Die einst zornige Marine Le Pen gibt sich plötzlich freundlich und milde und sagt: «Ich bin gereift wie alter Wein»

Die französische Rechtspolitikerin steigt mit neuem Image in ihren dritten Präsidentschaftswahlkampf. Es ist ihre letzte Chance. Die Verwandlung scheint zu funktionieren.

Axel Veiel 3 min
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Bianca Litscher

Ist sie das wirklich? Schon als Marine Le Pen kürzlich blumenbekränzt durch die Strassen Mamoudzous zog, der Hauptstadt der zu Frankreich gehörenden Insel La Mayotte, rieb man sich verwundert die Augen. Dass die ewig zornige Rechtspopulistin im Präsidentschaftswahlkampf auf Flowerpower setzen sollte, war schwer zu glauben.

Die Blütenpracht im blonden Haar musste andere Gründe haben. Vermutlich wollte die Kandidatin des Rassemblement National (RN) ihren in Übersee lebenden Landsleuten nur bedeuten, dass sie eine von ihnen ist.

Aber auf dem Festland geht es so weiter. Nicht, dass die 53-Jährige auch dort Florales ins Haar flechten würde. Aber das stete Lächeln, das in Mamoudzou unterm Blumenkranz zu sehen war, ist noch da. Allgegenwärtig ist es – ein Mässigung, ja Milde verheissendes neues Markenzeichen. Das alte der angriffslustigen Anwältin hat ganz offenbar ausgedient.

Ein eben erst vor der Glaspyramide des Pariser Louvre-Museums gedrehtes Wahlkampfvideo verdeutlicht das Ausmass der Erneuerung. Hält man sich allein an die Bilder, glaubt man Le Pen als verzückt lächelnde Paris-Touristin zu erleben.

Konkurrenz von rechts und links

Allein der Ton erinnert daran, dass es hier um die Macht geht. Mit Staatschef Emmanuel Macron geht die Protagonistin ins Gericht. Eine toxische Präsidentschaft kreidet sie ihm an, beschuldigt ihn des Verrats und der Lüge.

Der Ort ist mit Bedacht gewählt. Im Mai 2017 hatte Macron hier seinen Sieg über Le Pen gefeiert. Das nächste Mal werde ich hier als Siegerin stehen, gibt Le Pen zu verstehen. Ärgerlich nur, dass sie beim Louvre keine Drehgenehmigung eingeholt hat und das Museum die Verwendung des Videos verhindern will.

Mit wütenden Attacken hatte sich Le Pen vor fünf Jahren selbst diskreditiert. Diesmal will sie gelassener, freundlicher vorgehen, sich als Sympathieträgerin empfehlen. «Ich bin gereift wie alter Wein», sagt sie. Genauso gut hätte sie allerdings auch sagen können: Es ist meine letzte Chance.

Mit Hasstiraden kann sie schliesslich nicht mehr punkten. Der ihr rechts aussen erwachsene Konkurrent Eric Zemmour versteht sich darauf deutlich besser. Obwohl mehrfach wegen Anstiftung zum Rassenhass verurteilt, macht er aus seiner Verachtung für Immigranten keinen Hehl, hetzt offen gegen Muslime.

Stimmengewinne mag die RN-Kandidatin allenfalls zu ihrer Linken erzielen. Doch auch dort ist LePen Konkurrenz erwachsen. Valérie Pécresse, Kandidatin der konservativen Républicains, greift erfolgreich nach rechts aus.

Die Angst vor ihr schwindet

Wie einst Nicolas Sarkozy verspricht sie, Frankreichs verrufene Vorstädte mit dem Hochdruckreiniger von Gesindel zu befreien. Laut Umfragen liefern sich Le Penund Pécresse hinter dem führende Macron ein Kopf-an-Kopf-Rennen um Platz zwei. Jeweils 17 Prozent werden ihnen prophezeit. Der erste Wahlgang findet am 10. April statt.

Eines hat Le Pen bereits erreicht. Die Angst vor ihr schwindet. Laut einer Umfrage halten sie nur noch 40 Prozent der Franzosen für rechtsextrem, nationalistisch und fremdenfeindlich. 2018 waren es noch 51 Prozent gewesen. Dabei ist der Markenkern des aus dem rechtsextremen Front National hervorgegangenen RN der gleiche wie damals. Nach wie vor sehen Le Pen und ihre Gefolgsleute in Zuwanderung und Europäisierung die Ursache so ziemlich allen Übels.

Verworfen hat Le Pen den Plan, sich im Zuge der Erneuerung auch noch von der eigenen Partei abzusetzen. Einer politikverdrossenen Gefolgschaft hätte das signalisieren sollen, dass auch sie von überkommenen Institutionen wenig hält. Angesichts der Konkurrenz im Präsidentschaftsrennen wollte die Kandidatin auf den Beistand der Getreuen dann doch nicht verzichten.

Privat ist die Erneuerung umso radikaler ausgefallen. Le Pen hat sich von ihrem Lebensgefährten und Parteifreund Louis Aliot getrennt, mit dem sie zehn Jahre zusammen war. Es war für sie nicht die erste schmerzliche Trennung. Zwei Scheidungen hat sie durchgestanden, sich mit den Eltern überworfen.

Als Marine 16 war, brannte die Mutter mit einem Liebhaber durch. Später ging auch noch die Beziehung zum Vater in die Brüche, der den Front National als rassistische, anti-semitische Protestbewegung gegründet hatte und so erhalten wollte.

Verletzungen waren das, die Le Pens Angriffslust geschürt haben dürften. Die Kraft zum Lächeln wird sie nun aus anderer Quelle schöpfen müssen.

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