kompagnon Beat Stocker müssen wegen Betrug, Veruntreuung, ungetreuer Geschäftsbesorgung und weiteren Delikten ins Gefängnis. Das Bezirksgericht Zürich hat am Mittwochmorgen die Urteile verkündet. Sie fallen härter aus als erwartet: Vincenz muss für dreidreiviertel Jahre ins Gefängnis, Stocker gar für vier Jahre. Beide Freiheitsstrafen sind unbedingt und werden vollzogen. Ohne die Vorverurteilung durch die Medien wären die Strafen sogar noch höher ausgefallen, sagte der vorsitzende Richter Sebastian Aeppli. Die beiden Hauptbeschuldigten müssen zudem Schadenersatz in Millionenhöhe bezahlen. Die Gerichtskosten belaufen sich auf insgesamt 200'000 Franken.

Lorenz Erni, der Anwalt von Pierin Vincenz, sagte nach dem Prozess: «Das Urteil ist falsch und es gibt eine Berufung.» Auch der zweite Hauptbeschuldigte Beat Stocker ist mit der Einschätzung des Gerichts nicht einverstanden. Er müsse das Urteil jetzt erst einmal «sacken lassen». Demgegenüber ist Staatsanwalt Marc Jean-Richard-dit-Bressel zufrieden und sprach von einem «differenzierten Urteil».

Gegen drei Mitbeschuldigte verhängte das Gericht bedingte Geldstrafen wegen Gehilfenschaft. Der Kommunikationsberater von Vincenz wird freigesprochen. Gegen einen weiteren Mitbeschuldigten wird das Verfahren wegen unheilbarer Krankheit eingestellt.

Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Sie können ans Zürcher Obergericht weitergezogen werden.

Das sagt Beat Stocker zum Urteil

«Ich bin mit der Einschätzung nicht einverstanden», sagt Beat Stocker beim Verlassen des Gerichts. Er müsse das Urteil jetzt erst einmal «sacken lassen».

Am Mittwoch hat das Bezirksgericht Zürich Beat Stocker schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. (Video: 20min)

«Das Urteil ist falsch und es gibt eine Berufung»

Beim Hinausgehen sagt Lorenz Erni, der Anwalt von Pierin Vincenz: «Das Urteil ist falsch und es gibt eine Berufung.» Vincenz selber sagt nichts.

Das sagt der Anwalt von Pierin Vincenz zum Urteil. (Video: 20min/ljp)

Stocker ist für Gericht der «Frontman»

Beat Stocker wird vom Gericht als «Frontman» bezeichnet. Sein Gewinn in Millionenhöhe sei grösser gewesen als bei Vincenz, darum auch eine höhere Strafe. Auch hier wurde eine Reduktion durch die Vorverurteilung durch die Medien gewährt. Das schriftliche Urteil erfolgt im Sommer und umfasst über 500 Seiten. Damit ist der Prozess beendet.

Hohe kriminelle Energie

Zu der Strafzumessung sagt Aeppli, dass Vincenz seine Vertrauensposition missbraucht habe: «Es liegt ein erhebliches Verschulden vor mit einer hohen kriminellen Energie.» Durch die Vorverurteilung durch die Medien wird Vincenz mit neun Monaten weniger bestraft, als eigentlich vorgesehen.

Arglistiges Verhalten von Vincenz und Stocker

Laut dem Richter waren sich die Beschuldigten bewusst, dass sie sich mit ihren Schattenbeteiligungen in einem Interessenskonflikt befanden und somit die Treuepflicht gegenüber Raiffeisen und Aduno verletzten. «Das war arglistig», so Aeppli.

Keine Beziehungspflege in Nachtclubs

Der vorsitzende Richter Sebastian Aeppli begründet nun das Urteil. Die Untersuchung sei nicht durch den Artikel in der Onlineplattform «Inside Paradeplatz», sondern schon vorher durch eine Strafanzeige von Aduno erfolgt. Auch seien die Delikte nicht verjährt, wie die Verteidiger argumentiert hätten.

Zu den privaten Auslagen von Vincenz sagt Aeppli: «Die Beziehungspflege in den Cabarets und Nachtclubs lag nicht mehr im Interesse der Raiffeisenbank.» Einzelne Reisen seien zudem Privatreisen gewesen und keine Geschäftsreisen.

Vincenz und Stocker müssen Schadenersatz bezahlen

Die beiden Hauptbeschuldigten müssen Schadenersatz in Millionenhöhe bezahlen. Die Gerichtskosten belaufen sich auf insgesamt 200'000 Franken, welche alle Beschuldigten bezahlen müssen.

Geldstrafen für die Mitbeschuldigten

Gegen drei Mitbeschuldigten verhängte das Gericht bedingte Geldstafen wegen Gehilfenschaft. Der Kommunikationsberater von Vincenz wird freigesprochen. Gegen einen weiteren Mitbeschuldigten wird das Verfahren wegen unheilbarer Krankheit eingestellt.

Pierin Vincenz muss ins Gefängnis

Das Bezirksgericht Zürich hat Pierin Vincenz schuldig des Betrugs, der ungetreuen Geschäftsbesorgung und weiteren Delikten gesprochen. Er wird mit einer unbedingten Freiheitsstrafe von dreidreiviertel Jahren bestraft. Beat Stocker wird mit einer Freiheitsstrafe von vier Jahren bestraft, die ebenfalls vollzogen wird. Beide müssen also ins Gefängnis.

Ankunft von Beat Stocker

Auch der zweite Hauptbeschuldigte Beat Stocker ist bereits da.

Vincenz ist angekommen

Pierin Vincenz ist angekommen. Gegenüber den Medien wollte der Ex-Raiffeisen-Chef nichts sagen.

Urteil ab 8.30 Uhr erwartet

Das Urteil wird ab 8.30 Uhr erwartet. Medienvertreter und -vertreterinnen warten gespannt auf die Ankunft des Hauptbeschuldigten Pierin Vincenz.

Muss Vincenz ins Gefängnis?

Das Bezirksgericht Zürich wird am Mittwoch sein Urteil fällen. Damit wird der Prozess um den grössten Wirtschaftskriminalfall der letzten Jahre ein vorläufiges Ende finden. Die Anträge könnten gegensätzlicher kaum sein. Die Staatsanwälte fordern für den 65-jährigen Ex-CEO der Raiffeisenbank wegen gewerbsmässigem Betrugs, ungetreuer Geschäftsbesorgung und weiteren Delikten eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren sowie die Einziehung von Geldern und Liegenschaften in Millionenhöhe.

Für den zweiten Hauptangeklagten Beat Stocker wird die gleiche Strafe verlangt. Demgegenüber wollen ihre Verteidiger vollständige Freisprüche und hohe Entschädigungsforderungen, nicht zuletzt für die über hunderttägige Untersuchungshaft.

Den beiden Beschuldigten wird vorgeworfen, bei verschiedenen Firmenübernahmen von Raiffeisen und Aduno sich verdeckt beteiligt und bereichert zu haben – zum Schaden der jeweiligen Unternehmen. Zudem soll Vincenz private Ausgaben in Nachtclubs und bei Ferienreisen mit der Firmenkreditkarte bezahlt haben.

Die fünf weiteren Mitangeklagten standen wegen Gehilfenschaft vor Gericht, auch ihre Verteidiger verlangen Freisprüche. Dass mit dem Urteil des Bezirksgerichts Zürich der Fall abgeschlossen ist, ist unwahrscheinlich. Vermutlich werden die unterlegenen Parteien den Fall ans Obergericht weiterziehen.

Mittwoch, 09.03.2022

Zusammenfassung

Reicht eine rekordverdächtig dicke Anklageschrift mit 364 Seiten für eine Verurteilung von Pierin Vincenz und den sechs Mitbeschuldigten? «Nein», sagen die Anwälte und kritisieren die Arbeit der drei Staatsanwälte auch am heutigen Prozesstag vehement. Die Untersuchung sei unseriös geführt worden, es handle sich um reine Spekulationen. «Die Staatsanwaltschaft will uns ein Märchen auftischen», sagt einer der Verteidiger. Und ein Kollege zieht folgendes Fazit: «Die Anklageschrift steht auf wackeligen Füssen.»

Besonders der Anwalt des an Demenz erkrankten 68-jährigen Investnet-Gründers geht hart mit der Anklagebehörde ins Gericht: Die letzten vier Jahre hätten das Leben seines Mandanten zerstört. Für den Anwalt des angeklagten 64-jährigen Genfer Unternehmers ist es ungeheuerlich, «dass die Staatsanwaltschaft ihn seit vier Jahren nun als Kriminellen darstellt.»

Demgegenüber bekräftigen die drei Staatsanwälte und die beiden Anwälte von Aduno (heute Viseca Holding AG) und Raiffeisen ihre Vorwürfe gegen die Beschuldigten. Es habe sich bei den Transaktionen um klare Betrügereien von Stocker und Vincenz gehandelt, sie seien mit Täuschungen und Absprachen vorgegangen. Ein Staatsanwalt fasst es so zusammen: «Vincenz und Stocker hatten zwei Hüte an und sassen systematisch auf beiden Seiten des Verhandlungstisches.» Sie hätten zusätzlich zu ihren hohen Löhnen Gewinne in zweistelligen Millionenbeträgen gemacht. «Wer sich heimlich auf Kosten seines Arbeitgebers bereichert, gehört bestraft.»

Der Monsterprozess wird am 22. März fortgeführt und am Tag darauf mit dem Schlusswort der Beschuldigten beendet. Wann die Urteile gefällt werden, ist noch offen.

«Unrechtsbewusstsein fehlt bis heute»

Nach Engler spricht nun der Vertreter von Raiffeisen, Rechtsanwalt Urs Feller. Auch für ihn haben Vincenz und Stocker mit krimineller Energie gehandelt und es fehle ihnen bis heute am Unrechtsbewusstsein. Er verweist auf die Schattenbeteiligung von Vincenz. Mit den sogenannten Darlehen seien diese Schattenbeteiligungen verschleiert worden. «Das zieht sich bei all den Firmen-Transaktionen durch wie ein roter Faden», sagt Feller.

Die Besuche in den Stripclubs sei schon damals nicht erlaubt gewesen, nicht zuletzt aus Reputationsgründen.

Der Monsterprozess wird am 22. März fortgeführt und am Tag darauf mit dem Schlusswort der Beschuldigten beendet. Wann die Urteile gefällt werden, ist noch offen.

Ex-Frau von Vincenz will 6,5 Millionen Franken

Engler kommt auf die blockierten Gelder von Vincenz und seiner inzwischen geschiedenen Frau zu sprechen. So bezog der ehemalige Raiffeisen-CEO anfangs 2019 elf Millionen Franken Alterskapital. Er verzichtete auf eine Rente und liess sich das Geld als Kapital auszahlen. Davon zahlte er zwei Millionen auf das Konto seiner Ex-Frau. Diese Summe ist von der Staatsanwaltschaft blockiert worden, ebenso 4,5 Millionen Franken auf ihrem Vorsorgekonto. Sie will die Beschlagnahmung aufheben. Laut Engler soll das Geld aber ebenfalls für die Prozess- und Schadenersatzkosten aufgewendet werden.

Der Aduno-Anwalt weist darauf hin, dass Vincenz Geld an seine Ex-Frau und seine Töchter überwiesen habe, um es vor dem Zugriff der Staatsanwaltschaft in Sicherheit zu bringen.

2000 Stunden Anwaltsstunden

Marc Engler beziffert seine Aufwendungen für die Privatklägerin Aduno in diesem Prozess auf insgesamt 2000 Arbeitsstunden. Er bittet das Gericht, ihn angemessen zu entschädigen.

Acht Privatgutachten mit rund tausend Seiten

Engler kritisiert die insgesamt acht Privatgutachten mit rund tausend Seiten, welche die Verteidiger der Beschuldigten in Auftrag gegeben haben. Er zitiert das Gutachten von Rechtsprofessor und Ex-SVP-Nationalrat Hans-Ueli Vogt, das von einer falschen Annahme ausging und unrichtige Instruktionen erhalten hat. Engler: «Das Gutachten ist irrelevant und wertlos.» Auch ein Nachfolgegutachten habe entsprechend falsche Schlussfolgerungen gezogen.

Beat Stocker sei der «Mastermind» gewesen

Nach der Pause spricht Rechtsanwalt Marc Engler als Vertreter der ehemaligen Aduno (und heutigen Viseca Holding AG): «Stocker und Vincenz haben massive Gewinne in zweistelliger Millionenhöhe an der Aduno gemacht.» Es waren Gewinne, die ihnen nicht zustanden, die sie hätten offen legen und abliefern müssen. Das war klarer Betrug, sagt Engler. Stocker und Vincenz hätten mit Täuschungen und Absprachen arglistig gehandelt., wobei Beat Stocker der «Mastermind» war.

Die Verteidiger der Beschuldigten wollten mit Wortklauberei erreichen, dass das Gericht den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. «Das wird ihnen aber nicht gelingen», ist Engler überzeugt.

«Wer sich heimlich auf Kosten seines Arbeitgebers bereichert, gehört bestraft»

Zusammengefasst sagt Staatsanwalt Oliver Labhart: «Vincenz und Stocker hatten zwei Hüte an und sassen systematisch auf beiden Seiten des Verhandlungstisches.» Sie hätten zusätzlich zu ihren hohen Löhnen Gewinne in zweistelligen Millionenbeträgen gemacht. «Wer sich heimlich auf Kosten seines Arbeitgebers bereichert, gehört bestraft.» Wäre das anders, hätte das System versagt. Das gelte für die Kassiererin an der Supermarktkasse und erst Recht für Manager von systemrelevanten Banken, sagt der Staatsanwalt am Ende seiner Replik.

Nach einer halbstündigen Pause kommen die Anwälte der Privatklägerinnen Aduno (heute Viseca Holding) und Raiffeisen zu Worte.

«Wir sind hier nicht in einer Gerichts-Telenovela»

Labhart kommt auf das Plädoyer des Verteidigers von Stocker zu sprechen, welcher erst am Prozess ein angeblich wichtiges Dokument vorlegte. «Ich bitte Sie, wir sind hier nicht in einer Gerichts-Telenovela.» Es sei nicht glaubhaft, dass Stocker erst jetzt, nach vier Jahren Untersuchung in den Sinn gekommen sei, nach entlastenden Beweisen zu suchen. Für den Staatsanwalt eines der vielen Beispiele von Schattenboxen der Verteidigung.

GCL-Deal hälftig geteilt

Zum Schluss spricht der dritte Staatsanwalt Oliver Labhart zu den Schattenbeteiligungen von Vincenz und Stocker bei der GCL. Sie hätten den Gewinn aus dem GCL-Deal «hälftig geteilt» und für «uns sechs Millionen Franken» geschrieben, wie es in den Akten steht. «Es ist Aktenverdrehung, wenn die Verteidigung nun von einem Darlehen spricht.»

Stocker sei nicht unabhängiger Berater bei der GCL gewesen, sondern in einem schriftlich fixierten Auftragsverhältnis und habe bis drei Millionen Franken Jahreslohn erhalten. «Das war ein massiver Interessenkonflikt.»

«Das war ein streng gehütetes Geheimnis»

Staatsanwalt Marc Jean-Richard-dit-Bressel kommt auf die angeblichen Sachverhaltsirrtümer zu sprechen, welche die Verteidiger der Beschuldigten immer wieder ins Felde führen. «Die Beweismittel sprechen ein klares Bild», so der Ankläger. Alle hätten gewusst, das Pierin Vincenz und Beat Stocker auf beiden Seiten des Verhandlungstisches sassen. «Das war ein streng gehütetes Geheimnis.»

Er kritisiert auch die diversen Privatgutachten, welche die Verteidiger in Auftrag gegeben haben und sagt in einem Fall: «Das war ein Schuss in den Ofen.»

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