Covid-Impfung - «Es gibt keinen Grund, etwas zu verschweigen»

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Covid-Impfung «Es gibt keinen Grund, etwas zu verschweigen»

Oft kursieren Meldungen über Impfnebenwirkungen. Werden sie kleingeredet? Swissmedic und ein Arzt winken ab.

Darum gehts

Eine Frau hat eine Woche nach der ersten Impfung einen länglichen, roten Pigmentfleck auf der Schulter, etwa handflächengross. Das habe nichts mit der Impfung zu tun, sondern sei ein Sonnenbrand, beschied ihr die Person, welche die Impfung verabreicht hatte. Doch die Frau war nicht an der Sonne gewesen und sie ist sich sicher: Der Fleck ist von der Impfung. Dass dies möglich sei, habe ihr später ein Arzt bestätigt.

Ein junger Mann liess sich letzte Woche in einem Zürcher Spital boostern, woraufhin er das Bewusstsein verlor. Sein Herzkreislauf sei extrem instabil geworden, sagen ihm die Ärzte. Er wacht später auf, hat starkes Fieber und Kopfschmerzen, kann nach Hause und muss sich strikt schonen.

Sorge vor Impfreaktionen

Eine Userin schreibt: «Dritte Impfung, drittes Mal Zyklus-Störungen und eine Periode aus der Hölle, aber ist alles der Stress, gell?»

Eine andere Nutzerin äussert sich: «Könnt ihr euch noch daran erinnern, dass vehement behauptet wurde, bei Impfungen gäbe es nur #Impfreaktionen, aber keine #Impfnebenwirkungen? Das waren noch Zeiten.»

Sorgen dieser Art werden von Nicht-Geimpften als wichtiger Grund angegeben. Eine grosse Impfumfrage von 20 Minuten ergab letzten November, dass Widerstand gegen staatliche Vorgaben das Hauptargument ist (60 Prozent der Impf-Abstinenten gaben dies an). Darauf folgten die Impfnebenwirkungen mit 15 Prozent.

Wenige Fälle von gemeldeten Nebenwirkungen

Doch wie berechtigt sind die Sorgen? Swissmedic verzeichnet seit 1. Januar 2021 rund 11’470 Verdachtsfälle – bei 14,9 Millionen verabreichten Impfdosen in der Schweiz. Davon galten 7190 Fälle als nicht schwerwiegend. Dazu zählen etwa Rötungen an der Einstichstelle, Fieber oder Müdigkeit. Rund 4280 Fälle wurden als schwerwiegend eingeordnet. Laut Swissmedic sind das jene Fälle, die als lebensbedrohlich wahrgenommen werden, zu Hospitalisationen führten oder diese verlängerten sowie Todesfälle. Unklar ist, in welche Kategorie Myokarditis, eine Entzündung des Herzmuskels, und Perikarditis, eine Entzündung des Herzbeutels, gehören. Schwerwiegend oder nicht? Laut Swissmedic geben die Patientinnen und Patienten den Schweregrad ihrer Nebenwirkung selbst an und dieser werde von Swissmedic nicht verändert.

Jedenfalls betreffen diese Fälle mehrheitlich jüngere Männer, meistens treten sie innerhalb von 14 Tagen nach der Impfung auf, oft nach der zweiten Dosis. Zurzeit sind 307 solcher Fälle in der Schweiz gemeldet. Nun häufen sich Berichte; insbesondere Sportlerinnen und Sportler scheinen betroffen zu sein. So leidet die Leichtathletin Sarah Atcho an einer Perikarditis infolge der dritten Impfung. Zudem wurde bei Marathonläuferin Fabienne Schlumpf eine Herzmuskelentzündung diagnostiziert, die womöglich mit der Impfung in Verbindung steht.

Von der Impfung oder nicht?

Gleichzeitig weiss man bei all diesen Fällen nicht, ob sie auch ohne Impfung aufgetreten wären. So zeigen die Zahlen des Bundesamtes für Statistik (BFS), dass Hospitalisierungen wegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen seit 2002 um 22 Prozent zunahmen. So wurden 2019 rund 50’000 Frauen und 67’000 Männer wegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen hospitalisiert. Es ist also schwierig, festzustellen, ob die Betroffenen aufgrund der Impfung erkranken oder ob sie auch ohne Impfung erkrankt wären. Swissmedic-Sprecher Alex Josty sagt: «Es gibt keine Vergleichszahlen für Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen nach einer anderen Impfung.»

Den Vorwurf, Impfnebenwirkungen zu verharmlosen, weist Josty von sich: «Wir fühlen uns nicht angesprochen, Impfungen zu verharmlosen. Wir lassen Arzneimittel zu und publizieren alle zum Zeitpunkt der Zulassung bekannten Nebenwirkungen.»

Rückhalt erhält Josty von Josef Widler, Präsident der AerzteGesellschaft des Kantons Zürich. So sagt Widler: «Swissmedic kann nur das publizieren, was sie erfährt. Es gibt keinen Grund, etwas zu verschweigen.» Doch Nebenwirkungen seien selten und nicht alle Nebenwirkungen würden von den Betroffenen gemeldet, sagt Widler. Zudem fehle oft der Vergleich zu denen mit denselben Symptomen bei Personen, die ungeimpft sind. Es sei manchmal schwierig oder unmöglich, herauszufinden, ob Symptome und Krankheiten mit der Impfung zusammenhängen oder ob sie auch sonst aufgetreten wären.

Yvonne Gilli, Präsidentin der Ärzteverbindung FMH, sagt: «Am Anfang gab es Unmut wegen des Nebenwirkungen-Meldesystems.» Dann habe es aber zwei Sitzungen gegeben mit Swissmedic, danach seien die Probleme behoben worden. Das sei etwa vor Jahresfrist gewesen.

In den USA wurden bisher rund 520 Millionen Impfstoffdosen verabreicht, die Zahl der schwerwiegenden Nebenwirkungen war gering. Zu den gängigsten Nebenwirkungen gehören anaphylaktischer Schock, Myokarditis und Perikarditis. Die zwei letztgenannten Krankheiten traten rund 2080 Mal bei Personen bis 30 Jahre auf.

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