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Vitiligo: Helle Flecken auf der Haut, dunkle auf der Seele

Die Hautkrankheit Vitiligo belastet die Betroffenen auch psychisch. Heilbar ist die Pigmentstörung nicht, aber es gibt wirksame Therapien.

Felicitas Witte 4 min
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Mit einer Therapie kann man die Ausdehnung der Krankheit stoppen und die Repigmentierung fördern, damit die Hautbereiche wieder ihre ursprüngliche Farbe erhalten.

Mit einer Therapie kann man die Ausdehnung der Krankheit stoppen und die Repigmentierung fördern, damit die Hautbereiche wieder ihre ursprüngliche Farbe erhalten.

Diamond Dogs / iStockphoto

Woher nimmt Winnie Harlow ihr Selbstbewusstsein? Die Kanadierin ist 27 Jahre alt und arbeitet erfolgreich als Model – obwohl um ihren Mund herum auffällige weisse Stellen zu sehen sind. Harlow hat die Hautkrankheit Vitiligo, auch Weissfleckenkrankheit genannt. Auf der Haut sind milchig weisse, scharf begrenzte Flecken zu sehen, weil dort kein braunes Pigment mehr hergestellt wird.

Vitiligo ist nicht ansteckend, kann aber das Leben der Betroffenen enorm beeinträchtigen. «Patienten erzählen mir immer wieder, wie sehr sie sich ausgegrenzt fühlen und wie sie sich schämen, anderen ins Gesicht zu schauen», erzählt Markus Böhm, Dermatologe in der Universitätsklinik Münster. «In unserer schönheitsoptimierten Gesellschaft werden Makel auf der Haut einfach nicht akzeptiert.» Doch auch so manch ein Kollege lasse die Patienten im Stich.

«Oft bekommen sie nicht die optimale Therapie, oder es wird ihnen sogar gesagt, das sei doch nicht so schlimm», sagt Böhm. Deswegen hat er eine Behandlungsleitlinie verfasst. «Ich finde gut, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse zusammengefasst wurden», sagt Elisabeth Roider, Leiterin des Zentrums für Pigmenterkrankungen im Universitätsspital Basel.

Zerstörte Zellen

Bei Vitiligo werden die Melanin produzierenden Zellen der Haut – die Melanozyten – zerstört. Warum das passiert, ist noch nicht vollständig geklärt. Eine Rolle spielt die Vererbung, hinzu kommt eine Autoimmunreaktion des Körpers, bei der bestimmte Abwehrzellen die Melanozyten zerstören. Auch erhöhte Konzentrationen gewisser Nervenbotenstoffe und oxidativer Stress könnten zur Entstehung beitragen.

Vitiligo beginnt in vielen Fällen zwischen dem 10. und dem 30. Lebensjahr. Sie verursacht bis auf gelegentlich auftretenden Juckreiz keine Symptome. Die Betroffenen haben aber ein deutlich erhöhtes Risiko für Depressionen und eine schlechtere Lebensqualität.

Unter den Krankheitsbildern am häufigsten ist die nichtsegmentale Vitiligo. Die weissen Stellen treten dabei oft im Gesicht an den Augenlidern oder um den Mund herum auf. Schreitet die Krankheit voran, zeigt sich der typische symmetrische Befall, zum Beispiel in beiden Achselhöhlen, an Ellenbogen und Knien, Schienbeinen und Fussrücken. Viele Patienten mit nichtsegmentaler Vitiligo haben gleichzeitig eine Autoimmunkrankheit, meist ist das eine Entzündung der Schilddrüse. Deshalb sollte man mindestens einmal im Jahr bestimmte Schilddrüsenwerte messen lassen.

Die segmentale Vitiligo kommt seltener vor und betrifft meist Kinder. Die Flecken bilden sich typischerweise nur auf einer Seite des Körpers in einem definierten Bereich, etwa auf der Stirn oder an der Wange.

Vitiligo lässt sich leider nur selten heilen. Aber mit einer Therapie kann man die Ausdehnung der Krankheit stoppen und die Repigmentierung fördern, damit die Hautbereiche wieder ihre ursprüngliche Farbe erhalten. Gemäss der neuen Leitlinie gilt Kortisoncrème als Mittel der Wahl, wenn nicht mehr als drei Prozent der Körperoberfläche betroffen sind. Kortison hilft besonders gut im Gesicht und am Hals, bei dunkler Haut und frischen Veränderungen.

Für die Langzeitanwendung im Gesicht bietet sich eine Crème mit Calcineurin-Hemmern an. Allerdings seien «Patienten immer wieder enttäuscht, wenn sich die weissen Flecken nach ein paar Wochen nicht wieder einfärben», sagt Adrian Tanew, Dermatologe und Vitiligo-Experte in Wien. «Die Betroffenen müssen aber wissen, dass es oft drei Monate und länger dauert, bis die Stellen dunkler werden.» Immer wieder schärft er seinen Patienten ein, die Crèmes richtig anzuwenden: Kortison einmal am Tag auf alle Stellen, Calcineurin-Hemmer zweimal. «Ist der Patient nachlässig, darf er sich nicht wundern, dass er keinen Effekt sieht.»

Transplantation von Haut

Patienten mit ausgeprägter Vitiligo wird eine Behandlung mit UVB-Licht empfohlen, zwei- bis dreimal die Woche über mehrere Monate hinweg. «Es braucht zwar Geduld, aber wenn man durchhält, ist die Chance für eine Repigmentierung hoch», sagt Elisabeth Roider. Häufig kombinieren die Dermatologen heute Lichttherapie mit Crèmes oder – im Falle einer akuten, rasch fortschreitenden Vitiligo – auch mit Kortison in Tablettenform. Für Patienten mit segmentaler Vitiligo, die sich nicht weiter ausbreitet, kommen chirurgische Verfahren infrage, etwa das «Skin Graft»-Verfahren, bei dem der Chirurg gesunde Hautschichten verpflanzt.

Noch gibt es keine gezielten Therapien, wie dies beispielsweise für Schuppenflechte oder Neurodermitis Standard ist. Es werden aber einige Substanzen in fortgeschrittenen Studien getestet, etwa Januskinase-(JAK-)Hemmer, die die zerstörerischen Immunreaktionen unterbinden. Erste Studien mit JAK-Hemmer-Crèmes zeigen eine Repigmentierung. Aber es muss erst noch untersucht werden, ob die Behandlung besser wirkt als Crèmes mit Kortison oder Calcineurin-Hemmern oder ob die JAK-Hemmer weniger Nebenwirkungen verursachen.

«Bis wir neue Behandlungen haben, ist es jetzt erst einmal wichtig, dass die Betroffenen die richtige Therapie bekommen», sagt Leitlinienautor Böhm. «Und dass die Gesellschaft endlich auch weisse Flecken im Gesicht akzeptiert.»

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